
Die Brandmauer: Was ist sie eigentlich, warum wurde sie errichtet und warum steht sie noch? Sie gleicht einer ägyptischen Pyramide. Man hat den Eindruck, sie wurde in grauer Vorzeit errichtet. Sie erscheint wie das Mahnmal begrabener Hoffnungen. Sie bröckelt und hat Risse, aber sie steht noch.
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Mittlerweile wissen wir: Die Brandmauer steht der Demokratie im Weg. Sie ist ein Relikt der Vergangenheit. Sie wird den Test der Zeit nicht bestehen – und das ist gut so.
Die Brandmauer ist eine politische Überzeugung, die zum Dogma erhoben wurde. Dogmen habe ihre Berechtigung - in der Theologie, in der Philosophie. In der Politik sind Dogmen Fremdkörper. Sie sind Prinzipien, die man gegen Zweifel abdichtet.
Es gab das Dogma von der Überlegenheit des Sozialismus. Es gab das Dogma vom Volkseigentum. Heute gibt es das Dogma der Brandbauer. Es besagt, dass nie und nimmer und unter gar keinen Umständen die Union mit der AfD zusammenarbeiten werde.
Bereits an dieser Stelle wird es komödiantisch. Die Vorsitzenden von CSU und CDU, Markus Söder und Friedrich Merz, haben sich seit der Bundestagswahl als Meister der Wendekunst erwiesen. Wesentliche Teile des Wahlprogramms wurden abgeräumt, um Merz den Weg ins Kanzleramt zu bahnen. Aber das Kooperationsverbot mit der AfD soll aufrechterhalten werde, koste es, was es wolle.
Die Brandmauer entwickelt sich zum einzigen Wahlversprechen, das die Union nicht brechen will. Und das, obwohl in den Ländern und Kommunen des Ostens an der AfD kein Weg vorbeiführt. Gerade hat die CDU in Thüringen einen Kandidaten der AfD zum stellvertretenden Verfassungsrichter mitgewählt.
Bei der Brandmauer soll ausnahmsweise nach der Wahl dasselbe gelten wir vor der Wahl. Und vor der Wahl erklärte Friedrich Merz, damals Oppositionsführer, nicht Kanzler im Wartestand:
Friedrich Merz sieht die Seele seiner Partei verraten, wenn die CDU mit der AfD zusammenarbeiten würde. Wie verraten fühlen sich aber die Wähler der CDU, die Merz ihre Stimme gaben, weil sie den von Merz versprochenen konservativen Politikwechsel wollten? Nun könnte Merz bald einer sozialdemokratischen Regierung vorstehen. Der Absturz der Union in den Umfragen ist die Quittung.
Eine konservative Politik könnte es bei einer punktuellen Zusammenarbeit mit der AfD geben. Die SPD hat Antifa und Jusos in der Hinterhand, um jeden konservativen Aufbruch zu dämonisieren.
Zur Dämonisierung hat auch Friedrich Merz Talent. Er sieht in der AfD offenbar Nachfolger der Nationalsozialisten.
Ein zweites 1933, eine zweite Machtergreifung durch einen neuen Hitler will niemand. Doch steht das zu erwarten? Die Wähler der AfD wollen eine strikte Migrationspolitik. Sie wollen eine Politik, die sich an deutschen Interessen orientiert, nicht an syrischen oder afghanischen. Sie wollen, wofür die Union einmal stand, Recht und Ordnung. Auf nichts anderem beruht das Grundgesetz.
Insofern erinnert die AfD die Union an ihre eigene Vergangenheit. Sie ist ihr langer Schatten, ihr schlechtes Gewissen, ihr Damals im Spiegel des Heute. Auch Markus Söder steuert für die CSU ein Steinchen zur Brandmauer bei.
Den AfD-Politikern mangelt es also an sittlicher Eignung und persönlicher Integrität. Vielleicht hat Markus Söder Recht. Doch sind die sittliche Eignung und persönliche Integrität der CSU-Politiker immer vorbildhaft? Das darf man bezweifeln.
Ganz ohne Zweifel verhindert die Brandmauer eine Rückkehr zu vernünftiger Politik. Mit der Brandmauer sinkt die Union herab zum Steigbügelhalter linker Parteien. Zugleich lässt die Brandmauer die AfD wachsen und die Union implodieren. Wenn die Brandmauer weiter Bestand hat, werden CDU und CSU zu Mehrheitsbeschaffern der Linken. Gerade so verkauft man die Seele einer Partei.