„Nachfolgeorganisation der Linkspartei“: Friedrich Merz warnt vor dem BSW, in den Ländern bahnen sich Koalitionen an – das kann nicht gutgehen!

vor 6 Monaten

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Die CDU versteht sich als eine bürgerliche Partei. Man sei „im besten Sinne bürgerlich“, weil man „für eine offene Gesellschaft von Bürgerinnen und Bürgern“ eintrete. So steht es im Grundsatzprogramm.

Um den Begriff ist lange gerungen worden. Was unter Bürgerlichkeit zu verstehen sei, war parteiintern umstritten. Ganz gewiss zählt Verlässlichkeit zu den bürgerlichen Tugenden. Momentan aber sät die CDU Zweifel an ihrer Verlässlichkeit. Was nämlich ist von einem Vorsitzenden zu halten, der rote Linien zieht, die in den Landesverbänden mit dem Achselzucken des Bedauerns übersprungen werden?

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hält kurz vor den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen eine engagierte Rede vor Mario Voigt und Michael Kretschmer.

Nimmt man Friedrich Merz beim Wort, dann verbieten sich Koalitionen mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht prinzipiell. Er hat eine Zusammenarbeit in derart drastischen Worten ausgeschlossen, dass die christdemokratischen Unterhändler in Dresden und Erfurt Wachs in den Ohren haben mussten, um die Fanfare des Vorsitzenden zu überhören. Um keinen Millimeter will man dort ablassen vom „pragmatischen Thüringer Stil“ und von „unserem sächsischen Weg“. So formulieren es die Landesvorsitzenden Mario Voigt und Michael Kretschmer. Der Thüringer will werden, was der Sachse schon ist: Ministerpräsident. In beiden Ländern sind Koalitionen mit dem BSW das Mittel der Wahl.

Kaum beachtet worden ist bisher, wie scharf Merz als Gastredner auf dem Parteitag der CSU eine Zusammenarbeit mit dem BSW ausgeschlossen hat. Hätte das Wort des Vorsitzenden Relevanz, müssten Voigt und Kretschmer ihre Sondierungsgespräche sofort abbrechen. Sie müssten zu Sahra Wagenknecht nach Berlin fahren, wie sie es schon einmal taten, und zerknirscht erklären: Tut uns leid, aber das wird nichts mit uns beiden. Wir Christdemokraten würden unsere Seele verkaufen, wenn wir mit dem BSW koalierten. Alles Gute, Frau Wagenknecht, für Ihren weiteren Lebensweg.

Was nämlich hat Friedrich Merz in Augsburg am 12. Oktober gesagt, als Markus Söder applaudierend in der ersten Reihe saß? Merz erklärte zunächst, warum es keine Zusammenarbeit von CDU oder CSU und AfD geben könne. Die Alternative für Deutschland, so Merz, sei ausländerfeindlich, „in großen Teilen rechtsextremistisch bis hin zur Verfassungswidrigkeit“ und „vor allem in ihrem Kern antisemitisch“. Eine Zusammenarbeit gäbe es „heute nicht, morgen nicht und auch nach der nächsten Bundestagswahl nicht“. Merz fuhr fort: „Das kommt schon aus moralischen Gründen nicht infrage. Wir würden die Seele der Union verkaufen, wenn wir mit solchen Leuten zusammenarbeiten würden. Und das Gleiche gilt für das sogenannte Bündnis Sahra Wagenknecht.“

Für Merz ist der Grad an Abscheu identisch, den er für die AfD und das BSW empfindet. Er macht nicht den geringsten Unterschied. Der Brandmauer zur AfD stellt er eine nicht minder hohe zum BSW gegenüber. Eine Koalition von BSW und CDU ist für ihn derselbe Verrat an der Seele der Union, wie es eine Koalition von AfD und CDU wäre. Beide konkurrierende Parteien sind ihm des Teufels. Um das Koalitionsverbot mit dem BSW zu bekräftigen, fügte Merz an: Das BSW sei „die Nachfolgeorganisation der Linkspartei“.

Die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht mit Thüringens Spitzenkandidatin Katja Wolf.

Damit dehnt Merz den Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU mit der Linkspartei auf das BSW aus. Auf keinen Fall, lautet Merzens Botschaft, dürfe seine CDU mit Wagenknechts Bündnis koalieren. Nicht den geringsten Spielraum sieht Merz für Kennenlern-, Sondierungs- oder Koalitionsgespräche – für all jene Formate also, die Voigt und Kretschmer energisch vorantreiben.

Die Worte des Vorsitzenden verhallen ungehört in den Weiten der thüringischen und sächsischen Provinz. Dem Machterhalt und der Machterringung ordnet man dort die programmatische Unverträglichkeit unter. Merzens Veto dringt nur als kurzes Störgeräusch in die Verhandlungsräume.

Voigt stellte dem thüringischen BSW eine Unbedenklichkeitserklärung aus und rechnete öffentlich vor: „Mitglieder des BSW, das sind zwei ehemalige Grüne, zwei ehemalige SPDler, zwei ehemalige CDUler und vier ehemalige Linke, und das ist ein sehr pragmatischer Kurs.“ Für Voigt ist das BSW demnach das, was die gesamte CDU zu sein behauptet: bürgerlich.

Mario Voigt (CDU) und Katja Wolf (BSW) vor der konstituierenden Sitzung des thüringischen Landtags.

Die Gegenposition des Parteivorsitzenden ist nicht erst seit dem Augsburger Parteitag bekannt. Schon Mitte Juni sagte Merz: „Frau Wagenknecht ist in einigen Themen rechtsextrem, in anderen wiederum linksextrem.“ Mit „rechtsextremen und linksextremen Parteien“ arbeite die CDU aber nicht zusammen. Bereits vor vier Monaten also schloss Merz ein Zugehen der Christdemokraten auf das Bündnis Sahra Wagenknecht kategorisch aus. Die Worte verwehten im Wind.

Die weiteren Entwicklungen rund um Sahra Wagenknecht haben neues Material für das Merzsche Kooperationsverbot geliefert. Der Augsburger Parteitagsredner unterstellte der AfD belegfrei Antisemitismus. Mit dieser Wünschelrute wird Merz bei Wagenknecht fündig. Es ist mehr als Israelhass, der aus Wagenknechts Stellungnahmen zum Krieg in Gaza spricht. Israel soll dort laut der Parteigründerin und Namensgeberin auf Vernichtung aus sein und „wahllos“ Kinder und Frauen ermorden.

Wie bitteschön soll eine Partei, deren Galionsfigur Israel dämonisiert, koalitionsfähig sein mit der Partei Adenauers und Kohls, der Partei der Westbindung und der Solidarität mit Israel, der CDU also?

Das Ausweichmanöver Kretschmers und Voigts mag kurzfristig funktionieren. Mittelfristig kann es verheerend sein. Die CDU wird sich natürlich freuen, sollte sie weiterhin den sächsischen und wieder einmal den thüringischen Ministerpräsidenten stellen. Der Preis aber könnte sich schon im nächsten Jahr bei den Bundestagswahlen als zu hoch herausstellen. Eine Koalition, der CDU und BSW gemeinsam angehören, hielte gleich drei beunruhigende Botschaften bereit: Auf das Wort des CDU-Vorsitzenden kann man sich nicht verlassen; mit antiisraelischer Schmähkritik hat die CDU kein Problem; Grundsätze wiegen weniger als Machtoptionen.

Die CDU stünde als eine Partei da, die vor den Wahlen die Backen bläst, um das Lied der Prinzipien zu pfeifen – und dann bringt sie nur die Melodie vom Wendehals zustande.

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