
Der Rechtsstaat ist die wahrscheinlich wichtigste Säule einer Demokratie. Aber dazu genügt es nicht, dass man einen Rechtsstaat nur Rechtsstaat nennt. Ein Rechtsstaat ist nur dann Rechtsstaat, wenn das Recht herrscht. Wird durch das Recht geherrscht, ist es eben kein Rechtsstaat. Ein Rechtsstaat kann auch nicht Gesetzesstaat sein. In Deutschland wird das leider oft verwechselt. Der Grund könnte sein, dass die Begriffe Recht und Gesetz oft synonym verwendet werden.
Es besteht ein großer Unterschied zwischen einem Gesetzesstaat und einem Rechtsstaat. Das haben wir in den deutschen Diktaturen immer wieder sehen können, als sich die gerade Herrschenden ihre Gesetze nach eigenem Gusto erließen und nach Ende der jeweiligen Diktatur dann sagten, sie hätten sich doch nur an die Gesetze gehalten. Nein, Recht ist etwas anderes. Das Recht geht über das Gesetz hinaus. Das Recht ist älter und vorrangiger. Beispiel hierfür sind die Menschenrechte. Auch wenn das Grundgesetz die Menschenrechte zum Teil widerspiegelt, sind die Menschenrechte jedenfalls auch dem Grundgesetz vorgelagert.
In letzter Zeit häufen sich Verfahren, die den Eindruck erwecken, dass das passende Gesetz schon vorhanden ist und die Verhandlungen nur noch Formalien sind. Die Rede ist hier im Besonderen von zwei Gesetzen. Zunächst vom § 188, dem “Majestätsbeleidungsparagraphen” der Personen des politischen Lebens vor Beleidigungen, übler Nachrede und Verleumdung schützen soll. Hier der Gesetzestext:
Weiter ist die Rede vom § 129 a des Strafgesetzbuches, dem RAF-Paragraphen, den man Ende der 70er Jahre einführte, da man glaubte, ohne ihn den Linksterrorismus der RAF nicht besiegen zu können.
Wie so etwas dann in der Praxis aussieht, kann zur Zeit in Frankfurt, beim sogenannten Reuß-Prozess beobachtet werden, bei dem unter großem Aufwand und unverhältnismäßigen Sicherheitsbedingungen nach etwas mehr als einem Jahr Prozessdauer eigentlich noch nichts wirklich Stichhaltiges verhandelt wurde.
Dem Ansehen der Justiz schaden diese Verfahren in einer Weise, die den beteiligten Richtern und Staatsanwälten nicht klar zu sein scheint.