
Vor einem Vertrauensverlust in die Justiz durch die hochproblematische Nominierung von Professorin Brosius-Gersdorf für das Bundesverfassungsgericht hat Anke Eilers in ihrem aufschlußreichen Leserbrief an die FAZ gewarnt. Nicht die inhaltlichen Positionen der Kandidatin seien entscheidend, so Eilers, Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Köln, sondern der entstandene Eindruck mangelnder Neutralität.
Wer als angehender Verfassungsrichter öffentlich politische oder rechtspolitische Meinungen äußere, zerstöre das Vertrauen in die Unparteilichkeit der Justiz – selbst, wenn die Äußerungen an sich legitim seien.
Eilers hebt in ihrem ausführlichen Leserbrief hervor, dass richterliche Unabhängigkeit und Neutralität bereits im Ernennungsverfahren eine zentrale Rolle spielen. Äußere eine Kandidatin vor ihrer Wahl ihre politischen oder rechtspolitischen Ansichten öffentlich, gefährde das die objektive Wahrnehmung von Justiz und schädige das Vertrauen der Gesellschaft in den Rechtsstaat. Dies sei unabhängig davon, ob die Ansichten inhaltlich berechtigt seien.
Weiter verweist Eilers auf die europäische Meinung des CCJE (Consultative Council of European Judges), als dessen Präsidentin sie sich mit den Grenzen der Meinungsfreiheit für Richter befaßt hat. Danach können Äußerungen von Richtern ambivalent wirken: Einerseits sei ihnen Meinungsfreiheit zuzugestehen, andererseits prägten öffentliche Äußerungen das Bild der Justiz in der Öffentlichkeit und könnten Zweifel an der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit erzeugen. Der Staat habe daher die Pflicht, bei der Auswahl von Richtern besonders auf diese Neutralität zu achten, um das Vertrauen der Bevölkerung in eine unabhängige Justiz zu wahren. Gerade in der Phase vor der Ernennung sei Neutralität entscheidend.
Das Problem im Fall Brosius-Gersdorf liege für Eilers nicht allein in den konkreten Ansichten der Kandidatin, sondern darin, dass durch ihre öffentlichen Positionierungen bereits der Eindruck mangelnder Neutralität entstanden sei. Dies belaste das Verfahren und den Rechtsstaat insgesamt. Es gehe um das Vertrauen der Bürger in die Unparteilichkeit der Justiz, das schon durch den Anschein politischer Voreingenommenheit gefährdet werde.
Der Skandal liege laut Eilers nicht bei der Kandidatin, sondern im Umgang mit dem Verfahren: Dass eine Bewerberin mit einer solchen Vorgeschichte überhaupt vorgeschlagen werde, offenbare ein mangelndes Bewusstsein für den Schutz der Justiz vor politischer Vereinnahmung. Für Eilers ist klar: Eine unabhängige Justiz beginnt nicht erst mit dem Amtsantritt, sondern mit der Auswahl. Wer das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat erhalten wolle, müsse politische Neutralität bereits in der Ernennung sichern. Der Fall Brosius-Gersdorf sei ein abschreckendes Beispiel.