Neuer Rekord seit Oktober: Pleitewelle im Juli trifft deutsche Wirtschaft

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Im Juli 2025 haben die Firmeninsolvenzen in Deutschland einen neuen Höchststand erreicht. Nach aktuellen Daten des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) wurden 1.588 Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften gezählt – ein Anstieg um 12 Prozent gegenüber dem Vormonat und 13 Prozent mehr als im Juli 2024. Dieser Wert ist – abgesehen vom bisherigen Rekordmonat April 2025 – der höchste Stand seit 20 Jahren. Für seine Analysen wertet das IWH die aktuellen Insolvenzbekanntmachungen der deutschen Registergerichte aus und verknüpft sie mit Bilanzkennzahlen betroffener Unternehmen.

Ursache für die steigende Zahl der Unternehmenspleiten sind vor allem die schlechten Rahmenbedingungen des deutschen Wirtschaftsstandorts – in erster Linie die hohen Energiekosten. Auch die hohen Lohnkosten wirken belastend. Besonders der kontinuierlich weiter ansteigende Mindestlohn setzt Unternehmen, vor allem die mit geringen Rücklagen und hohen Personalkosten in der Produktion, unter Druck.

Seit seiner Einführung im Jahr 2015 ist das Grundgehalt von 8,50 Euro mittlerweile auf 12,82 Euro pro Stunde gestiegen. Doch damit nicht genug: Die Mindestlohnkommission hat für die Folgejahre weitere Erhöhungen beschlossen: Zum 1. Januar 2026 soll der Mindestlohn auf 13,90 Euro steigen und zum 1. Januar 2027 auf 14,60 Euro – eine Gesamtsteigerung von rund 13,9 Prozent innerhalb von zwei Jahren.

Hinzu kommen ein erhöhter Bürokratieaufwand und eine überbordende Steuerlast, die der Unternehmenslandschaft zusetzen und letztlich eine wachsende Zahl von Firmen in die Insolvenz treiben.

Problematisch ist für viele Unternehmen zusätzlich die umfassende Umstrukturierung der Betriebsabläufe, die mit der „grünen Transformation“ einhergeht. Im Rahmen der nationalen Klimaziele sollen in der Bundesrepublik bis 2045 alle Produktionsprozesse emissionsfrei werden. Viele Betriebe müssen ihre Abläufe vor diesem Hintergrund vollständig neu ausrichten – ein Prozess, der enorme Investitionen erfordert. Bundesweit werden dafür in den nächsten Jahren wohl hohe dreistellige Milliardenbeträge anfallen.

Eine repräsentative Befragung des IW Köln unter mehr als 1.000 Industrieunternehmen verdeutlicht die Lage: Demnach sehen 56 Prozent ihr Geschäftsmodell durch die klimapolitischen Vorgaben gefährdet, und nur 41 Prozent trauen sich eine erfolgreiche Anpassung zu. Denn mit den hohen Investitionskosten allein ist es nicht getan. Eine Hürde ist unter anderem eine unklare Kosten-Nutzen-Relation der neuen Produktionstechnologien, die die Wettbewerbsfähigkeit vieler Unternehmen schon jetzt einschränkt.

Ein Paradebeispiel hierfür ist die Stahlindustrie: Da die herkömmlichen Hochöfen, die bislang auf Kohlebasis betrieben wurden, als klimaschädlich gelten, müssen deutsche Stahlhersteller nun auf das sogenannte Direktreduktionsverfahren (DRI) mit Wasserstoff umsteigen, um Stahl zu produzieren. Neben milliardenschweren Investitionen ist das Endprodukt – „grüner Stahl“ – bis zu dreimal teurer als konventionell hergestellter Stahl.

Für die deutsche Stahlbranche bedeutet das einen gravierenden Wettbewerbsnachteil und einen massiven Auftragsrückgang, der daraus resultiert. Hersteller aus Fernost, die nicht denselben strengen Klimavorgaben unterliegen, drängen zunehmend auf den Markt und verdrängen deutsche Anbieter. Das Ergebnis: Eine Insolvenzwelle, die die heimische Stahlsparte überschwemmt und unzählige Stellenstreichungen nach sich zieht.

Ein weiterer Effekt, der seit Mitte 2022 zu einer wachsenden Zahl an Unternehmensinsolvenzen geführt hat, war die radikale Zinswende der Europäischen Zentralbank (EZB). Nach einer sechsjährigen Nullzinsphase hob die EZB den Leitzins innerhalb von rund einem Jahr um insgesamt 450 Basispunkte an.

Der Zinsanstieg habe dem IWH zufolge zu einem Nachholeffekt bei den Insolvenzen geführt, der bis heute anhält: „Über viele Jahre hinweg haben extrem niedrige Zinsen Insolvenzen verhindert, (…)“, erklärt IWH-Insolvenzforscher Steffen Müller.

Niedrige Zinsen verzögerten Insolvenzen, indem sie Unternehmen über viele Jahre hinweg sehr günstige Finanzierungskosten ermöglichten. Dadurch konnten wirtschaftlich angeschlagene Firmen trotz schlechter Geschäftslage weiter bestehen. Mit steigenden Zinsen erhöhten sich jedoch die Kosten für die Kreditrückzahlung, was zahlreiche Unternehmen in Bedrängnis brachte.

Auch wenn die EZB inzwischen – genauer gesagt seit September 2023 – wieder auf Zinssenkungen setzt, befeuert die zuvor restriktive Geldpolitik der Notenbank in Frankfurt die Pleitewelle. Auch wenn die Zinssenkungen die Wirtschaft ankurbeln und die Kreditvergabe erleichtern sollen, dauert es in der Regel eine gewisse Zeit, bis die Zinsmaßnahmen ihre Wirkung entfalten.

Erwähnenswert ist jedoch auch, dass sich ein Teil des massiven Anstiegs der Insolvenzen im Juli laut IWH durch ein bekanntes saisonales Muster erklären lässt: Zu Beginn des Halbjahrs steigt die Zahl der Insolvenzanmeldungen erfahrungsgemäß deutlich an. Viele Unternehmen und ihre Berater knüpfen Entscheidungen über einen Insolvenzantrag an Bilanzstichtage, die oft in diese Zeit fallen. Verstärkt wurde dieser Effekt in diesem Jahr dadurch, dass der Juli mit 23 Arbeitstagen das Maximum an möglichen Gerichtsterminen für Pleitefälle bot.

Besonders belastend: Auch in nächster Zeit ist mit keiner Besserung der Situation zu rechnen. Die Insolvenzwelle bei den Personen- und Kapitalgesellschaften wird wohl im laufenden Jahr anhalten und könnte sich sogar noch weiter verschärfen.

Insbesondere die IWH-Frühindikatoren geben Anlass zur Sorge. Diese erreichten im Juli den bislang höchsten Stand seit Beginn der Erhebung im Januar 2020 und lagen rund acht Prozent über dem bisherigen Spitzenwert vom Juli 2024. „Die Höhe der Frühindikatoren ist ungewöhnlich und lässt auch für den Herbst hohe Insolvenzzahlen erwarten“, so Müller.

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