Von Merz’ Wahlversprechen ist nicht mehr viel übrig ... das ist das Migrations-Papier von Union und SPD

vor etwa 1 Monat

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Bildquelle: NiUS

Es ist DAS Streitthema in den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD – die illegale Migration. Jedes Jahr strömen Hunderttausende Migranten ungehindert nach Deutschland. CDU-Chef Friedrich Merz hatte im Wahlkampf versprochen, die illegale Migration zu beenden. „Ich gehe keinen anderen Weg“, so Merz vor der Wahl. Doch in der SPD stoßen die Pläne von Merz auf massiven Widerstand.

NIUS liegt nun exklusiv das Verhandlungspapier der Arbeitsgruppe „Innen, Recht, Migration und Integration“ aus den Verhandlungen zwischen CDU und SPD hervor. Es ist ein hoch brisantes Dokument, auf dessen Grundlage nun die Parteiführung einen Kompromiss finden soll. Doch der kann für Merz kaum noch gut ausgehen. Denn aus dem Papier, auf dem auch der Stand der Verhandlungen verzeichnet wird (24. März, 19 Uhr), geht hervor: Selbst wenn sich die CDU an ALLEN noch nicht geeinten Stellen durchsetzt, ist von Friedrich Merz‘ Wahlversprechen so gut wie keine Rede mehr. Eine Zurückweisung aller Migranten ohne gültige Einreisepapiere taucht in der Vereinbarung nicht mehr auf.

Union-Chef Friedrich Merz, SPD-Vorsitzende Saskia Esken, SPD-Bundesvorsitzender Lars Klingbeil und Markus Söder – Ministerpräsident von Bayern (CSU)

NIUS dokumentiert die umstrittenen Passagen:

Beim Familiennachzug ist die Position zwischen CDU und SPD bereits geeint. Sie lautet: „Wir setzen den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten befristet für zwei Jahre aus. Härtefälle bleiben hiervon unberührt.“

Bedeutet: Der Großteil des Familiennachzugs bleibt bestehen. Bei Familiennachzug für „subsidiär Schutzberechtigte“, also Personen ohne Flüchtlings- oder Asylstatus, geht es um rund 13.000 von 130.000 Fällen im Jahr. „Härtefälle“ bedeutet, dass auch hier weiter Menschen mit Ausnahme nach Deutschland dürfen. Eine Maßnahme, die kaum Wirkung haben wird.

Der wichtigste Punkt für Merz ist die Zurückweisung an den Staatsgrenzen. Hier lautete das Versprechen von Friedrich Merz: „Ich werde … am ersten Tag meiner Amtszeit das Bundesinnenministerium anweisen, die deutschen Staatsgrenzen zu allen unseren Nachbarn dauerhaft zu kontrollieren und ausnahmslos alle Versuche der illegalen Einreise zurückzuweisen … Es wird ein faktisches Einreiseverbot in die Bundesrepublik Deutschland für alle geben, die nicht über gültige Einreisedokumente verfügen. Das gilt ausdrücklich auch für Personen mit Schutzanspruch.“

Davon ist im geeinten Papier so gut wie nichts mehr übrig. Dort heißt es nun geeint: „Wir werden in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn Zurückweisungen an den gemeinsamen Grenzen auch bei Asylgesuchen vornehmen. Wir wollen alle rechtstaatlichen Maßnahmen ergreifen, um die irreguläre Migration zu reduzieren. Die Grenzkontrollen zu allen deutschen Grenzen sind fortzusetzen bis zu einem funktionierenden Außengrenzschutz und der Erfüllung der bestehenden Dublin- und GEAS-Regelungen durch die Europäische Gemeinschaft.“

Bedeutet: Der Text ist weit entfernt von Merz‘ Zusage „faktischer Einreisestopp für alle, auch Menschen mit Schutzanspruch“. Die Formulierung „in Abstimmung mit europäischen Nachbarn“ macht Massenzurückweisungen nahezu unmöglich, da kein Nachbarland illegale Migranten zurücknehmen will.

„Zurückweisungen auch bei Asylgesuchen“ ist schon jetzt tägliche Praxis – aber eben nur dann, wenn Migranten bereits in einem anderen Land Asyl beantragt haben.

Brisant: Der Text ist bereits geeint zwischen CDU und SPD, von dem „faktischen Einreiseverbot für alle“ ist nichts mehr übrig.

Die sicheren Herkunftsstaaten sollen erweitert werden. Zwischen SPD und CDU ist folgender Text geeint: „Wir werden die Liste der sicheren Herkunftsstaaten erweitern ... Wir beginnen mit der Einstufung von Algerien, Indien, Marokko und Tunesien. Eine entsprechende Einstufung weiterer sicherer Herkunftsstaaten prüfen wir fortlaufend.“

Bisher umstritten zwischen CDU und SPD bleiben Asylverfahren außerhalb Deutschlands, in sogenannten sicheren Drittstaaten. Die Passage ist im Text blau markiert. Blau bedeutet: Die CDU will das so, die SPD lehnt das bisher ab, Friedrich Merz und Lars Klingbeil müssen eine Einigung erreichen. Im Text heißt es nach dem Wunsch der CDU: „Wir wollen sichere und rechtstaatliche Asylverfahren in sicheren Drittstaaten ermöglichen. Wer vor Krieg und Verfolgung zu schützen ist, soll in den Drittstaaten Schutz, Sicherheit und angemessene Lebensbedingungen erhalten. Wir werden dieses Modell als erstes bei Personen anwenden, die für Putins hybride Kriegsführung gegen Europa als illegale Migranten instrumentalisiert werden. Europa muss dieser menschenverachtenden Instrumentalisierung von Migration als Waffe entschlossen entgegentreten. Dazu unterstützen wir auch die Initiative der anderen EU-Mitgliedstaaten, um das Verbindungselement im europäischen Recht zu streichen. Wir wollen zentrale Asylverfahren für beschleunigte Verfahren schaffen. Durch die Einrichtung von durch den Bund betriebenen Bundesausreisezentren in der Nähe von großen deutschen Flughäfen werden wir Rückführungen erleichtern. Die Zuständigkeit der Länder für Rückführungen bleibt hiervon unberührt. Flugunternehmen werden wir zur Beförderung bei Rückführungen verpflichten. Deutschland unterstützt zudem die Errichtung von Rückführungszentren in Drittstaaten im Einklang mit dem EU-Recht.“

All das lehnt die SPD bisher ab. Einig ist man sich dafür in diesem Punkt: „Nach Afghanistan und Syrien werden wir abschieben – beginnend mit Straftätern und Gefährdern.“

Ebenfalls hoch umstritten zwischen SPD und CDU sind die „Leistungen für Ausreisepflichtige und Bezahlkarte“.

Die CDU will es so formulieren: „Für Ausreisepflichtige sind die Sozialleistungen auf das verfassungsrechtlich Erforderliche zu kürzen, es sei denn, die Ausreise findet unverschuldet nicht statt. Geduldete mit Schutzstatus im EU-Ausland oder in einem Drittstaat erhalten nur noch eine zweiwöchige Überbrückungsleistung nebst Reisebeihilfe.“

Die SPD lehnt das ab.

Von der Migrationswende scheint nichts übrig geblieben zu sein.

Dafür will die SPD noch mehr Bleiberechte für Menschen, die illegal in Deutschland sind und schlägt folgende Formulierung vor, im Text rot markiert als SPD-Position: „Wir wollen Perspektiven finden für die Menschen, die kein gesichertes Bleiberecht haben und sich in einer Berufsausbildung oder einem Studium befinden oder sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung war das Chancenaufenthaltsrecht. Dieses werden wir verlängern. Darüber hinaus geht es uns um einen realistischen Blick auf Deutschland und um Menschen, die arbeiten und zum Wohlstand beitragen und Beiträge in die Sozialversicherungssysteme entrichten. Daher werden wir für jene, die am 31.12.2024 in Deutschland aufhältig waren, deren Identität geklärt ist, die nicht straffällig geworden sind und die die Voraussetzungen von §§ 25a, b Aufenthaltsgesetz noch nicht erfüllen, einen Aufenthaltstitel schaffen. Die konkrete Ausgestaltung bleibt dem Gesetzgebungsverfahren vorbehalten.“

Ganz anders sieht das die CDU und schreibt in dem Papier: „Die Tatsache, ob ein Asylsuchender tatsächlich schutzbedürftig ist oder nicht, muss einen Unterschied machen. Wir werden dazu das „Chancenaufenthaltsrecht“ auslaufen lassen, den Anwendungsbereich verschiedener Bleiberechte überprüfen und das Aufenthaltsrecht nach § 16g AufenthG und § 25 Absatz 5 AufenthG abschaffen. Insbesondere werden wir auch § 25a AufenthG wieder auf junge Ausreisepflichtige vor Vollendung des 21. Lebensjahres und §25b AufenthG wieder auf mehrjährig – in der Regel mindestens seit acht Jahren – Geduldete beschränken.  Um die illegale Migration möglichst zu verhindern, muss die Vergabe von Aufenthaltsrechten an abgelehnte Asylbewerber wieder zur Ausnahme werden ... Grundsätzlich setzt der Erhalt eines Bleiberechts die vollständige Lebensunterhaltssicherung voraus.“

Brisant: SPD und CDU haben sich offenbar darauf geeinigt, die beschleunigte Staatsbürgerschaft zu erhalten. Im Wahlkampf hatte die CDU das noch als „Verramschen des deutschen Passes“ bezeichnet. Nun heißt es im Papier von der SPD: „Wir halten an der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts fest.“

Die CDU will es hingegen so formulieren: „Wir halten an den Änderungen der letzten Reform des Staatsangehörigkeitsrechts fest. Wir werden verfassungsrechtlich prüfen, ob wir Terrorunterstützern, Antisemiten und Extremisten, die zur Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung aufrufen, die deutsche Staatsbürgerschaft entziehen können, wenn sie eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen.“

Neben der Migration gibt es weitere Punkte, über die in der Arbeitsgruppe 1 offenbar intensiv gestritten wird. So herrscht beispielsweise beim Kapitel „Leistungsfähige Sicherheitsbehörden“ noch Uneinigkeit. Die Union will die Überwachung der Kommunikation der Bevölkerung stärker ausweiten. Messengerdienste sollen dazu verpflichtet werden, den Sicherheitsbehörden unter bestimmten Umständen Inhalte preiszugeben. „Wir verpflichten zudem die Anbieter elektronischer Kommunikationsdienste im Einzelfall zur Entschlüsselung und Ausleitung von Kommunikationsinhalten an Strafverfolgungs- und Gefahrenabwehrbehörden“, will die CDU/CSU in das Koalitionspapier schreiben. Zudem soll „allen Sicherheitsbehörden die Quellen-Telekommunikationsüberwachung ab dem Zeitpunkt ihrer Anordnung“ ermöglicht werden.

Auch die Gesichtserkennung fordert nur die CDU/CSU. In blauer Farbe ist der Satz markiert: „An Bahnhöfen, Flughäfen und anderen Kriminalitäts-Hotspots führen wir die automatisierte Gesichtserkennung zur Identifizierung schwerer Straftäter ein.“ Streit gibt es auch beim Polizeibeauftragten des Deutschen Bundestages. Die Union will den Posten abschaffen. Die SPD hingegen will das Amt „weiter stärken“.

Einigkeit herrscht hingegen beim Thema „illegaler Waffenbesitz“, der noch stärker bekämpft werden soll. Die möglichen Koalitionspartner wollen „noch zuverlässiger sicherzustellen, dass insbesondere Extremisten oder Menschen mit ernsthaften psychischen Erkrankungen nicht legal Waffen besitzen“. Selbst AfD-Mitglieder, die noch keine Straftat in ihrem Leben begangen haben und Sportschützen sind, dürften damit ihre Waffen abgeben müssen, wenn ihr jeweiliger Landesverband vom Verfassungsschutz beobachtet wird.

Gleichzeitig wollen Union und SPD die Cybersicherheit ausbauen und das Internet stärker regulieren. „Wir setzen uns in der EU dafür ein, radikalisierungsfördernde Algorithmen im DSA stärker zu regulieren.“ Gleichzeitig verspricht man den „Kampf gegen Rechts“ konsequent fortzusetzen: Der Polarisierung und Destabilisierung unserer demokratischen Gesellschaft und Werteordnung durch Rechtspopulisten und -extremisten setzen wir eine Politik der Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, der Vielfalt, Toleranz und Humanität entgegen.“

Die Union will dazu das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ nicht etwa abschaffen, sondern aus dem Familienministerium herausziehen. „Wir siedeln das Bundesprogramm ‚Demokratie leben‘ im BMI an“, heißt es in blauer Schrift. Union und SPD wollen zudem Personen das Wahlrecht entziehen, wenn sie mindestens zweimal wegen Volksverhetzung verurteilt wurden. „Im Rahmen der Resilienzstärkung unserer Demokratie regeln wir den Entzug des passiven Wahlrechts bei mehrfacher Verurteilung wegen Volksverhetzung.“

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