
Einer der großen Wirtschaftsgelehrten Deutschlands geht in Ruhestand: Joachim Weimann, Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Magdeburg. Am letzten Tag vor seiner Emeritierung gab der Professor dem Wirtschaftsjournalisten Axel Bojanowski von der Welt ein Interview – großartige Gedanken eines weisen Mannes. NIUS zitiert die wichtigsten Passagen:
„Viele meiner Befürchtungen sind leider eingetreten. Es war frustrierend für mich zu erleben, wie einfachste Zusammenhänge nicht beachtet zu werden und wie erfolglos es ist, Politiker auf der Grundlage wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnis beraten zu wollen.“
Robert Habeck und Olaf Scholz bei der wöchentlichen Kabinettssitzung.
„Die Politik hat zwei Kardinalfehler begangen und begeht sie bis heute. Erstens hat man die Kosten der Klimapolitik konsequent ignoriert. Die Bundesregierung weiß bis heute nicht, was ihre Maßnahmen kosten. Zweitens hat man auch die Frage ignoriert, was die Klimapolitik denn eigentlich bringt. Alleingänge verpuffen: Jede Tonne CO2, die in Deutschland vermieden wird, wird anderswo in Europa emittiert. Es zählt aber nur Europas Gesamtbilanz und die sinkt weder durch Wind- und Solarenergie noch durch den Kohleausstieg. Ich habe sehr oft versucht, diesen Mechanismus Politikern zu erklären. Ich war dabei nicht erfolgreich. Die Botschaft, dass die Energiewende teuer aber weitgehend wirkungslos ist, wollte niemand hören.“
„Das deutsche Energiesystem war einmal das beste der Welt: verlässlich, geringe Schwankungen, guter Strompreis. Die Energiewirtschaft hat all diese Eigenschaften verschlechtert – ohne dass es eine positive Seite gäbe. Es wurden 600 Milliarden Euro ausgegeben, um genauso viel Strom zu haben wie vorher mit Kernkraft, nur mit weniger verlässlicherem, schwankendem und teurerem Strom. Die 600 Milliarden Euro haben also keinen Wohlstand geschaffen, keine neuen Güter oder Dienstleistungen. Dem Klima hat das Geld auch nicht gedient, denn einerseits sind Kernkraftwerke klimaneutral und zweitens werden CO2-Einsparungen in Deutschland über den Emissionshandel von anderen europäischen Staaten kompensiert.“
„Vergleichbares wie die deutsche Energiewende gibt es in keinem anderen Land – deshalb bedarf es einer speziell deutschen Erklärung: Nirgends war die Anti-Atomkraft-Bewegung so mächtig wie hierzulande. Das Verbot von Kohle, Gas und Kernkraft unisono gibt es nirgends, wo es nicht wenigstens großes Potential für Wasserkraft gibt, was wir auch nicht haben. Deutschland ist das einzige Industrieland, das komplett auf Wind und Sonne setzt. Zusammen mit der in der Gesellschaft verankerten Anti-AKW-Bewegung entwickelte das Narrativ der Klimarettung mit Erneuerbaren immense Durchschlagskraft, es war milieubildend. Medien übernahmen das Narrativ und verteidigen es mit alles Macht. Nach dem Tsunami 2011 in Japan und der Havarie des AKW in Fukushima offenbarte sich das besonders. In anderen Ländern wurde korrekt berichtet, dass der Tsunami 20 000 Tote gekostet hat, die freigewordene Strahlung dagegen keinen Toten. In Deutschland wurde der entsprechende Bericht der Weltgesundheitsorganisation, immerhin eine Einrichtung der Vereinten Nationen, weitestgehend ignoriert. Der passte nicht ins Bild, denn das Ziel war ja der Atomausstieg.“
„Die Endlager-Frage war ein Trick der grünen Bewegung in Deutschland, um die Kernkraft zu verhindern. Sie durfte nicht gelöst werden, weil man das Argument brauchte. Deshalb wurde die Endlagersuche in die Länge gezogen und mit unerfüllbaren Auflagen unmöglich gemacht. Jetzt liegen die Atom-Brennstäbe in Deutschland in oberirdischen Zwischenlagern, aber das scheint kein Problem zu sein, niemand regt sich auf. Daran erkennt man die Verlogenheit der Debatte.“Das Interview von Ralf Schuler mit Prof. Weimann sehen Sie hier: