
Wenn uns der Handelsstreit mit den Vereinigten Staaten eines gelehrt hat, dann wohl dies: Die Europäer sind keine unschuldigen Waisenknaben in Fragen des Protektionismus. Vielmehr geben sie sich als wahre Großmeister darin, sich auf subtile Weise dem Wettbewerb zu entziehen – und dies zugleich in der Öffentlichkeit mithilfe ihrer Medienmaschine geschickt zu kaschieren.
Wolfram Weimer ist seit Mai 2025 Staatsminister beim Bundeskanzler und Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien. Er trägt als Kulturstaatsminister die Verantwortung für die Kultur- und Medienpolitik des Bundes, ist direkt dem Bundeskanzler zugeordnet und nimmt an den Sitzungen des Bundeskabinetts teil. Im Prinzip trägt er die Verantwortung für ein Ressort, das einzig deshalb existiert, weil es als politischer Erbhof zur Wahrung des Koalitionsproporzes gebraucht wurde. Ein Amt, das bislang vor allem durch Denkmalpflege auffiel, nun aber mit handelspolitischem Sendungsbewusstsein aufgeladen wird, indem es unmittelbar in den gärenden Zollkonflikt mit den USA interveniert.
Weimer inszeniert die Digitalsteuer als einen Akt gesellschaftlicher Gerechtigkeit. Mit dem „Plattform-Soli“ will er die großen Tech-Konzerne in die Pflicht nehmen und ihre „monopolähnlichen Strukturen“ aufbrechen. Deutschland, so Weimer, müsse sich aus der Abhängigkeit amerikanischer Infrastruktur lösen – und endlich für einen fairen Beitrag zur Medienvielfalt sorgen. Und genau an dieser Stelle ist Aufmerksamkeit geboten. Wenn Politiker das Wort Solidarität im Munde führen, wird es gewöhnlich für den Verbraucher und den Steuerzahler teuer.
Provokation im Handelsstreit
Solidarität hin, Solidarität her – diese Abgabe ist in Wahrheit eine gezielte Provokation. Sie richtet sich unverhohlen gegen Washington. Mitten im sich zuspitzenden Handelsstreit mit den USA hat Donald Trump die angedrohten 50-Prozent-Zölle auf EU-Importe vorerst bis zum 9. Juli auf Eis gelegt, in der Hoffnung, auf dem Verhandlungsweg eine Lösung zu finden. Provokationen wie die geplante Digitalsteuer taugen jedoch kaum als Verhandlungsmasse für die Europäer. Im Gegenteil: Sie verschärfen das Klima und treiben die transatlantischen Beziehungen weiter in die Konfrontation. Ohne sich dessen bewusst zu sein, bestätigt Deutschland mit dieser Steuer den Verdacht, den man jenseits des Atlantiks hegt. Die Europäer sind im Großen und Ganzen Protektionisten und an Freihandel nicht interessiert. Was wir hier erleben, ist nicht die Art of the Deal, das ist die Art of Closing the Door!
Der Hintergrund ist ebenso bekannt wie unangenehm: Europa ist es bis heute nicht gelungen, einen eigenen, konkurrenzfähigen Tech-Sektor aufzubauen. Stattdessen hat man sich mit bewundernswerter Akribie an ein bürokratisches Regelwerk gemacht – gigantisch im Umfang, fragwürdig im Nutzen. Man fragt sich, an wen sich diese Regulierung richtet, wenn dieser Sektor nur in rudimentärer Form existiert. Es ist eine Bürokratie-Chimäre. Ein Brüsseler Moloch, der nun vom deutschen Gesetzgeber zusätzliche Nahrung erhält, nachdem bereits Österreich eine ähnliche Steuer eingeführt hat, die auf erhebliche Kritik traf. Doch auch in Wien verhallte die Kritik an nationalen fiskalischen Alleingängen ungehört.
Bürger zahlen die Zeche
Wie so oft bei neuen Abgaben steht auch hier die Sorge im Raum, dass Unternehmen die zusätzlichen Kosten kurzerhand an ihre Kunden weiterreichen – sei es bei digitalen Dienstleistungen, Werbung oder Abonnements. Was offiziell nicht als Belastung für die Nutzer gedacht war, könnte sich in der Praxis schnell als solche entpuppen. Branchenverbände wie Bitkom warnten bereits im April vor einer Digitalabgabe: Steigende Preise für Standard-Software, Cloud-Angebote und digitale Dienste könnten die Digitalisierung empfindlich bremsen – zum Nachteil von Verbrauchern wie Unternehmen gleichermaßen.
Abseits der absehbaren Mehrbelastung für Nutzer birgt die geplante Digitalsteuer in Deutschland eine ganze Reihe struktureller Risiken. Sie trifft vor allem internationale Technologiekonzerne, doch ihre Nebenwirkungen könnten gerade den Standort Deutschland empfindlich schwächen. Start-ups und mittelständische IT-Dienstleister, die auf internationale Plattformen angewiesen sind, geraten durch höhere Gebühren zusätzlich unter Druck. Innovation wird nicht belohnt, sondern besteuert – ein Signal, das Investoren abschreckt und die ohnehin schleppende Digitalisierung weiter lähmt.
Hinzu kommt das bereits beschriebene Risiko wachsender Handelskonflikte: Wer digital kassiert, muss mit analogen Gegenmaßnahmen rechnen. Letztlich untergräbt die Abgabe die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands, ohne dem Land selbst einen funktionierenden Tech-Sektor zu verschaffen.
Am Ende bleibt die Digitalsteuer ein symbolpolitischer Akt – machtpolitisch motiviert, wirtschaftlich fragwürdig. Man verheddert sich wieder im Klein-Klein, passiv-aggressiv, ohne Vision, ohne zukunftsöffnende Kreativität. Ultima Ratio bleibt stets der Steuerhammer. Diese Steuer trifft nicht die Monopole, sondern deren Nutzer, nicht die Tech-Unternehmen, sondern die Kleinen im digitalen Ökosystem. Und sie zeugt einmal mehr von jenem europäischen Reflex, Regeln zu schaffen, wo eigentlich dem freien Wettbewerb maximale Entfaltungsmöglichkeit bereitet werden müsste.