
Drei Somalier reisten mit dem Zug aus Polen an, zwei Männer und eine Frau, so heißt es in der Pressemitteilung des Gerichts. „Am 9. Mai 2025 wurden sie am Bahnhof Frankfurt (Oder) durch die Bundespolizei kontrolliert und nach Äußerung eines Asylgesuchs noch an demselben Tag nach Polen zurückgewiesen.“ So weit, so gut. Polen dürfte zu den sicheren Ländern in unserer Nachbarschaft gehören. „Die Zurückweisung wurde seitens der Bundespolizei mit der Einreise aus einem sicheren Drittstaat begründet“, referiert auch das Verwaltungsgericht. „Hiergegen wandten sich die Antragsteller, die sich derzeit in Polen aufhalten, mit Eilanträgen.“
Und man kann sich nicht so recht vorstellen, dass die Antragsteller so ganz allein auf ihre Klage bei einem deutschen Verwaltungsgericht gekommen sind. Auch hier könnte wohl eine sogenannten Nicht-Regierungs-Organisation (NGO) ihre Finger im Spiel gehabt haben. Oder waren es gar Vertreter Polens?
Die sechste Kammer des Gerichts gab den Anträgen „im Wesentlichen“ statt. Allerdings sagt das Gericht auch nicht direkt, dass die Somalier in Deutschland ein Recht auf einen Asylantrag hätten – obwohl es genau das durch seine Entscheidung ermöglicht. Die Begründung ist komplizierter. Die Bundesrepublik müsse das Verfahren zur „Bestimmung des für das Asylverfahren zuständigen Mitgliedstaats“ laut Dublin-Verordnung durchführen. Und weil Deutschland dieses Dublin-Verfahren durchführen muss, nur deshalb können die Somalier dann auch einen Asylantrag in Deutschland stellen. Wo sie schon einmal da sind.
Die Ausnahmeregelung laut Artikel 72 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) findet dagegen laut dem Gericht keine Anwendung – also der Notstand, von dem Merz immer mal sprach. Dazu fehle die „Darlegung einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch die Antragsgegnerin“. Es besteht also noch nicht genügend Gefahr für Sicherheit und Ordnung in Deutschland, als dass ein Gericht der Bundesregierung erlauben würde, an der Grenze zurückzuweisen.
Eigentlich einreisen lassen muss man die Migranten nicht, es reicht der Grenzübertritt und dann ein Dublin-Verfahren an der Grenze oder „im grenznahen Bereich“. Eine Einreisegestattung müsse nicht erfolgen. Doch das würde wohl heute kaum einen Unterschied machen. Denn bisher fehlen die nötigen Einrichtungen „im grenznahen Bereich“, um die bald drohende Menge an Verfahren durchzuführen.
Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat allerdings schon erklärt, an der Praxis der Zurückweisungen, die auch bei Asylbegehren erfolgen können (aber laut dem Minister nicht müssen, obwohl Juristen etwas anderes sagen), festhalten zu wollen. Die Eilbeschlüsse des Verwaltungsgerichts, die nicht anfechtbar sind, sieht er als „Einzelfallentscheidungen ohne allgemeine Wirkung“ an. Das ist in der Tat so, wie Juristen bestätigen.
Auch Unions-Innensprecher Alexander Throm fordert eine Fortsetzung der Zurückweisungen. Die Union wolle „illegale Migration steuern und unsere Grenzen schützen“, so Throm. Aber das ist in etwa so, als würde eine Bundesregierung sagen, dass sie Raub, Messerangriffe oder Vergewaltigungen „steuern“ wolle. Illegales sollte man als Regierung eigentlich nicht „steuern“, sondern verhindern.
Im Grunde zeigt schon die Entscheidung im Eilverfahren, worum es den Richtern ging. Sie hätten die Möglichkeit gehabt, eine Entscheidung in der Hauptsache in Ruhe auszuarbeiten und dann zu verkünden, zogen es aber vor, ein Eilverfahren durchzuführen, mit entsprechendem Tamtam. Und das kommt nun natürlich als Gegenwind für die Regierung und die Zurückweisungen an der Grenze an. Auch ohne eigentliche Politik à la Trump kommt also auch in Deutschland die politische Justiz der nachgeordneten Verwaltungsgerichte zum Tragen – so wie in den Staaten eine Horde von Bezirksrichtern gegen den Präsidenten mobil gemacht haben.
Dobrindt behauptet nun, eine höchstrichterliche Entscheidung abwarten zu wollen. Die Tagesschau wendet ein, eine Entscheidung in der Hauptsache sei in diesem Fall unwahrscheinlich, weil die klagenden Somalier daran kein Interesse hätten. Nur sie könnten das aber anschieben. Also muss Dobrindt auf die nächste Klage warten. Aber die kommt sicher.
Wer nun natürlich jubelt, sind Linke und Grüne. Die SPD geht zum Lachen in den Keller, Man habe in den vergangenen Wochen „viele Fragen“ an Dobrindt gehabt. Jetzt will man sich angeblich für die Einhaltung von EU-Recht einsetzen, das aber immer nur wahlweise, wenn es gerade passt. Die Grünen verlangen von Dobrindt, „seine Anordnung unverzüglich zurückzuziehen“. Es handle sich um eine „harte Niederlage“ für die Bundesregierung. Die linksradikale Clara Bünger (SED) forderte „politische Konsequenzen“ von Dobrindt. Vielleicht sollte er eine Mauer bauen, was er aber wohl nicht vorhat.
Vorerst scheint die größte Gefahr für die Merz-Dobrindt-Politik nicht von der linken Opposition auszugehen, sondern von der Gerichtsbarkeit. Abseits davon ist schon klar, dass Dobrindt nun in zunehmendem Maß auf den heißen Stuhl der Medienrepublik gesetzt wird, und viele werden sich bemühen, ihn zu grillen. Am 3. Juni ist er bei Maischberger zu Gast.