
Das Kabinett hat an diesem Mittwoch seine angekündigten Pläne zur Stromsteuer auch offiziell beschlossen. Die Steuer soll sinken. Aber nur für ausgewählte Bereiche der Industrie. Private Haushalte und mittelständische Unternehmen gehen leer aus. Obwohl CDU und SPD anderes versprochen und ihrem Koalitionsvertrag sogar schriftlich festgelegt haben. Das zeigt, wie wenig leistungsfähig die Regierung trotz der Schuldenorgie ist, die sie aktuell veranstaltet. Und es zeigt ebenfalls, welch baufällige Brücken die Versprechen sind, die Kanzler Friedrich Merz und seine Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (beide CDU) machen.
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) hat nun ein Konzept erarbeiten lassen zur Frage, wie die “Energiewende” noch zu retten sei. Nun: Die Politik müsste sich von der Idee verabschieden, alles besser zu wissen als Unternehmer und deren Handeln bis ins Detail regeln zu wollen. Sie müsste ideologische Festlegungen aufgeben und Experten mit technischem Sachverstand ranlassen. Und ihre Versprechen müssten verlässlich sein, statt so schnell nichtig und vergessen zu sein wie die versprochene Senkung der Stromsteuer für alle.
Sehr viel Konjunktiv, den die Handelskammern da ins Feld führen. Doch selbst wenn all diese Wenns einträfen, dann ließe sich in den nächsten 25 Jahren nicht mal eine Billion Euro an Kosten der “Energiewende” einsparen – und sie würde weiterhin deutlich über vier Billionen Euro kosten. Nach einem halben Jahr hätten Merz und Reiche aber noch nichts Konkretes in dem Bereich getan, sagt Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der DIHK. Immerhin habe die Wirtschaftsministerin signalisiert, dass sie das Problem und seine Dringlichkeit verstanden habe. Aber es gebe “andere Teile der Koalition”, die bei solchen Reformen als Bremser fungieren könnten. Sprich: die SPD.
Selbst wenn die Sozialdemokraten ihren Glauben aufgeben, alles besser zu wissen und vorschreiben zu müssen und selbst wenn sie den Weg für sachgemäße Lösungen freimachen, dann bleibt die “Energiewende” immer noch der Mühlstein, der die deutsche Wirtschaft in den Strudel runterzieht. Deutschland hätte dann immer noch “strukturelle Nachteile in einer Welt mit erneuerbaren Energien”, sagt Dercks. Länder wie Spanien seien für Strom aus Sonnen- und Windenergie einfach besser geeignet. Auch funktioniere ein Klimaschutz nicht, den Deutschland oder die EU allein betrieben, und an dem sich Länder wie die USA und China nicht beteiligen. Einfach weil ein solcher Klimaschutz Deutschland oder die EU wirtschaftlich erledigen würden.
Zum Thema haben die Kammern eine Studie bei der Wirtschaftsberatungsgesellschaft “Frontier Economics” in Auftrag gegeben. Deren Ergebnis: “Die Energiewende in ihrer aktuellen Ausgestaltung führt langfristig zu massiven Kostenbelastungen für Unternehmen und Haushalte, die mit der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland nur schwer vereinbar sind.” In den letzten fünf Jahren verursachte die “Energiewende” im Schnitt private Investitionen von 82 Milliarden Euro jährlich. Diese Kosten werden nach aktueller Planung in den nächsten zehn Jahren schrittweise steigen – auf 316 Milliarden Euro private Investitionskosten im Jahr 2035, pro Jahr.
“Die Zahlen zeigen: Mit der aktuellen Politik ist die Energiewende nicht zu stemmen”, sagt DIHK-Präsident Peter Adrian. Bis 2049 entstehen den privaten Haushalten und Unternehmen Kosten von bis zu 5,5 Billionen Euro, hat Frontier errechnet. Das sind Kosten, denen “häufig kein direkter Ertrag gegenüber” steht, wie Adrian sagt. Dieses Geld müsste entsprechend an anderer Stelle erwirtschaftet werden.
Um das einzuordnen: Im vergangenen Jahr lagen alle privaten Investitionen in Deutschland zusammen bei rund 770 Milliarden Euro. Die “Energiewende” verursacht jetzt schon über zehn Prozent aller jährlichen Investitionen – in 25 Jahren werden es 40 Prozent sein. Kosten, die Deutschland nichts bringen außer ein Vorbild für die USA, China und den Rest der Welt zu sein. Ein Vorbild, dem die USA, China und der Rest der Welt halt nur nicht folgen. Das klingt so, als könne es nicht funktionieren. Und laut des Fazits der DIHK funktioniert es auch nicht: “Energieintensive Unternehmen verlagern ihre Produktion und damit Arbeitsplätze schon jetzt verstärkt ins Ausland”, wie es Adrian ausdrückt.
Zu den Vorschlägen, die Frontier entwickelt hat, gehören die Offenheit für andere Energieträge wie Biomethan, Erdgas oder blauer Wasserstoff. Auch könne Deutschland am Ausbau des Stromnetzes sparen. Etwa, wenn es die Pflicht aufhöbe, neue Kabel vorrangig in der Erde verlegen zu müssen. Zudem sollte Deutschland die Förderung von Anlagen aufheben, wenn diese bereits rentabel laufen. Und: Die Politik “sollte verlässliche Rahmenbedingungen und realistische Ziele unter Einbeziehung der vorhandenen Infrastruktur schaffen”.
Verspricht ein Kanzler also im Mai, dass seine Regierung die Stromsteuer für alle senkt, dann sollte er das im September auch tun – statt alle als Hetzer abzukanzeln, die ihn an seine gebrochenen Versprechungen erinnern.