
Der neue Kulturstaatsminister Wolfram Weimer (CDU) bleibt für die Linken ein rotes Tuch. Sie wollen weiter Einfluss auf den Kunst- und Kulturbetrieb nehmen und verwahren sich gegen die Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus. Weimer gab Kritikern wie Dunja Hayali oder Felix Banaszak aber so ruhig wie entschlossen Kontra.
Wolfram Weimer, Staatsminister beim Bundeskanzler und Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien, hat kürzlich mit seinem Gastbeitrag für die Süddeutsche Zeitung (SZ) für Empörung gesorgt. Grund: Er hatte es gewagt, für die Freiheit der Kunst zu plädieren und sie vor der Politisierung von links und rechts zu schützen: „Die liberale Antwort auf diese Entwicklung lautet, keinen politischen Einfluss zu nehmen, sondern, ganz im Gegenteil, die Freiheit der Kunst zu verteidigen. Die Korridore des Sagbaren, Erkundbaren und Darstellbaren möglichst weiten, anstatt sie zu verengen.“ Der Staat solle sich inhaltlicher Einmischung enthalten – „er degradiert ansonsten die Künste zur Platzanweiserin der jeweiligen politischen Korrektheit“.
Im Interview im heute-journal wurde Weimer von Moderatorin Dunja Hayali aggressiv angegangen. Viele Menschen würden beklagen, sie dürften nicht mehr alles sagen, meinte Hayali, obwohl sie dann doch etwas sagten, „was über die Schmerzgrenze hinausgeht“. Jedenfalls über die Schmerzgrenze der ZDF-Frau, die keinerlei Einengung des Diskurskorridors erkennen kann. Schließlich dürfe ein Dieter Nuhr doch im Fernsehen auftreten und Hallen füllen.
Wolfram Weimer verwahrt sich gegen die Politisierung der Kultur.
Worauf Weimer daran erinnerte, dass die Hälfte der Deutschen der Ansicht sind, dass Freiheitsräume gefühlt enger geworden sind, und wenn so viele Menschen diesen Eindruck hätten, sei das bedenklich. Hayali stieß sich dann daran, dass der Minister Wortkreationen wie „radikalfeministische, postkoloniale, ökosozialistische Empörungskultur“, „freiheitsfeindliche Übergriffigkeit der Linken“, „linker Alarmismus“ und „Sprachwächter“ verwende – ob das diesen Kulturkampf nicht befeuere? Trocken gab Weimer zurück: „Ich argumentiere aus der Liberalität der Mitte.“ AfD und Linke schaukelten sich hoch im öffentlichen Diskurs, das mache die „Räume eng für uns in der Mitte“.
Jetzt ging die Moderatorin richtig steil: „Wollen Sie wirklich beide Seiten miteinander vergleichen? Extremismusforscher warnen vor dieser „Hufeisentheorie!“ Die sei „brandgefährlich und falsch“. Weimers Konter: „Extremisten gewinnen bei mir keine Sympathie, nur weil ich den einen für schlimmer halte als den anderen.“ Klar sei, dass „die Demokratie, wenn sie die Mitte verliert an die Räder, instabil wird“.
Eigenes Fehlverhalten vermag das linke polit-mediale Establishment nicht zu erkennen. In seiner Replik auf Weimers Beitrag in der SZ meinte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Sven Lehmann: „Was Wolfram Weimer als ‚linken Kulturkampf‘ beschreibt, ist oft nichts anderes als ein Diskurs im demokratischen Raum um Anerkennung und Teilhabe.“ Also nur gerecht und positiv. Anders als im gegnerischen Lager: „Der Kulturkampf von rechts hingegen zielt auf Kontrolle, Einschränkung, Ausgrenzung.“
Womit Lehmann eine glasklare Projektion hinlegt, denn womit wären Linke zuletzt mehr aufgefallen als mit „Kontrolle, Einschränkung, Ausgrenzung“, wenn sie fordern, Rechten keine Bühne zu bieten, soziale Netzwerke zu „regulieren“? Wenn sie unliebsame Meinungen sperren und löschen wollen, Allerweltsäußerungen zur Anzeige bringen, Petz-Portale und Meldestellen einrichten oder gar die von Rechten bevorzugte Partei verbieten wollen?
Bleibt auch bei „Ehrverletzungen“ ruhig: Wolfram Weimer.
Weimer kritisiere zu Unrecht die Linke viel härter als die Rechte, greinen Journalisten und Grün-Linke. Solche wie Felix Banaszak, Bundesvorsitzender von Bündnis90/Grüne. In der Talkshow „Markus Lanz“ tat er so, als könne er gar nicht fassen, dass Weimer die Demokratie auch von ganz links bedroht sieht. Weimer, der sich selbstbewusst als „profilierter liberal-Bürgerlicher“ bezeichnete, während seine Vorgängerin im Amt, Claudia Roth, nun mal eine „profilierte Grüne ist“. Womit Banaszak immer noch nicht klarkommt. Weimer schreibe in der SZ, meint der Grüne, der Hauptangriff auf die demokratische Kultur komme von diesem woken, linken Tugendterror. Dabei wollten Linke doch nur „Sprachsensibilität“, während Rechte „keinen Hehl daraus machen, dass die Demokratie als Gänze [sic!] abbauen wollen“.
Banaszak unterstellte Weimer eine Nähe zu Oswald Spengler, „einer Bezugsfigur der Neuen Rechten“, weil Weimer diesen zitierte bzw. paraphrasierte. Der Minister wiederum erinnerte daran, dass er einen Bogen in die Vergangenheit schlug (Spengler schrieb „Der Untergang des Abendlandes“, einen Klassiker der Zivilisationskritik, vor mehr als hundert Jahren), um die heutige Lage einzuordnen. Die Andeutung Banaszaks, er, Weimer, sei „ein völkisch denkender Mensch“, empfand er als „fast ehrverletzend“, blieb dabei aber dennoch ganz ruhig.
Felix Banaszak mag den SZ-Artikel Weimers gelesen haben; ob er ihn auch verstanden hat, steht auf einem ganz anderen Blatt. Weimer: „Wir in der Mitte müssen einkalkulieren, dass der politische Gegner auch recht haben kann. Das sei „demokratische Integrität“, und er erwarte das auch von Banaszak. Wie schon Hayali im heute-journal argumentierte der Grüne damit, dass Weimer doch reden dürfe.
Der Grüne Felix Banaszak drängt weiter auf Zensur.Das durfte Thilo Sarrazin zwar auch, aber um den Preis der gesellschaftlichen Ächtung infolge der allgemeinen Diffamierung als Rassist. Insofern nützt Weimer die Tatsache allein, dass er zu Lanz eingeladen wird, wenn er dafür von Mitdiskutant Banaszak als völkischer Denker stigmatisiert wird, ziemlich wenig.
„Wertkonservative, moderne Menschen müssen eine neugierige Weltoffenheit zu ihrem Programm machen“, meinte Weimer. Es gehe um den „Wertekosmos von liberalen, modernen, konservativen, bürgerlichen Menschen“, die Frage müsse lauten: Wie werde ich ein weltoffener Kosmopolit?“ Nichts für einen Linken wie Banaszak, dem schon konträre Meinungen im Plenarsaal des Bundestags sauer aufstoßen.
Nun konfrontierte Lanz den Minister mit einem schon etwas älteren Zitat aus dessen Buch „Das konservative Manifest”, in dem dieser den Niedergang der europäischen Völker unter Verwendung von Begriffen wie biologische Selbstaufgabe, Blut, Sippe, Nation und Zivilisation beschrieb.
Banaszak warf Weimer vor, er verwende „größere Akribie und wortgewaltige Begriffe wie ‚Tugendterror‘ eher auf Linke“, dabei seien Rechte doch viel gefährlicher, siehe Trump. Weimer blieb gelassen: „Wir haben einen globalen Zeitgeist, der freiheitseinschränkend ist. Lassen wir uns nicht von rechts und links die Debattenräume eng machen.“ Rechte würden gern das eine verbieten, Linke das andere. Er nannte Beispiele wie die nackte Venusstatue, die aus einem Bundesamt in Berlin entfernt wurde, oder die Seniorinnen-Combo, die nicht mit Sombreros auftreten durfte – wegen „kultureller Aneignung“. Da war Banaszak auffällig still.
Ganz frei von Neigungen zu ordnungspolitischen Offensiven ist jedoch auch Weimer nicht. Die US-Digitalkonzerne seien „zu groß, zu mächtig, zu dominant und ein Risiko für politische Kultur und Meinungsvielfalt“. Sie verstärkten die Echokammern. Während Banaszak das Meinungsmonopol der Linken gefährdet sieht und deshalb die sozialen Netzwerke „reguliert“ (also zensiert) sehen möchte, begnügt er sich damit, die Monopolisten zu besteuern, was er euphemistisch „Plattform-Soli“ nannte. Politische Einflussnahme auf die Medien lehnte Weimer jedoch ab. Das sei in Kombination mit einem „zentralisierten Informationsfluss“ nicht gut.
Den Möchtegern-Zensoren aus Medien und Politik hat Wolfram Weimer auf eine sehr gelassene Art signalisiert, dass er als klassischer bürgerlicher Liberal-Konservativer keine Cancel Culture sehen will. Das allein ist schon, nach den vielen Versuchen vor allem der Grünen, den politischen Diskurs unter Verweis auf die angeblichen „Grenzen des Sagbaren“ abzutöten, einigermaßen wohltuend.
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