Ingo Zamperoni wählt sich ein neues Volk

vor etwa 4 Stunden

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Die ARD hat gestern Abend eine Doku zur besten Zeit um 20.15 Uhr unter dem Titel gesendet „Merkels Erbe – 10 Jahre „Wir schaffen das!““. Der Zuschauer durfte Ingo Zamperoni 45 Minuten dabei beobachten, wie er durch ein Deutschland stapft, wie es sich ein rotgrüner Stuhlkreis mit einigen Merkelianern als Zaungäste vorstellt. Zamperonis Frage lautet nicht, ob wir es geschafft haben, wobei zuvor die Frage zu klären wäre, was das „Was“ ist, das wir geschafft haben sollten, sondern er fragt, ob die großartige, zutiefst humane Angela Merkel, so eine Art Mutter Teresa für Hamburgs Elbchaussee oder für Stuttgart, Bremen oder München das hinterwäldlerische Deutschland nicht überfordert habe?

Schuld an dem Migrationsdesaster sind natürlich die Deutschen, die bei Merkels grandioser Modernisierung in den Tribalismus versagten. Nicht die eigentliche Frage, ob Merkels Politik richtig war, wurde gestellt, sondern ob Merkels richtige Politik die Deutschen überforderte. Nicht Merkel ist der Fehler, sondern die Deutschen. Die ARD sollte sich ein neues Volk wählen.

Nicht einmal mit dem DDR-Fernsehen kann man den gestrigen Propagandaversuch der ARD, nicht einmal mit Karl-Eduard von Schnitzler kann man Ingo Zamperoni vergleichen, denn selbst in den plumpesten Propagandastücken stimmten Dramaturgie und Handwerk. Dramaturgie und Handwerk kann man Zamperoni und seinen Kollegen nicht zum Vorwurf machen. Offensichtlich hat die Ideologisierung des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks zu einem eklatanten Verlust handwerklichen Vermögens geführt – und das Schlimme ist eigentlich, dass es dort niemand mehr bemerkt. Wie auch? Einer Konkurrenz müssen sich die Öffentlich-Rechtlichen nicht stellen und jede Kritik ist inzwischen ohnehin gesichert rechtsextremistisch, wie der neue Wachschutz der öffentlich-rechtlichen Meinung, der Verfassungsschutz, behauptet.

Das Beste an der Merkel-Doku ist eigentlich ihre Belanglosigkeit. Fachleute wurden ohnehin nicht befragt oder haben sich gar nicht erst zur Verfügung gestellt. Dafür erleben wir eine Professorin von irgendeiner Hochschule in Köln beim existentiellen Kampf mit der Syntax der deutschen Sprache, einen Schuldirektor, der selbst den Bildungsnotstand verkörpert, einen Mustermigranten, die Leiterin eines Flüchtlingsheims in Stahnsdorf, die nicht zu erklären vermag, worin der Angriff auf das Flüchtlingsheim bestand.

Zur gefälligen Einordnung stand wie immer der unvermeidliche Robin Alexander zur Verfügung, den die ARD gern zur Einordnung holt, weil er das politische Geschehen so hübsch in die rotgrünen Taschen der Öffentlich-Rechtlichen einsortiert und es dabei versteht, bei schlichten Gemütern den Eindruck zu erwecken, er wäre neutral.

Es gibt zwar Pathos ohne Propaganda, aber keine Propaganda ohne Pathos, deshalb beginnt der Film auch mit dem Versuch von Pathos, der eigentlich nur Talmi ist. Erratisch steht Ingo, der Held, Zamperoni der Wahrheitssucher vor dem Brandenburger Tod. Großaufnahme, drängende Musik, die im Staccato behauptet: ich will es wissen. Das Ganze wirkt wie: Allein gegen die Mafia, ist aber nur: Allein mit der Mafia.

Kinder, wie die Zeit vergeht, scheint sich Zamperoni zu wundern, wenn er im ersten Satz des Filmes sagt: „Zehn Jahre ist das jetzt her, Bilder, die man nie vergessen wird – und ein Satz, der das Land prägen sollte.“ Das ist – mit Verlaub – historischer, philosophischer und linguistischer Stuß. Ein Satz, der ein Land prägt, ist wie der Wurm, aus dem der Apfel wird. Was die Bilder betrifft, bleibt die ARD im Framing, das für die Anstalt schon Folklore ist: wenn Bilder von Migranten gezeigt werden, dann wird ein Ausschnitt gewählt und bemüht, in dessen Zentrum ein kleines Kind steht. Die Katze lässt das Mausen nicht und die ARD nicht das Agitieren.

Was man an Angela Merkel tatsächlich bewundern kann, ist die Mischung aus Kaltblütigkeit und Dreistigkeit, mit der sie ihre Hilflosigkeit stets zu überspielen vermochte. Deutschlands schlimmste Katastrophen verursachte Merkel, wie ich in meiner Biographie belege, in Momenten der Hilflosigkeit. In diesen Situationen schlug sie die 4 Sargnägel für Deutschland ein, in einem Moment der Rat- und Hilflosigkeit: die Energiewende, die Eurokrise, die Turbomigration in die deutschen Sozialsystem mit der Forcierung der islamischen Landnahme und den Abbau der Demokratie in der Pandemiediktatur. Merkels Antrieb bestand banal darin, die allerbeste zu sein, keine Fehler zu machen, zumindest bei keinem Fehler ertappt zu werden. Grundlage ihrer Macht bildete das Bündnis mit den Medien, das sich immer noch bewährt, wie man in Zamperonis Doku besichtigen kann, der letztlich nicht Merkels Handeln befragt, sondern die deutsche Unfähigkeit plakatieren will, Merkels Direktiven fanatisch zu folgen.

Zamperoni lässt den Ausschnitt aus der Sommerpressekonferenz einspielen, in dem sie mit der stalinschen Arroganz und Brutalität nackter Macht verkündet und droht „Wir haben so vieles geschafft – wir schaffen das! Wir schaffen das, und dort, wo uns etwas im Wege steht, muss es überwunden werden, muss daran gearbeitet werden“ Was auch hieß – und von der ARD tapfer verschwiegen wird – wenn uns dabei jemand im Wege steht, muss derjenige aus dem Weg geräumt werden. Wann sehen wir eigentlich in der ARD die Doku „Merkels Opfer“?

Doch damit der unmündige Zuschauer, auf den die Öffentlich-Rechtlichen setzen, nicht in die Irre läuft, kommt wie Kai aus der Kiste Robin Alexander von der WELT, der zwar engagiert und empathisch ist, aber sich nur engagiert und empathisch lächerlich macht, wenn er behauptet: „2015 ist der Startpunkt für das, was wir heute erleben.“

Wenn man die deutsche Entwicklung erst seit 2015 beobachtet und nicht das geringste Talent zum Historiker in einer Synapse findet, oder einfacher, wenn dem, der nur einen Hammer im Werkzeugkasten hat, die ganze Welt zum Nagel wird, kann man natürlich diesen Eindruck gewinnen, doch ist das unrichtig.

Der Startpunkt für die deutsche Entwicklung, für die Schussfahrt in den Abgrund, findet sich in der Energiewende von 2011 und der Griechenlandrettung mit der Schleifung von Bundesbank und der no bail out Klausel. Nachdem Merkel die Axt an die wirtschaftliche Prosperität des Landes gelegt hat, hat sie 2015 die Weichen zur Auflösung der deutschen Gesellschaft und zur Überführung in ein Kampfgebiet tribalistischer Interessen gestellt. Wie bei einem Sit-In der Grünen Jugend beklagt Alexander die aufgeladene politische Stimmung, die Aggressivität und die Polarisierung – und verschweigt, wer die Stimmung aufgeladen und wer sie polarisiert hat.

Zamperoni vermeidet Merkels Einlassungen auf der „Wir-schaffen-das-Pressekonferenz“ zu zitieren, die sie spalterisch eine paar Sätze zuvor äußert: „Die oft beschworene zivile Gesellschaft, sie ist bei uns Wirklichkeit, und es macht mich stolz und dankbar zu sehen, wie unzählige Menschen in Deutschland auf die Ankunft der Flüchtlinge reagieren. Die Zahl derjenigen, die heute für Flüchtlinge da sind, die Zahl der Helfenden, die Zahl derjenigen, die fremde Menschen durch die Städte und Ämter begleiten, sogar bei sich aufnehmen, überragt die Zahl der Hetzer und Fremdenfeinde um ein Vielfaches, und sie wächst noch, auch – das möchte ich hier ausdrücklich erwähnen – dank vieler wunderbarer Berichte darüber von Ihnen, den Medien, gerade in den letzten Tagen. Ich erlaube mir ausnahmsweise einmal, sie auch zu ermutigen, genau das fortzusetzen; denn damit geben Sie den vielen guten Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, ihresgleichen in der Berichterstattung zusehen, damit zeigen Sie Vorbilder und Beispiele, und Sie machen wieder anderen Mut.“

Den Partei- und Propagandaauftrag, den Merkel den Medien auf dieser Pressekonferenz ereilt hatte, erwähnt Zamperoni nicht. Dafür hält er sich noch heute an ihn. Wie man sehen kann.

Dass nach Alexanders Weheklag so erwartbar, wie peinlich Bilder von AfD Demos eingespielt werden, ist dann nur noch zum Fremdschämen. Warum befragt Zamperoni nicht die AfD?

Über Zamperonis serviles Merkel-Interview schweigt man besser. Man argwöhnt, wenn man sein gläubiges Glummern sieht, dass er auch kurze Hosen mit Bügelfalte trägt.

Nachdem unvermeidlichen Merkel-Interview, in dem wir nur wieder erfahren haben, dass Merkel alles richtig gemacht hatte und ihr einziger Fehler darin besteht, nicht früher und nicht mehr für „Flüchtlinge“ getan zu haben, leistet sich Zamperoni einen sehr eigenen Rückblick, der weitegehend auf historische Fakten verzichtet. Planlos, ziellos kurvt er durch Deutschland auf der Suche nach Menschen, die ihm sagen, was er hören will. Da sind ein paar bayrische Grenzpolizisten, die ihr Leid klagen, 2015 nicht ihren Dienst ordnungsgemäß leisten, nicht kontrollieren und auch zurückweisen, sondern nur durchwinken zu dürfen. Das ersetzt die korrekte Darstellung, wie Merkel am 4.09.2015 vor der Verantwortung geflohen ist, bis sie entscheiden musste – und gegen Deutschland und für ihr Bild in den rotgrünen Medien entschieden hat.

Im Interview sagt sie die Unwahrheit über den Herbst 2015 und versucht ihre große Schuld, Victor Orbán in die Schuhe zu schieben, der wirklich das Beste versucht hat. Das ist niederträchtig. In der Biographie habe ich die Ereignisse rekonstruiert. Der Befund ist eindeutig. Dass Zamperoni Merkels Darstellung nicht mit den Fakten konfrontiert, zeigt, dass Journalismus in den Öffentlich-Rechtlichen inzwischen ein Fremdwort ist. Er hätte dazu nur Robin Alexander befragen müssen, der zufällig ohnehin gerade da war und der übrigens die Ereignisse in seinem Buch korrekt dargestellt hatte.

Stattdessen flieht Zamperoni von der bayrischen Misere schnell nach Cottbus, wo er einen Musterflüchtling trifft. Wie wissen nicht, wie lange er suchen musste, aber in Cottbus fand er einen Pfleger, der aus Syrien kam, in Deutschland die deutsche Sprache und den Beruf erlernt hatte. Dass Zamperoni nicht einmal Propaganda kann, belegt das gemeinsame Grillen im Garten des Syrers. Nicht nur, dass wir erfahren, wie schwer es für den Syrer war, in einer Kleingartenanlage eine Parzelle mieten zu können, legt Zamperoni dem guten Mann in den Mund, dass er sich als Deutscher zweiter Klasse fühle. Der syrische Pfleger zählt seine Verdienste auf, die eigentlich keine Verdienste sind, sondern Alltag für viele junge Deutsche, einen Beruf lernen, Arbeiten gehen. Mohammed fragt Ingo: „Stimmt das, dass das Wasser in Italien besser schmeckt als hier?“ Ingo: „Alles schmeckt besser in Italien als hier. Aber mal kucken, was die syrische Küche bietet.“

Zamperoni inszeniert die Drohung, dass das deutsche Gesundheitssystem zusammenbricht, wenn Mohammed nach Syrien zurückkehrt, wenn ihn die undankbaren Deutschen nicht gut genug behandeln. Hier hätte der Faktenchecker der ARD einwenden müssen, dass die meisten ausländischen Pflegekräfte in Deutschland aus Polen, Bosnien und Herzegowina, die Türkei, Kroatien sowie Rumänien stammen, hinzu kommen Pflegekräfte aus der Türkei, den Philippinen, Vietnam, Indien und Brasilien.

Leider kommt Zamperoni nicht an Terror und Mord durch Migranten vorbei. Vergewaltigung lässt er lieber gleich außen vor. So wird die Sylvesternacht von 2015 zu 2016 bemüht, die leider Merkels Willkommenskultur den Realitätscheck unterwarf. Wieder wird geframt. Richtig sagt Zamperoni zwar, dass Polizei und Medien zunächst von einer friedlichen Sylvesternacht ausgingen, um dann verschämt zu nuscheln, dass langsam bekannt wurde, was sich in dieser Nacht vor dem Hauptbahnhof im Schatten des Domes in Köln tatsächlich ereignet hatte. Kein Wort, dass der wdr keine 10 Minuten vom Ort der Ereignisse entfernt ist, kein Wort davon, dass die ÖRR dieses Geschehen verschweigen wollten und es nur durch die sozialen Medien bekannt wurde.

Schuld, so erfahren wir von Zamperonis Professorin von der Kölner Hochschule, die weiter durch die Syntax stolpert, sei eigentlich der Ort, die Treppen, das Arenahafte, der Mangel an Fluchtwegen. Funktioniert also Merkels Willkommenskultur nur, wenn ausreichend Fluchtwege vorhanden sind? Hat Merkel Deutschland überfordert, weil die Deutschen nicht ausreichend Fluchtwege anlegten? Der Mord in Solingen wird eingehegt durch einen Lokalreporter, der meint, dass die paar Islamisten durch ihre Attentate nur die Gesellschaft spalten und die Deutschen zum Zorn aufstacheln wollen. Doch da macht der wackere Lokalreporter dem Islamisten knallhart die Ansage: „Das Rennen gewinnst Du nicht. Ich mache da nicht mit.“

Kein Wort in Zamperonis Doku zum Breitscheidplatz! Das ist der Punkt, an dem der ARD die Gebühren zu streichen sind. Kein Wort, dazu. Stattdessen erklärt uns Robin Alexander, dass Friedrich Merz Angela Merkel korrigiert und die Regierung Merz vom ersten Tag an die Migrationswende eingeleitet habe. Robin Alexander ist begeistert. Na, dann.

Zum Schluss wird der Zuschauer für sein Durchhalten noch einmal mit den tiefschürfenden Ausführungen der Kanzlerin a.D. belohnt, die man in einem Wort zusammenfassen kann: „ICH!“

Zurück bleibt der Eindruck, dass Merkels Migrationsputsch doch irgendwie ein geiles Ding war, dass nur leider die schlappen Deutschen überfordert hatte. Wir waren gut. Wir haben es gut gemeint. Weir waren leider überfordert. Doch jetzt ist eigentlich alles in Ordnung. Und was die Kriminalitätsstatistik betrifft hat uns die Professorin bereits erläutert, dass der Eindruck, dass prozentual mehr schwere Straftaten von Migranten verübt werden als von Deutschen, dem Umstand geschuldet ist, dass prozentual mehr Straftaten, die Migranten begangen haben, gemeldet werden. Alles nur ein Statistik-Fehler.

Und alles in Ordnung in Deutschland. Auch in Dresdens Straßenbahnen. Der Täter, der auf den US-Amerikaner einschlug, ist wieder auf freiem Fuß, der zugestochen hat, noch auf der Flucht. Und damit auch Zamperonis kritische Doku richtig eingeordnet wird, sendete die ARD gleich im Anschluss die Doku: „Danke, aber…“

10 Jahre nach Merkels Versprechen“: „Zehn Jahre nach dem „Flüchtlingssommer“ 2015 ziehen diejenigen Bilanz, die damals kamen: Haben wir es geschafft? Hat Deutschland es geschafft? Was ist gelungen, was gescheitert? In persönlichen Geschichten zwischen Integration und Anfeindung, Neuanfang und Heimweh, zwischen Ausländerbehörde und Abschiebung kommen jene zu Wort, über die oft gesprochen wird.“

Man darf in der ARD also auch Ingo Zamperoni kritisieren. Allerdings nur vom richtigen Standpunkt aus.

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