
Laut Verfassungsschutz verletzt Kritik an Grundrechts-Einschränkungen das Demokratie-Prinzip. Konkret steht im AfD-Gutachten, dass Missstände in Deutschland von Vertretern der Partei „bewusst entstellt und überspitzt verallgemeinert“ werden. Bei der Beschreibung der „gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland“ ginge es der AfD nicht um ein mit Augenmaß gefälltes Urteil, sondern um die „Diffamierung der Einrichtungen des Staates und der etablierten politischen Parteien“.
Angeblich würde so der Eindruck entstehen, dass die Demokratie selbst Ursache für die Missstände sei – damit würde das Vertrauen in eben jene untergraben. Als Beispiel wird eine Aussage des AfD-Abgeordneten Hannes Gnauck aufgeführt. Er kritisierte am 25. Februar 2022 auf einer Veranstaltung die Einschränkung der Grundrechte: „Unsere Grundrechte, liebe Freunde, sind kein Privileg, das allein der Willkür der Oligarchie aus Altparteien, Pharmalobby und Meinungsmachern unterliegt.“ Laut Verfassungsschutz würde Gnauck damit allen Parteien unterstellen, einer Oligarchie anzugehören.
Im Gutachten finden sich zahlreiche solcher Äußerungen, die sich auf die Einschränkung der Grundrechte während der Corona-Pandemie beziehen. Im Juni 2022 kritisierte zum Beispiel die EU-Abgeordnete Christina Anderson auf Facebook die Verlängerung des EU-Impfzertifikates um ein Jahr. Sie bezeichnete das Impfzertifikat als „Grundrechte-Bezugsschein“.
Weiter schrieb sie: „Zu sehr hat man Gefallen daran gefunden, den Bürgern unter dem Vorwand der vermeintlichen ‚Gesundheitsfürsorge‘ die Grundrechte entziehen und bei regierungsfreundlichem Wohlverhalten ggf. wiedergewähren zu können, ganz so, als handle es sich um Privilegien. Genießen Sie einen letzten Sommer der Freiheit.“ Die Behörde befindet das als Unterstellung, dass die Grundrechte vom Impfstatus abhängen würden.
Neben der Kritik an Grundrechts-Einschränkungen sollen laut Verfassungsschutz „auch Vergleiche mit der DDR, mit der SED oder anderen totalitären Systemen“ darauf abzielen, „das Vertrauen der Bevölkerung in eine funktionsfähige Demokratie als Teil der geltenden verfassungsrechtlichen Ordnung zu unterwandern und letztere als letztlich untauglich ansehen zu lassen.“
Dafür wird als Beispiel eine Aussage von Christina Baum, damals Bundesvorstandsmitglied der AfD, aus Januar 2024 angeführt. Sie stellte die Situation in Deutschland dem Leben in der DDR gegenüber: „Meine Kindheit und Jugendzeit in der DDR holt mich ein. Damals mussten wir Kommunismus und den Bonzen huldigen und zujubeln und den Klassenfeind verteufeln. […] Ich habe ein Déjà-vu. Die DDR 2.0 ist auferstanden.“
Auch eine Äußerung des sächsischen AfD-Chefs Jörg Urban wird angeführt. Er sagte bei einer Gedenkveranstaltung zum 70. Jahrestag des Aufstandes in der DDR 1953: „Noch nie sind wir so nah an sozialistische Verhältnisse gekommen wie jetzt, siebzig Jahre nach der Niederschlagung dieses ersten großen Volksaufstandes. Kämpfen wir für ein Deutschland, in dem das Volk tatsächlich wieder der Souverän ist, in dem nach einem langen Arbeitsleben ein schöner und würdiger Lebensabend wartet.“
Insgesamt gibt es im Gutachten fast vierzig Seiten, in denen Aussagen aufgelistet werden, in denen AfD-Mitglieder auf die DDR Bezug nehmen oder die Einschränkung von Grundrechten während der Corona-Pandemie kritisieren. Sie alle sollen angeblich das Vertrauen in die Demokratie untergraben. Kritik an staatlichen Maßnahmen wird also wegen einer vermeintlich überspitzen Formulierung als gefährlich angesehen.