„Das haben wir so nicht verabredet“: Die neue Koalition startet wie klassische Trickbetrüger

vor 15 Tagen

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Einen Gebrauchtwagenhändler würde man mit solchen Methoden nicht durchkommen lassen: Die neue GroKo (oder besser: Angola-Koalition) verspricht öffentlich die Senkung der Einkommenssteuer ab 2028. Jetzt rudert Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) zurück. Die GroKo verspricht einen Mindestlohn von 15 Euro, doch auch der ist „so nicht vereinbart“, wie Merz es ausdrückt. Von gebrochenen Wahlversprechen (z.B. Schuldenbremse) spricht schon niemand mehr. Motto: Ist nun oft genug gesagt worden. Bleibt folgenlos. Muss auch mal gut sein. Ist aber trotzdem weiter richtig.

Das Schlimme ist nicht, dass die neue Koalition schon vor der eigentlichen Wahl im Bundestag die eigenen Pseudo-Versprechen wieder einsammelt. Das ist eher hilfreich bei der schonungslosen Urteilsfindung. Das Üble ist, dass das geplante Bündnis aus CDU/CSU und SPD nach klassischer Trickbetrüger-Manier vorgeht und falsch macht, was man nur falsch machen kann. Sie wiederholt die Methode-Merkel, die Deutschland dahin gebracht hat, wo es jetzt ist.

Die Senkung der Einkommenssteuer wurde bei der Präsentation des Koalitionsvertrags gezielt und bewusst in den Kontext der Steuerentlastung der Wirtschaft gestellt. Zunächst gebe es erst einmal den „Investitions-Booster“ - bei solchen Wortschöpfungen allein ist höchste Vorsicht geboten! - von 30 Prozent auf betriebliche Anschaffungen. Steuersenkungen werde es erst ab 2028 geben, hieß es, wobei die Verwendung der konkreten Jahreszahl den Tatbestand gezielter Irreführung erfüllt. Botschaft für den Laien: Ist beschlossene Sache.

So bewirbt die Union den Koalitionsvertrag. Gemeint ist aber etwas ganz anderes.

Tatsächlich steht im Koalitionsvertrag eine Senkung der Einkommenssteuer für „kleine und mittlere“ Einkommen. Eine Formulierung, die die Zielrichtung auf Angestelltengehälter erkennen lässt und für sich genommen erst einmal sympathisch klingt. Wer allerdings weiß, dass für Handwerker, Personengesellschaften und mittelständische Unternehmen die Einkommenssteuer eine Art Unternehmenssteuer ist, merkt spätestens jetzt, dass hier eine politische Nebelkerze wirtschaftsfreundlicher Entlastung geworfen wurde, wie Friedrich Merz jetzt einräumen muss. Das Leckerli für die Klientel der Union ist also keins.

Auch hier wird die unter Angela Merkel zur Perfektion gebrachte gezielte Anscheinserweckung zweckdienlich weitergeführt. „An einer starken und unabhängigen Mindestlohnkommission halten wir fest“, steht im Vertrag als bestätigendes Signal an die Union. „Für die weitere Entwicklung des Mindestlohns wird sich die Mindestlohnkommission im Rahmen einer Gesamtabwägung sowohl an der Tarifentwicklung als auch an 60 Prozent des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten orientieren. Auf diesem Weg ist ein Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 erreichbar“, heißt es einen Satz weiter und ist ein Widerspruch in sich: Entweder ist die Mindestlohnkommission „stark und unabhängig“ oder man erlaubt sich solche dreisten Winks mit dem politischen Zaunpfahl.

Beim Mindestlohn konnte die SPD eine versteckte 15-Euro-Forderung im Koalitionsvertrag platzieren

Fakt ist: Hier wird der sozialdemokratische Pudel mit einem vermeintlich sicheren Leckerli gelockt, das bei Lichte besehen gar nicht im Text steht. Die Feststellung, dass ein solcher Mindestlohn „erreichbar“ ist, dürfte gnadenlos richtig sein, ist aber keine Zusage zur Einführung, wie Friedrich Merz jetzt im Bild-Interview ebenfalls anmerkt.

Mit anderen Worten: Die neue Koalition macht falsch, was man nur falsch machen kann. Sie schreibt die falsche und im Kern verlogene Konsens- und Kompromiss-Methode der Merkel-Ära fort, die im Grunde immer nur wohlklingenden Stillstand statt der überfälligen Reformen produziert. Sie verschärft den Vertrauensverlust in die etablierte Politik ausgerechnet in einem oft genug selbst erkannten und beschworenen Moment des fortschreitenden Vertrauensverlusts, den sie eigentlich beheben wollte. Sie verstärkt damit den Eindruck, dass Machterwerb und Ämterbesetzung der verlässlichste Antrieb der politischen Klasse sei.

Einem Gebrauchtwagenhändler, der so vorgeht, würde man mittelfristig nichts mehr abkaufen. Und das völlig zu Recht.

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