
Das kürzlich ausgehandelte Zollabkommen zwischen den USA und der EU wird spürbare wirtschaftliche Auswirkungen auf Europa haben. Laut Berechnungen des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW), die dem Handelsblatt exklusiv vorliegen, wird insbesondere das Bruttoinlandsprodukt (BIP) kurzfristig unter Druck geraten. Die Einigung wird die europäische Wirtschaft Milliarden kosten.
Den Berechnungen des renommierten Instituts zufolge werden die pauschalen Zölle von 15 Prozent sowie die speziellen Aufschläge von 50 Prozent auf Stahl und Aluminium dazu führen, dass das deutsche BIP innerhalb eines Jahres um 0,15 Prozent sinken dürfte. Das bedeutet einen Rückgang von rund 6,5 Milliarden Euro. Für die EU insgesamt wird ein Rückgang von 0,1 Prozent erwartet. Vergleichsweise gering fällt der Effekt in Frankreich (–0,01 Prozent) und Italien (–0,02 Prozent) aus. Noch nicht berücksichtigt sind eventuell geplante Zollsenkungen für bestimmte US-Produkte wie Autos und Agrarerzeugnisse.
Am Sonntag hatten US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach Gesprächen in Schottland den Rahmen für einen Deal verkündet, der 15 Prozent Abgaben auf eine breite Palette von Exporten vorsieht – einseitig. Die USA können derweil ihre Produkte zollfrei liefern. „Das ist der größte Deal aller Zeiten“, sagten Trump und Ursula von der Leyen zu der Einigung am Sonntag.
Der Leiter des Forschungszentrums Handelspolitik am IfW, Julian Hinz, spricht dagegen von einem schlechten Deal. Zwar hätte es noch schlimmer kommen können, wenn die USA Sonderzölle in Höhe von insgesamt 27,5 Prozent für Autos verlangt hätten, dennoch sei die Einigung von Trump und von der Leyen ein „schlechter Deal“. „Dafür so viel aufs Spiel zu setzen in Bezug auf den globalen regelbasierten Handel, halte ich für einen großen Fehler“, so Hinz laut Handelsblatt. Die Vereinbarung würde die Glaubwürdigkeit der Welthandelsorganisation WTO schwächen und sei „langfristig sicherlich der falsche Weg“, so Hinz weiter.
Damit reiht er sich in die Stimmen aus der Wirtschaft zu dem Deal ein. Dort sorgte die Einigung unter den Unternehmern für Entsetzen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie, welcher mehr als 100.000 Unternehmen vertritt, sprach von einem „fatalen Signal“, das aus der Einigung hervorgehe: „Das Übereinkommen ist ein unzureichender Kompromiss und sendet ein fatales Signal an die eng verflochtene Wirtschaft auf beiden Seiten des Atlantiks“, sagte Wolfgang Niedermark vom BDI laut Spiegel in einer Mitteilung. Die EU nehme schmerzhafte Zölle in Kauf, so Niedermark weiter.
Ähnlich harte Kritik kommt auch vom Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA): „Der Zollaufschlag bedeutet für viele unserer Händler eine existenzielle Bedrohung“, hieß es von dem Verband, der rund 139.000 Unternehmen vertritt, laut Spiegel. Zwar würde zunächst Sicherheit über die Handelsbedingungen herrschen, Lieferketten würden sich aber verändern und die Preise erhöhen. Die Einigung mit den USA „wird hier im Land spürbare Auswirkungen haben. Sie wird Wachstum, Wohlstand und Arbeitsplätze kosten“, so der Präsident des BGA, Dirk Jandura, weiter.