
In der Causa Brosius-Gersdorf lässt die SPD nicht locker. Längst hat sie die Debatte rund um die Verfassungsrichter-Kandidatin zur linken Grundsatzfrage hoch eskaliert. Als am Freitag auf Unions-Drängen ihre Wahl von der Tagesordnung verschwand, dachten offenbar einige in der CDU, dass man die Personalie im Einvernehmen mit dem Koalitionspartner loswird.
Aber nicht mit der SPD. Für sie und ihre Basis ist Brosius-Gersdorf jetzt Kulturkampf-Thema Nummer eins. Den Rückzieher der CDU/CSU-Fraktionsspitze vom Freitag nach massivem innerparteilichen Druck will man nun revidieren. Das Signal ist klar: Für die SPD ist die Kandidatin nicht vom Tisch – im Gegenteil, man sieht sich jetzt im Kampf gegen „rechte Narrative“ und vermeintliche Frauenfeinde.
Merz‘ Argument, dass die Abstimmung über die Richter in Karlsruhe eine freie Entscheidung der Abgeordneten ist und keine Sache, die die CDU von oben als Koalitionssache erzwingen kann, will man nicht durchgehen lassen. Man dürfe sich „nicht hinter Gewissensentscheidungen verstecken“, erklärte jetzt SPD-Fraktionsgeschäftsführer Dirk Wiese bei Politico.
Es läuft damit immer weiter darauf hinaus, dass Brosius-Gersdorf doch noch wieder auf der Tagesordnung landet. Grund ist dabei natürlich auch, dass der von der Unionsfraktion am Freitag nach außen kommunizierte Plagiatsvorwurf rein vorgeschoben ist und schnell in sich zusammenfiel – auch wenn natürlich viel eher Brosius-Gersdorfs Positionen zu Staats- und Verfassungsrecht für Bauchschmerzen bei CDU-Abgeordneten führten.
An diesem Punkt konnte jetzt die SPD anknüpfen, um die Ablehnung der Richter-Kandidatin auf eine Art rechte Fake-News-Kampagne zurückzuführen und jetzt in die Offensive zu gehen. Am liebsten wünscht man sich bei den Sozialdemokraten, dass die Unionsführung auch mit diesem Argument jetzt ihre Leute weiter bearbeitet und so doch noch Brosius-Gersdorf zustimmt – womöglich nach einer Art „klärendem Gespräch“, das Einwände ausräumt.
Ob das aber bei dem innerparteilichen Druck in der Union möglich ist, bleibt fraglich. Möglich wäre am Ende immer noch, dass es genügend Abweichler gibt, um ihre Kandidatur scheitern zu lassen. Eine gesichtswahrende Option für beide Parteien, die aber womöglich Koalitionssprengstoff liefert, wäre dann noch, einfach offen in die Abstimmung zu gehen.
Nach dem Motto: Merz erklärt die Personalie zur Gewissensfrage, gibt seiner Partei so Raum, die Kandidatin abzulehnen, während die SPD ihrer Basis klarmachen kann, dass sie nicht klein beigegeben hat – und Brosius-Gersdorf am Ende nur an einer Art „rechten Verrat“ der Union scheitert. Danach könnte die Richterwahl an den Bundesrat fallen, wo SPD- und CDU-Landeschefs womöglich völlig neue Kandidaten (sowohl von CDU als auch SPD) in „staatspolitischer Verantwortung“ absegnen.
Damit wäre die Krise formell gelöst – noch mehr Ärger innerhalb der Bundesregierung stünde aber wohl auf dem Plan. Mit einem Punkt hat Merz tatsächlich recht: Die Richterwahlen sind eigentlich gar keine Koalitions- oder Regierungsfrage, sondern waren bisher gegenseitiges Absegnen von oberflächlich meist unkontroversen Kandidaten, die man nach Parteiproporz bestimmt. Und zwar egal, ob SPD oder CDU in der Koalition sind oder sich gar gegenseitig als Regierungs- und Oppositionsparteien gegenüberstellen. Wenn klar ist, dass ein Richterkandidat für Karlsruhe keine Aussicht auf eine Zwei-Drittel-Mehrheit hat, zieht man ihn üblicherweise zurück.
Nicht so die SPD. Sie will stattdessen, dass die Union nachgibt. Es läuft in der Frage Brosius-Gersdorf also auf mehr Konfrontation – oder ein CDU-Nachgeben hinaus. Und damit auch auf Krach innerhalb der Koalition oder der CDU.