Kissler Kompakt: Friedrich Merz ist leider kein Anwalt der Meinungsfreiheit

vor 3 Monaten

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Bildquelle: NiUS

Vielleicht muss ich Marius Müller-Westernhagen um Entschuldigung bitten. Erinnern Sie sich? „Freiheit ist das Einzige, was zählt“. So sang Westernhagen vor über 30 Jahren. Westernhagens Fan war ich nie, das Lied gefiel mir nicht, und vermutlich stimmt der Satz in dieser Absolutheit gar nicht.

Die aktuelle Folge „Kissler Kompakt“ sehen Sie hier:

Der Hinweis auf die zentrale Bedeutung der Freiheit aber ist richtig. Freiheit ist das Gut, das in diesen Tagen am stärksten verteidigt werden muss. Freiheit wird von vielen Seiten angegriffen – und sie hat zu wenige Verteidiger. Leider erweckt die CDU den Eindruck, sie wolle die Meinungsfreiheit lieber regulieren als schützen. Die Meinungsfreiheit braucht, was die CDU nicht sein mag: echte Lobbyisten.

Die CDU hat sich ein neues Grundsatzprogramm gegeben, das die Freiheit im Namen trägt. Es heißt „In Freiheit leben“. Ein wunderbarer Titel. Wer wollte das nicht, in Freiheit leben?

Auch im gemeinsamen Wahlaufruf von CDU und CSU steht die Freiheit an erster Stelle: „Es geht um unsere Freiheit“, lesen wir da. Auch da kann ich nach drei Jahren Ampel-Regierung nur sagen: Ja. So ist es.

Es wäre schön, wenn eine neue Regierung der Freiheit einen höheren Stellenwert einräumte als den staatlichen Vorgaben. Es wäre schön, wenn die Freiheit der eigenen Meinung endlich mehr zählte als die Freiheit, der Regierung applaudieren zu dürfen. Deutschland braucht nach drei Jahren Ampel-Regierung mehr Meinungsfreiheit und weniger betreutes Denken.

Was sagt dazu Friedrich Merz, der Kanzlerkandidat der Union? Zur Frage, ob die Meinungsfreiheit in den sozialen Medien reguliert, also eingeschränkt werden solle, sagte er unlängst: Er, Merz, „beobachte das mit zunehmender Besorgnis, dass hier vor allem Plattformen geschaffen werden für Falschinformationen, für einseitige Kampagnen, für Halbwahrheiten, für Hetze, für Hass".

Deshalb befürwortet Merz, dass die Europäische Union sich mit dem Thema beschäftige und es reguliere. Meinungs- und Pressefreiheit müssten gewährleistet sein. Wer sich aber nicht an die Regeln halte, dürfe in den Plattformen „kein Spielfeld finden, das praktisch ohne Regeln funktioniert".

Merz macht es sich zu einfach. Er ist leider kein Lobbyist der Meinungsfreiheit. Digitale Plattformen können ebenso wie gedruckte Zeitungen natürlich für, wie Merz es formuliert, „einseitige Kampagnen“ genutzt werden. Meinungsfreiheit besteht darin, auf viele verschiedene Meinungen zugreifen zu können und keiner Kampagne allein ausgesetzt zu sein. Meinungsfreiheit ist nicht das Recht, von bestimmten Meinungen verschont zu werden.

Friedrich Merz, Kanzlerkandidat und Parteivorsitzender der CDU, kommt zur Pressekonferenz nach der Winterklausur des CDU-Bundesvorstands in Hamburg.

Falsch ist auch der Eindruck von Merz, die Europäische Union sei ein guter Regulierer. Ist sie das auf irgendeinem Feld? Wenn die EU sich aufmacht, Meinungsfreiheit zu regulieren, ist klar, was am Ende herauskommt: weniger Meinungsfreiheit.

Doch Merz lässt nicht locker. In seiner jüngsten  „Merz Mail“ greift er den Gedanken auf und wird grundlegend: „Aber ist es wirklich so“, fragt Merz, „dass die Meinungsfreiheit nur dann gewährleistet ist, wenn jeder alles schreiben und senden darf, was er will, egal ob richtig oder falsch?“ Und er fügt hinzu: „Ja, richtig und „falsch“ mögen die falschen Kategorien sein, anhand derer Inhalte geprüft werden. Aber soll deshalb alles erlaubt sein?“

Merz gefällt es nicht, dass manche Redaktionen die Entscheidung von Mark Zuckerberg „geradezu bejubelt“ haben, auf Facebook und Instagram auf die Zusammenarbeit mit externen Faktencheck-Redaktionen zu verzichten. Merz fordert eine Regulierung der Plattformen, um, wie er sagt, die Meinungsfreiheit nicht ihren Feinden auszuliefern.

Herr Merz könnte wissen: Richtig und Falsch sind definitiv und nicht nur möglicherweise die falschen Kategorien, um Meinungen zu beschränken. Meinungen sind in einer Demokratie zulässig. Punkt. Strafbare Handlungen wiederum sind auch in den sozialen Medien strafbar. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum.

Wer staatlichen Behörden das Recht einräumen will, über die Meinungsfreiheit zu wachen, steht auf der Seite des Staates und nicht auf der Seite der Meinungsfreiheit. Dort aber sollte ein bürgerlicher Politiker stehen - nirgends sonst.

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