
Die schwarz-rote Koalition hat sich in ihrer Gründung auch zum Mindestlohn ein Schelmenstück erlaubt. Sie hat die zuständige Kommission damit auf unzulässige Weise unter Druck gesetzt, dass sie einen Mindestlohn von mindestens 15 Euro in ihren Koalitionsvertrag geschrieben hat. Die aus Gewerkschaftern, Arbeitgebern und Wissenschaftlern bestehende Kommission hat dem widerstanden. Einen Mindestlohn von 15 Euro wird es auf absehbare Zeit nicht geben.
Der Mindestlohn steigt zum Jahreswechsel von jetzt 12,82 Euro auf dann 13,90 Euro. Zum Jahreswechsel 2027 geht der Mindestlohn dann erneut auf 14,60 Euro hoch. Das entspricht Steigungen von zuerst 8,4 und dann nochmal 5,0 Prozent. Diesen Vorschlag habe sie gemacht, sagte die Vorsitzende der Kommission Christiane Schönefeld vor der Bundespressekonferenz. Die neun Mitglieder der Kommission hätten dem einstimmig zugestimmt.
Den Mindestlohn eingeführt hat die dritte Regierung Angela Merkel (CDU). Es war der Preis dafür, dass die SPD erneut in eine damals noch “große Koalition” eingetreten ist. Die SPD versprach 2015, sie werde die Unabhängigkeit der Kommission respektieren und den Mindestlohn nicht als politisches PR-Mittel missbrauchen. 2021 machte die SPD dann Wahlkampf damit, den Mindestlohn auf 12 Euro zu erhöhen, 2025 machte die SPD damit Wahlkampf, den Mindestlohn auf 15 Euro zu erhöhen. Zwischenzeitlich bestimmte die Regierung Olaf Scholz (SPD) den Mindestlohn an der unabhängigen Kommission vorbei per Diktat auf 12 Euro. CDU und CSU akzeptierten im Koalitionsvertrag der Regierung Friedrich Merz (CDU) den Formelkompromiss, man akzeptiere die Unabhängigkeit der Koalition, erwarte aber einen Mindestlohn von 15 Euro.
Arbeitgeberpräsident Steffen Kampeter kritisierte dieses Vorgehen der Politik hart: Diese habe einen enormen Druck aufgebaut und mit ihren Einlassungen die Findung massiv belastet. Damit habe sie am Grundgesetz vorbei gehandelt, weil die Verfassung die Tarifautonomie garantiere. Der Hauptgeschäftsführer des BDA sprach eine Warnung aus: “Wenn die Politik nicht langsam begreift, dass die Unabhängigkeit der Kommission ein Wert an sich ist, dann wird es schwierig werden, dass wir unsere Arbeit erfolgreich fortsetzen.” Aussagen wie die von SPD-Chef Lars Klingbeil machte Kampeter zum Anlass eines Vergleichs mit Fußballfans, die das Geschehen auf dem Rasen mit ihren Kommentaren begleiteten.
Begleitet zum Entschluss hat die Kommission einen Bericht vorgestellt. Nach diesem arbeiteten im April 2024 in Deutschland 2,3 Millionen Beschäftigte für den Mindestlohn. In Ostdeutschland entsprach das 6,5 Prozent aller Beschäftigungsverhältnisse, im Westen waren es 5,7 Prozent. Schönefeld geht von einer gewissen Dunkelziffer an Beschäftigten aus, die entgegen dem Gesetz für weniger als den Mindestlohn arbeiteten. Eine Befragung unter Arbeitnehmern hätte ergeben, dass nur knapp die Hälfte die richtige Höhe des Mindestlohns kenne.