
Nancy Faeser hat offenbar auf das Bundesamt für Verfassungsschutz eingewirkt, um die Hochstufung der AfD als „gesichert rechtsextrem“ noch vor dem Ende ihrer Amtszeit zu verkünden. Das geht aus einem Bericht der Süddeutschen Zeitung hervor, in dem unter anderem aus einer zentralen E-Mail zitiert wird, die ein Staatssekretär der damaligen Bundesinnenministerin erst am Morgen des Veröffentlichungsdatums an den Verfassungsschutz sendete.
Darin schrieb Hans-Georg Engelke um 8 Uhr morgens, auf Bestreben von „Frau Ministerin“ solle der Inlandsgeheimdienst noch am selben Tag die Hochstufung der AfD verkünden und dafür „idealerweise gegen 10.00 Uhr“ eine Pressemitteilung veröffentlichen. „Frau Ministerin beabsichtigt, im weiteren Verlauf des Tages eigene Öffentlichkeitsarbeit hierzu zu machen“, erklärte der Staatssekretär weiter. Und: „Die Kurzfristigkeit des Anliegens bitte ich zu entschuldigen.“
Tatsächlich waren die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes überrascht, berichtet die Süddeutsche Zeitung weiter. Denn nur zwei Tage vor der E-Mail hatte es eine Videokonferenz mit den 16 Landesämtern des Inlandsgeheimdienstes gegeben – eine unmittelbar bevorstehende Bekanntmachung der Hochstufung hatte hier noch nicht zur Rede gestanden. Auch Alexander Dobrindt, zu diesem Zeitpunkt noch designierter Bundesinnenminister, und der nächste Kanzler, Friedrich Merz, erfuhren von Faesers Plänen erst am Morgen der Veröffentlichung.
Um 10.02 Uhr folgte der Verfassungsschutz dann dem Wunsch von Faeser. Das dazugehörige 1.100 Seiten lange Gutachten wurde nicht veröffentlicht und konnte erst später von dem Magazin Cicero in Gänze enthüllt werden. Am Tag der Bekanntgabe trat auch Faeser vor die Presse und erklärte unter anderem: „Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat den klaren Auftrag, die Demokratie zu schützen. Und dabei arbeitet es eigenständig.“
Tatsächlich belegen weitere der Süddeutschen Zeitung vorliegende E-Mails, dass Faeser offenbar die inhaltliche Ausarbeitung des AfD-Gutachtens nicht beeinflusste – den Zeitpunkt entschied der Verfassungsschutz jedoch nicht „eigenständig“. Zudem besteht das Gutachten nicht aus geheimdienstlichen Informationen, sondern lediglich aus öffentlich einsehbaren Beiträgen und Äußerungen von AfD-Politikern (mehr dazu hier).
Die fertige Sammlung hatte das Bundesamt bereits am 28. April dem Bundesinnenministerium überreicht. Eine Überprüfung fand anschließend offenbar nicht statt (mehr dazu hier). Warum es dann plötzlich schnell gehen sollte, erklärte Faeser gegenüber der Zeitung jetzt folgendermaßen: „Ich wollte klarstellen, dass es keinen politischen Einfluss auf die fachliche Einschätzung des Verfassungsschutzes gibt“, so die heutige SPD-Bundestagsabgeordnete.
Die AfD reichte vor dem Verwaltungsgericht Köln eine Klage gegen die Hochstufung ein. Per Eilantrag konnte die Partei bewirken, dass sich der Verfassungsschutz zu einer Stillhaltezusage bekannte. Solange das Verfahren läuft, dürfte die AfD daher nicht als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ geführt oder als solche dargestellt werden. An den geheimdienstlichen Möglichkeiten ändert das jedoch an sich nicht viel, weil die Partei weiterhin als Verdachtsfall gilt.