Deutschland auf Kurs vom Sparer zum Verlierer: Milliarden auf den Konten, aber unsere Brücken bröckeln

vor 4 Monaten

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Die privaten Haushalte in Deutschland verfügen derzeit über so viel Geld wie noch nie zuvor. Laut einer Hochrechnung der DZ Bank erreichte das nominale Geldvermögen im Jahr 2024 insgesamt 9,3 Billionen Euro – ein Zuwachs von knapp sechs Prozent im Vergleich zu 2023. Ein wesentlicher Grund für diesen Anstieg ist die starke Entwicklung der Aktienmärkte im vergangenen Jahr. So legte der Deutsche Aktienindex Dax innerhalb von zwölf Monaten um etwa 19 Prozent zu. Zudem sparen die Menschen weiterhin überdurchschnittlich viel. Trotz sinkender Inflation bleibt die Unsicherheit über die wirtschaftliche Lage in Deutschland groß, was viele dazu bewegt, ihr Geld zusammenzuhalten.

Die Konten der Sparer sind voll. Doch weil es nicht genug Anreize für Investitionen gibt, fehlen 130 Milliarden Euro für die Sanierung von Verkehrswegen wie etwa Eisenbahnbrücken.

Mehr als jeder zehnte Euro wird gespart, anstatt wie in anderen Ländern in den Konsum zu fließen. Die DZ Bank erwartet für das Jahr 2024 eine Sparquote von 11,5 Prozent. Bereits für die ersten sechs Monate meldete das Statistische Bundesamt eine Sparquote von 11,1 Prozent, was bedeutet, dass von 100 Euro verfügbarem Einkommen durchschnittlich 11,10 Euro gespart wurden. Pro Monat entspricht dies etwa 280 Euro pro Person. Für 2025 prognostizieren Experten einen weiteren Anstieg des privaten Geldvermögens um rund vier Prozent auf 9,8 Billionen Euro. Die Unsicherheit über die deutsche Wirtschaft bleibt bestehen, weshalb die Deutschen weiter stark sparen. In den Coronajahren 2020 und 2021 erreichte die Sparquote mit 15,9 beziehungsweise 14,1 Prozent historische Höchststände. Im Jahr 2023 lag sie bei 10,4 Prozent, womit Deutschland international immer noch vorne lag. Nur wenige Länder, wie die Schweiz (19,4 Prozent) und die Niederlande (12,7 Prozent), verzeichneten damals höhere Sparquoten.

Traditionell parken die Deutschen ihr Geld oft auf niedrig verzinsten Tagesgeldkonten. Laut DZ Bank flossen jedoch mittlerweile etwa 9,4 Prozent des privaten Vermögens direkt in Aktien, was 2023 einen Wertzuwachs von knapp 200 Milliarden Euro brachte. Mit dem Ende der Null- und Negativzinsen gewinnen jedoch auch Festgeldanlagen an Attraktivität. So stiegen die Zinseinkünfte der privaten Haushalte aus Bankeinlagen im vergangenen Jahr auf rund 30 Milliarden Euro, begünstigt durch Umschichtungen und ein höheres Zinsniveau. Das Vermögen eines durchschnittlichen deutschen Haushalts liegt laut Europäischer Zentralbank (EZB) bei 106.000 Euro. Dabei handelt es sich um den Medianwert: Die Hälfte aller Haushalte besitzt also weniger und die andere Hälfte mehr Vermögen. Mit diesem Wert belegt Deutschland Rang 15 im europäischen Vergleich und liegt nur knapp vor Griechenland. Betrachtet man allerdings das durchschnittliche Vermögen, ergibt sich ein etwas besseres Bild. Hier landen deutsche Haushalte mit einem Durchschnittswert von 413.000 Euro auf Platz 9 von 15.

Das Problem ist: Dieses Geld liegt sozusagen nur rum. Es wird nicht investiert und es wird nicht mobilisiert. Dabei gibt es gerade in Deutschland einen riesengroßen Bedarf an Investitionen. Wenn auch nur ein Teil des Geldvermögens in Deutschland in Investitionen in Wirtschaft, Forschung und Entwicklung, Unternehmen oder auch Immobilien fließen würde, dann würde das einen echten Schub für die Wirtschaft bedeuten. Aber in Deutschland ist dieser Markt für private Investitionen im Vergleich zu anderen Ländern sehr klein. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Geldanlagen an den Kapitalmärkten in Deutschland skeptisch betrachtet werden.

In den USA gelingt es deutlich besser, private Vermögen für Investitionen zu mobilisieren. Dazu gibt es verschiedene Produkte, in die Menschen ihr Geld investieren können. Sogenanntes Private Equity (Privates Vermögen) umfasst Investitionen in nicht börsennotierte Unternehmen. Investoren, häufig institutionelle Anleger oder vermögende Privatpersonen, erwerben Anteile an diesen Unternehmen, um deren Wachstum zu fördern und später mit Gewinn zu verkaufen. Private Equity-Fonds sammeln Kapital von Investoren und investieren dieses in verschiedene Unternehmen, oft mit dem Ziel, diese zu restrukturieren oder zu optimieren.

Investoren schließen sich in Fonds zusammen und verpflichten sich, ihr Kapital über einen bestimmten Zeitraum (typischerweise 7-10 Jahre) bereitzustellen. Der Fondsmanager investiert das Kapital in ausgewählte Unternehmen oder Projekte und strebt an, diese innerhalb eines festgelegten Zeitrahmens profitabel zu machen.

Private Kapitalanlagen haben generell gleich mehrere positive Auswirkungen auf die Volkswirtschaft. Sie stellen Kapital für Unternehmen bereit, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die möglicherweise keinen Zugang zu traditionellen Finanzierungsmöglichkeiten haben. Venture Capital fördert Innovationen durch Investitionen in neue Technologien und Geschäftsmodelle. Dies kann zu einem schnelleren Wirtschaftswachstum führen.

Erfolgreiche Unternehmen generieren Steuereinnahmen für den Staat, was wiederum öffentliche Dienstleistungen unterstützt. Laut der National Venture Capital Association (NVCA) in den USA trugen Venture-Capital-finanzierte Unternehmen im Jahr 2020 mehr als 2 Millionen Arbeitsplätze zur US-Wirtschaft bei. Zudem zeigen Studien des McKinsey Global Institute, dass private Kapitalanlagen signifikant zur Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit der US-Wirtschaft beitragen.

Private Kapitalanlagen in den USA bieten zudem eine Reihe von steuerlichen Vorteilen, die für Investoren attraktiv sind. Gewinne aus dem Verkauf von Vermögenswerten, die länger als ein Jahr gehalten werden, unterliegen in der Regel einem niedrigeren Steuersatz für langfristige Kapitalgewinne (0, 15 oder 20 Prozent, abhängig vom Einkommen des Steuerpflichtigen) im Vergleich zu den regulären Einkommenssteuersätzen. Kapitalerträge unterliegen in Deutschland einem Steuerabzug in Höhe von 25 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag in Höhe von 5,5 Prozent der Kapitalertragsteuer. Investoren in Immobilien können in den USA von Abschreibungen profitieren, die es ihnen ermöglichen, einen Teil der Kosten für die Immobilie über einen bestimmten Zeitraum abzuschreiben. Dies reduziert das zu versteuernde Einkommen und kann die Steuerlast erheblich senken. In Deutschland wird dagegen gerne darüber diskutiert, wie private Wohnungsgesellschaften verstaatlich werden können. Und die Grundsteuer soll in Deutschland 2025 ebenfalls neu berechnet werden. Experten gehen dabei von massiven neuen Belastungen für Immobilienbesitzer aus. So rechnet der Verband Haus&Grund mit Steigerungen von 300 Prozent oder mehr. Investitionen in sogenannte Opportunity Zones in den USA bieten Steuervergünstigungen, darunter die Möglichkeit, Kapitalgewinne umzuschichten oder zu reduzieren, wenn sie in qualifizierte Projekte innerhalb dieser Zonen investiert werden. Das kommt vor allen Dingen Infrastruktur- und Immobilienprojekten zu Gute.

In Deutschland gibt es mehrere Bereiche, in denen erheblicher Investitionsbedarf besteht. Diese Investitionen sind notwendig, um die Infrastruktur zu modernisieren, die Digitalisierung voranzutreiben, neue Unternehmen mit Kapital auszustatten, Forschung und Entwicklung zu fördern, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und unsere innere und äussere Sicherheit in kriegerischen Zeiten zu verbessern. Auch den Klimaschutz, das Lieblingsprojekt von Grün über Rot bis schwarz, sind Unsummen nötig, um den Ausbau zu fördern.

Ein Blick auf diese Zahlen zeigt, dass die aktuelle Situation ziemlich irre ist. Und gleichzeitig eine absolute Verschwendung von großen Möglichkeiten. Auf der einen Seite liegen mehr als neun Billionen Euro auf irgendwelchen Sparkonten herum und werfen kaum Rendite ab. Denn, wie oben geschrieben, sind noch nicht einmal zehn Prozent des Vermögens am Kapitalmarkt angelegt. Auf der anderen Seite gibt es in Deutschland einen riesigen Investitionsbedarf.

Dabei sind die meisten Investitionen von privaten Unternehmen, der Industrie und Technologieentwicklern zu realisieren und keine Aufgaben, die der Staat selber machen oder umsetzen kann. Private Unternehmen sind es, welche die Bundeswehr ausstatten oder Brücken bauen oder Stromkabel legen.

Wenn all diese Unternehmen den Infrastruktur Ausbau und die Erneuerung vorantreiben sollen, dann brauchen sie Kapital. Dieses Kapital können und sollten Sie sich am schnellsten und am effizientesten an den Kapitalmärkten von Anlegern besorgen können. Dafür muss es aber für die Anleger auch einen Anreiz geben, ihr Geld dafür zur Verfügung zu stellen. Bei den Dimensionen des Bedarfes wird es sicherlich keinen Auftragsmangel geben und damit auch sehr sicher gute Erträge und Gewinne.

Die Attraktivität hat aber auch etwas damit zu tun, wie die Kapitalerträge dann versteuert werden. Und da sieht es in Deutschland und in Europa deutlich schlechter aus als beispielsweise in den USA. Und auch bei dem Modell der sogenannten „Opportunity Zones“ könnte sich Deutschland ein Beispiel an den Vereinigten Staaten nehmen, wenn es darum geht, privates Kapital gezielt in den auf- und Ausbau von Infrastruktur in bestimmten Gegenden zu lenken und damit die Wirtschaft, ebenso wie Arbeitsplätze voranzubringen und zu fördern. Stattdessen werden in Deutschland regelmäßig Milliarden an Subventionen verpulvert und damit Steuergeld sinnlos verbrannt, um angeblich die Regionalentwicklung voranzutreiben. Nur ein Beispiel von vielen ist dabei das gescheiterte grüne Projekt einer riesigen Batteriefabrik von Northvolt in Heide in Schleswig-Holstein.

Für den Wohnungsbau gilt dasselbe. Auch hier ist privates Kapital dringend notwendig und es gibt auch einen Markt für neue Immobilien und Wohnungen. Denn die Nachfrage übersteigt das Angebot heute und auf absehbare Zeit bei weitem. Doch anstatt Kapitalanlagen in Immobilienprojekte und Immobilienentwicklungen zu fördern und attraktiver für Privatanleger zu machen, werden die Rahmenbedingungen ständig weiter verschärft und verschlechtert. Das beginnt mit ausufernden Vorschriften zur Energieeffizienz und zur Nachhaltigkeit bei Neubauten und Sanierungen es geht weiter über quälend lange Planungs- und Genehmigungsverfahren und erstickende Bürokratie bei Bauvorhaben und es setzt sich fort mit kontinuierlich steigenden Steuern und Abgaben für Immobilienbesitz von der Grundsteuer bis hin zur Erbschaftssteuer.

Bei Forschung und Entwicklung sehen wir das gleiche. Sowohl in Deutschland als auch in Europa gibt es mittlerweile einen riesigen Berg an Studien, Untersuchungen und berichten die allesamt darauf hinweisen, dass mehr in die Entwicklung neuer Technologien und die Grundlagenforschung investiert werden muss. Letztes Beispiel dafür ist der sogenannte Draghi-Bericht für die EU.

Sowohl die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen als auch der deutsche Bundeskanzler Scholz bejammern immer wieder, dass Europa und Deutschland hier deutlich hinter den USA und auch anderen Ländern wie beispielsweise Israel hinterherhinken. Aber genau das hat damit zu tun, dass private Investitionen in Europa und Deutschland bei Forschung und Entwicklung deutlich schlechtere Rahmenbedingungen vorfinden, als es in diesen anderen genannten Ländern eben der Fall ist.

Eigentlich liegt es mehr als klar auf der Hand, wie das richtige Wirtschafts- und Konjunkturprogramm für Deutschland aussehen muss, das noch dazu den Staat nicht einen einzigen Cent kostet. Die Politik muss durch deutlich bessere Rahmenbedingungen dafür sorgen, dass mehr privates Kapital in die Wirtschaft, in die Infrastruktur, in Immobilien und in Forschung und Entwicklung fließt. Stattdessen hören wir im Wahlkampf aber genau das Gegenteil. Nämlich die Forderungen nach noch mehr Subventionen, nach höheren Steuern und vor allen Dingen nach höheren Schulden. Deutlicher kann man wirtschaftliche Grundregeln gar nicht ausblenden.

* Prof. Dr. Andreas Moring ist Wirtschaftsprofessor und langjähriger Unternehmer in der Digitalwirtschaft aus Hamburg

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