
Der Verfassungsschutz erklärt vor Gericht, seine Hochstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ auf Eis zu legen. In der gerichtlichen Auseinandersetzung mit der AfD steckt das Bundesamt damit zurück und kommt einer gerichtlichen Anordnung aus taktischen Gründen zuvor. Öffentlich wird er die AfD nicht mehr als „gesichert rechtsextremistisch“ bezeichnen, bis das Eilverfahren der Partei dagegen vor Gericht abgeschlossen ist. Das könnte länger dauern als der Begriff „Eilverfahren“ vermuten lässt – ein Jahr sei durchaus realistisch, hören wir aus informierten Kreisen.
Für die Öffentlichkeit ist das freilich völlig unerheblich: Denn die Einschätzung des Verfassungsschutzes ist bereits in der Welt. Auch Teile des geheimen Gutachtens sind dank Durchstecherei aus der Behörde medial festgehalten. Die Formel „gesichert rechtsextremistisch“ hat sich schon im öffentlichen Gedächtnis verfestigt und wird von Gegnern der Partei weiter verwendet werden. Insofern ist die Erklärung des Verfassungsschutzes eine Vergiftete ohne Wert – das Ziel, die Formel „gesichert rechtsextremistisch“ zu verbreiten, ist erreicht.
Hier offenbart der Verfassungsschutz das perfide Spiel, in dem er sich zum Instrument gemacht hat. Seinen Wirkungstreffer im parteipolitischen Kampf hat das Amt mit „gesichert rechtsextremistisch“ erzielt. Und man kann vermuten, dass dieser auch primärer Zweck des ganzen Verfahrens der letzten Tage war. Die vorläufige Rücknahme der Einschätzung beziehungsweise die Erklärung, sie nicht mehr zu verbreiten, um dem Gericht eine „sachgemäße Prüfung“ zu ermöglichen, wirkt dahingehend regelrecht heuchlerisch.
Dass es so kommen würde, war ja absehbar: 2021 hatte die AfD gegen den Verfassungsschutz erfolgreich geklagt. Dem Bundesamt war damals untersagt worden, die Partei öffentlich als „Verdachtsfall“ zu bezeichnen – dadurch werde in unvertretbarer Weise in die Chancengleichheit politischer Parteien eingegriffen, urteilte das Verwaltungsgericht Köln. Der Verfassungsschutz habe Informationen über eine solche Einstufung trotz anders lautender Zusicherungen durch Durchstechen an die Medien publik gemacht, heißt es in dem Urteil weiter.
Eine solche Zusicherung hat die Behörde jetzt erneut abgegeben – man wird sehen, ob sie sich daran halten wird. Nahe liegt aber, dass die Behörde die Bekanntgabe ihres Gutachtens klar strategisch platziert hat, nur um jetzt planmäßig eine Stillhaltezusage abzugeben. So kommt man einem erwartbaren Gerichtsbeschluss gegen die öffentliche Bekanntgabe, der Angesichts der Entscheidung von 2021 zu erwarten gewesen wäre, zuvor.
Tatsache bleibt auch, dass der Bundesverfassungsschutz die neue Einschätzung der AfD gar nicht hätte öffentlich machen müssen. Eine Mitteilung an die Partei selbst hätte völlig genügt. Doch die Behörde hat gezielt und ohne Not die Öffentlichkeit gesucht. Die erwartbare Klage der AfD wehrt man dann im Nachgang durch eine Stillhalteerklärung ab – die man, wenn man sie ehrlich meinte, sich schon durch das Nicht-Veröffentlichen der Einschätzung hätte sparen können.
Stattdessen ging es um maximale Publicity, um die Öffentlichkeitswirkung. Eine Gerichtsentscheidung dagegen wehrt man im Nachgang noch ab. Das Bundesamt umspielt den Rechtsstaat. Aber das passt ins Bild, das der Verfassungsschutz in dieser Sache von sich zeichnet: Als eine Behörde, die gezielt politisch wirkt.