
„Ich hasse die Meinungsfreiheit“, steht auf dem Schild, das Nancy Faeser scheinbar in die Kamera hält, dabei handelt es sich um eine Fotomontage mit juristischen Konsequenzen: 7 Monate auf Bewährung. So lautet das Urteil des Amtsgerichts Bamberg gegen David Bendels, den Chefredakteur des Deutschland-Kuriers, der die Montage verbreitet hatte.
Dabei muss das bearbeitete Foto als satirische Kritik an Faeser Politik gewertet werden, gibt es doch reichlich Anlass zu der Vermutung, dass die Noch-Innenministerin nicht der größte Fan einer vollumfänglichen Meinungsfreiheit für alle sein kann – sondern die Meinungsfreiheit tatsächlich hasst.
Diese Fotomontage sorgte für die Verurteilung.
Die Meinungsfreiheit ist nicht etwa ein Privileg, welches der Staat seinen Bürgern gewährt. Das Recht auf freie Meinungsäußerung dient – wie alle anderen Grundrechte – als Schutzrecht der Bürger gegen den Staat und dessen Zugriff darauf. Die Meinungsfreiheit soll dabei (auch in Verbindung mit der Versammlungsfreiheit) dazu dienen, eine pluralistische Debatte mit unterschiedlichen Weltanschauungen, Ideen, Konzepten und Argumenten in Form von Diskussionen, Publikationen oder Demonstrationen zu ermöglichen, um dem informierten Willen der Mehrheit durch Wahlen schlussendlich Ausdruck zu verleihen.
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Während der Coronakrise galten die Grundrechte für Faeser, ihres Zeichens Verfassungsministerin, offenbar nicht mehr: „Ich wiederhole meinen Appell: Man kann seine Meinung auch kundtun, ohne sich gleichzeitig an vielen Orten zu versammeln“, sagte Faeser im Januar 2022 als die hochbrisante Debatte um eine allgemeine Impfpflicht in vollem Gange war und heftige Gegenwehr ausgelöst hatte.
Faesers Aufruf, sich nicht zu versammeln.
Faeser stellte mit diesen Worten die Meinungsfreiheit als Konstrukt in Frage, das in Verbindung mit der Versammlungsfreiheit noch viel mehr Gewicht entfaltet, wenn viele Menschen zur selben Zeit ihrer Meinung Ausdruck verleihen. Zufällig erging Faesers Appell, die Meinung doch auch im stillen Kämmerlein kundtun zu können, bei einem regierungskritischen Thema. Als die „Black Lives Matter“-Demos nach Deutschland geschwappt waren und sich Zehntausende versammelt hatten, gab es (vollkommen zurecht) keine Hinweise der Innenministerin, sich doch besser nicht zu versammeln.
Kritik am Staat – Sinn und Zweck der Meinungsfreiheit – scheint Faeser ohnehin ein Dorn im Auge zu sein, hat sie doch, gemeinsam mit dem ihr unterstellten Bundesamt für Verfassungsschutz, das neue Feld der „Delegitimierung des Staates“ ins Leben gerufen. Auslöser: die Corona-Proteste, die instrumentalisiert worden seien, „um losgelöst von jeder sachbezogenen Kritik eine tatsächlich verfassungsfeindliche Agenda zu verfolgen“, wie es auf der Webseite des Verfassungsschutzes heißt.
„Diejenigen, die den Staat verhöhnen, müssen es mit einem starken Staat zu tun bekommen“, hatte sie im Februar 2024 gesagt und dies mit dem Kampf gegen Rechtsextremismus begründet. Verfassungsrechtler waren auf der Zinne:
„Das ist eine Äußerung, die von einem höchst fragwürdigen Verfassungsverständnis zeugt“, sagte etwa der ehemalige Verfassungsrichter Prof. Rupert Scholz gegenüber NIUS zu Faesers Worten.
Weiter erklärte er: „Ich habe das Recht, den Staat auch zu verhöhnen. Ich kann meinen Staat lieben, ich kann ihn achten, ich kann ihn respektieren, ich kann ihn auch ablehnen, bis hin auch zum Spott. Das liegt alles in meiner Meinungsfreiheit, alles im Rahmen einer pluralistischen Demokratie.“
Der ehemalige Verfassungsrichter Prof. Rupert Scholz
Politiker wie Faeser müssten verstehen, so Scholz weiter, dass sie über diese Wähler- und Meinungsfreiheit überhaupt in ihr Amt gekommen seien. „Wenn diese Politiker meinen, sie dürften nicht verhöhnt, sie dürften nicht entsprechend abgelehnt werden, dann ist das anmaßend und jenseits der Meinungsfreiheit“, so Scholz weiter.
Dieser entlarvende Satz von Faeser war im Übrigen der inhaltliche Auslöser und politische Kontext des „Ich hasse die Meinungsfreiheit“-Satire-Beitrags, der durch den Deutschland-Kurier veröffentlicht worden ist und mit einer siebenmonatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung bestraft werden soll.
Einige Monate später lieferte Faeser jedoch den nächsten Skandal mit Blick auf die Meinungsfreiheit: Am Morgen des 16. Juli 2024 standen Dutzende, teils vermummte Polizisten vor der Tür des rechtsextremen Medienunternehmers Jürgen Elsässer – das Bild von Elsässer im Bademantel verbreitete sich wie ein Lauffeuer.
Faeser hatte Elsässers Magazin Compact verbieten wollen, nutzte dafür eine heikle juristische Begründung über das Vereinsrecht – die ihr wenig später vor dem Bundesverwaltungsgericht um die Ohren flog.
„Compact verbreitet ein antisemitisches, minderheitenfeindliches und geschichtsrevisionistisches Weltbild in seinen Publikationen“, hieß es in der damaligen Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums. Die Beiträge würden zudem „gegen die Bundesregierung und allgemein das politische System Deutschlands“ agitieren. Es sei zu befürchten, „dass Rezipienten der Medienprodukte durch die Publikationen, die auch offensiv den Sturz der politischen Ordnung propagieren, aufgewiegelt und zu Handlungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung animiert werden“, hieß es weiter.
Auf Filmaufnahmen ist zu sehen, wie Polizisten Stühle und Tische aus den „Compact“-Redaktionsräumen tragen.
Dass Compact teils antisemitische Verschwörungstheorien verbreitet, steht wohl außer Frage. Das ist aber nicht ausschlaggebend dafür, ob eine Berichterstattung von der Pressefreiheit gedeckt ist. Deshalb wohl kippte das Bundesverwaltungsgericht Faesers Verbots-Versuch und meldete Zweifel an der Verhältnismäßigkeit des Verbots an.
Faesers Vorgehen kritisierte auch Verfassungsrechtler Prof. Volker Boehme-Neßler bei NIUS: „Wenn sie in Grundrechte eingreifen, dann muss das immer, immer verhältnismäßig sein. Es darf also keine milderen Mittel geben.“ Im Fall von Compact sei jedoch direkt das Verbot statt zum Beispiel einer Abmahnung erwirkt worden. Weiter sagte der Experte: „Man hat das Gefühl, Frau Faeser ist auf einem Feldzug. Es geht darum, den Bürger unter Druck zu setzen und einzuschüchtern.“
Die aktuelle Regierung habe mit Freiheit „wenig am Hut“, konstatiert er. „Sie ignoriert die Verfassung. Die spielt überhaupt keine Rolle“.
Innenministerin Nancy Faeser hatte in nur drei Jahren Amtszeit mehrere Skandale rund um die Presse- und Meinungsfreiheit initiiert.
In nur drei Jahren Amtszeit hat Noch-Innenministerin Nancy Faeser an unterschiedlichsten Stellen und Fronten gezeigt, dass sie das Grundrecht auf Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Versammlungsfreiheit nicht gänzlich im Sinne der Verfassung auslegt, teilweise gegen diese Grundrechte arbeitet und von obersten Gerichten zurückgepfiffen werden muss, obwohl sie als Innenministerin die Verfassung eigentlich schützen soll. Und nun das Urteil zum Faeser-Meme.
Dabei halten Verfassungsrechtler wie Prof. Josef Franz Lindner (Uni Augsburg) das montierte Bild für ein „für jeden erkennbar satirisches Meme“ und schimpfen: Ein Staat, der für so etwas Freiheitsstrafen verhänge, „hört auf, ein Rechtsstaat zu sein. Er wird zum totalitären Staat“. Der renommierte Medienrechtler Joachim Steinhöfel sagte: „Diese Rechtsprechung stellt eine klare und gegenwärtige Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung dar.“
Dass Faeser selbst den Strafbefehl unterschrieben hat, der die Strafverfolgung des satirischen Memes gegen sie und am Ende auch das Urteil zur Folge hatte, ist ein weiteres Indiz dafür, dass Faeser von Kritik an Politikern - und schon garnicht an ihr selbst - wie ihr im Rahmen der Meinungs- und Kunstfreiheit wenig hält – und diese zu unterdrücken versucht.
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