
Jette hat den Bogen überspannt. Kritiker mögen einwenden: Der Bogen, den Jette aufzog, sei längst gerissen. Da gäbe es nichts mehr zum Überspannen. Außerdem handele es sich um Frau Nietzard. Sie mit ihrem Vornamen zu nennen, sei eine Unverschämtheit. Die 26-jährige Bundesvorsitzende der Grünen Jugend tritt jedoch selbst betont jugendlich auf, mitunter infantil. Sie will auch für sehr, sehr junge Mitglieder der Grünen Jugend sprechen.
Doch nicht die schrille Kumpanei ist das Problem der Frau Nietzard. Es sind ihre Äußerungen, die nur einen Schluss zulassen: Bündnis 90/Die Grünen gönnen sich einen extremen, wenn nicht extremistischen Jugendverband. Nietzards rüde Pöbeleien gegen Männer, gegen Polizisten, gegen die AfD und nicht zuletzt ihr Flirt mit der Gewalt zeigen: Die Grünen sind keine bürgerliche Partei.
Die aktuelle Folge „Kissler Kompakt“ sehen Sie hier:
Es gibt bürgerlich auftretende grüne Politiker. Es gibt bürgerliche Wähler der Kleinpartei, für die sich momentan rund elf Prozent der Deutschen erwärmen. Die Grünen verkleiden Eigeninteressen als Dienst am Gemeinwohl.
Der Trick aber hat sich abgenutzt. Mit jedem Tag mehr erscheinen die Grünen wie eine Partei von gestern. Sie halten desto beharrlicher an ihrem Bild von der Zukunft fest, je rascher sich die Gegenwart in eine andere Richtung bewegt. Sie erleiden das Schicksal von Ideologen, deren Ideen zur ranzigen Ware wurden.
Also schlagen die Grünen um sich; mal auf die gesittete und mal auf Nietzards Art. Aus Angst, an Einfluss zu verlieren, steigert sich Nietzard in ein Notstands-Szenario hinein. Sie phantasiert eine Regierungsübernahme durch die AfD anno 2029 und sieht darin eine faschistische Machtergreifung.
Diese Machtergreifung nur mit Worten zu bekämpfen, könnte zu wenig sein, spekuliert Nietzard. Womöglich müsse dann gegen das, was Nietzard für Faschismus hält, mit Waffen vorgegangen werden. Nietzard redet wie eine grüne Rädelsführerin im linksterroristischen Straßenkampf.
„Widerstand vielleicht mit Waffen“: Ein solcher Gedanke bereitet den Terrorismus vor. Nietzard vertraut nicht auf die, wie es sonst heißt, „Resilienz“ der Demokratie. Sie hält in ihrem Szenario die Demokratie für nicht stark genug, um mit demokratischen Mitteln den Rechtsstaat zu sichern. Sie geht von keiner wehrhaften, sondern einer schwachen Demokratie aus.
Die Demokratie freilich, in deren Namen Nietzard spricht, ist keine Volksherrschaft. Schließlich hätte das Volk jenes Wahlergebnis herbeigeführt, gegen das Nietzard „vielleicht mit Waffen“ vorgehen will. Nietzards Demokratie wäre eine linke Tugendrepublik. Tugend und Terror aber bilden das schlimmste Geschwisterpaar. Es führt Tod und Not und Elend mit sich. Der Blick in die Geschichte zeigt es.
Nietzards Gewaltphantasien sind keine private Spinnerei. Das macht jener Kurzmonolog deutlich, mit dem Nietzard ihren Verzicht auf eine erneute Kandidatur an der Grüne-Jugend-Spitze bekanntgab. Zurücktreten will sie nicht, wollte sie nicht.
Nicht nach ihrem Hohn über Männer, die beim Böllern die Hände verlieren und dann laut Nietzard „zumindest keine Frauen mehr schlagen“ können. Nicht nach ihrem Foto mit der Parole „All Cops are Bastards“ – alle Polizisten seien Mistkerle, Dreckstücke, Bastarde. Stets präsentiert Nietzard ihre Entgleisungen als Teil eines stabilen linken Weltbilds. Womit sie sogar recht haben könnte.
„Ne linke Hoffnung, ne linke Stimme“ wollte Frau Nietzard sein. Das Linke, das radikal Linke, das extrem Linke war ihre Sache – die Ablehnung politischer Gewalt nicht. Damit bezeichnet sie präzise den Kern linker Ideologie:
Um der vermeintlich guten Sache willen, wird der Gegner der Verachtung und im Zweifel auch der Vernichtung preisgegeben. Erst wird demonstriert, dann gesäubert. Eine Partei aber, die ein unklares Verhältnis zur politischen Gewalt hat, ist eines auf gar keinen Fall: bürgerlich. Die Union sollte den Grünen ihre Selbstverharmlosung nicht abnehmen.