Niederlage für Claudia Roth, Sieg für die Meinungsfreiheit

vor etwa 6 Stunden

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Als Staatsministerin für Kultur machte Claudia Roth Druck beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels mit dem Ziel, eine finanzielle Strafexpedition gegen den Lau-Olzog-Verlag und dessen Autor Martin Wagener zu starten, Verfasser des Sachbuchs „Kulturkampf um das Volk. Der Verfassungsschutz und die nationale Identität der Deutschen“. Dieser Versuch endete nun vorerst vor dem Landgericht Frankfurt/Main mit einer krachenden Niederlage für die Grünenpolitikerin und den Börsenverein.

Wie kam es überhaupt zu der Kampagne gegen einen Verlag, für die es in der bundesdeutschen Literaturgeschichte kein Vorbild gibt? Wageners Buch, erschienen 2021, entstand während der Corona-Zeit, in der es aufgrund der politischen Maßnahmen weder Buchmessen noch Lesungen gab. Um die wirtschaftliche Unsicherheit von Verlagen zu mildern, legte die Bundesregierung damals das Programm „Neustart Kultur“ auf, aus dem auch bescheidene Druckkostenzuschüsse an Verlagshäuser flossen. Bewerben konnte sich jedes Unternehmen, das die formalen Kriterien erfüllte. So auch der Lau-Verlag, ein kleiner, privat geführter Verlag. Er erhielt für das Wagener-Buch einen Druckkostenzuschuss von 7 500 Euro, ausgezahlt vom Börsenverein, der das Geld aus dem Topf der Staatsministerin damals verteilen durfte.

Wageners Buch zielte mitten in die Argumentation des Verfassungsschutzes, der damals sein Gutachten zur AfD vorbereitete. Nach Ansicht des Nachrichtendienstes stellt sich schon jemand gegen die Verfassung, der überhaupt eine gewachsene historisch-kulturelle deutsche Identität behauptet. Das in dem Buch kritisierte Bundesamt für Verfassungsschutz verfasste im Juni 2023 eine schriftliche Attacke auf Wageners Buch unter dem Etikett eines „Gutachtens“, das sich allerdings gar nicht erst die Mühe machte, überhaupt den Begriff „verfassungswidrig“ zu definieren. Auftraggeber: Roths Staatsministerium für Kultur und Medien. Auf Druck des Verfassungsschutzes hatte der BND schon vorher Wageners Sicherheitseinstufung aufgehoben, was bedeutet, dass er nicht mehr am „Zentrum für Nachrichtendienstliche Aus- und Fortbildung“ der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung lehren darf. Und damit nicht genug: Der Börsenverein verlangte, nachdem das im Auftrag entstandene Verfassungsschutzpapier vorlag, den Druckkostenzuschuss aus dem Roth-Topf von dem Verlag mit der Begründung zurück, Wageners Werk sei verfassungswidrig, und sei deshalb nicht förderungswürdig gewesen. Ohne politischen Druck aus dem Hause Roth wäre ein solches Vorgehen des Börsenvereins gegen eines seiner Mitglieder angesichts der sehr überschaubaren Summe kaum denkbar gewesen. Soweit bekannt richtete sich ansonsten keine Rückforderung gegen einen der hunderten Verlage, die der seinerzeit den Corona-Zuschuss erhielten. Der Lau-Verlag verweigerte die Rückzahlung und verwies darauf, dass das Buch den Förderkriterien voll und ganz entspreche – und die für die Auszahlung des Zuschusses Verantwortlichen damals auch keinerlei Beanstandungen vorbrachten.

Weil man beim Börsenverein wohl erkannte, dass das inhaltlich dünne und offenbar eilig zusammengeschusterte Verfassungsschutzpapier für eine rechtliche Auseinandersetzung nicht ausreichte, beauftragte die Körperschaft Rechtsprofessor Alexander Thiele, Prorektor der BSP Business and Law School, mit einem ausführlichen Gutachten zu „Kulturkampf um das Volk“. Auch Thiele vermochte auf 38 Seiten keine einzige verfassungswidrige Stelle bei Wagener aufzuspüren, und flüchtete sich deshalb in wolkige Formulierungen wie „Graubereich“ und angebliche Verfassungsfeindlichkeit „zwischen den Zeilen“. Unter anderem heißt es in Thieles Ausführungen, Wageners Thesen „können sich diesem Graubereich insofern auch dann wenigstens partiell annähern, wenn sie eine ausdrückliche und insbesondere rechtliche Differenzierung zwischen kulturellen und sonstigen Deutschen nicht vornehmen oder sogar explizit ablehnen, sofern sich aufgrund der Lektüre eine dahinterliegende andere ‘eigentliche‘ Ansicht nachgerade aufdrängt. […] Insoweit wird sich der Autor oder die Autorin ab einem bestimmten Zeitpunkt auch nicht mehr darauf berufen können, dass einzelne Aussagen und Passagen für sich genommen jeweils einer verfassungsfreundlichen Interpretation zugänglich wären, wenn und weil sich die zwischen den Zeilen hervortretende verfassungsfeindliche Ansicht aufgrund dieses kontextbezogenen Gesamteindrucks dann nicht mehr glaubhaft leugnen lässt. Wann diese Schwelle überschritten ist, wird man oftmals aber erneut nicht punktgenau angeben können.“

Mit der einzigen juristisch relevanten Frage befasste sich Thiele gar nicht erst. Nämlich: Existieren überhaupt formale Rückforderungsgründe? Schließlich hatte der Verlag eine zutreffende Projektbeschreibung zu dem Buch zusammen mit dem Förderungsantrag eingereicht. Das Geld wurde auf dieser Grundlage bewilligt. Bei Alexander Thiele handelt es sich übrigens um einen der führenden Köpfe des Aufrufs linker Juristen, die die inzwischen gescheiterte SPD-Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht Frauke Brosius-Gersdorf vehement unterstützten.

Das Landgericht Frankfurt/ Main schaute offenbar auf genau diese formalen Umstände. In seinem Urteil vom 29. August wie es die Klage des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels gegen den Lau-Verlag als unbegründet ab. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig; eine Berufung des Börsenvereins ist möglich. Schon jetzt dürften allerdings die Kosten für das Verfahren und das Gutachten den in Rede stehenden Zuschuss von 7500 Euro bei weitem übersteigen.

„Der Lau-Verlag freut sich, dass dem Urteil aus Frankfurt klar zu entnehmen ist, dass das Buch „Kulturkampf um das Volk“ von Prof. Dr. Martin Wagener keine verfassungsfeindlichen Aussagen enthält“, kommentiert Inhaber Willi Lau die Gerichtsentscheidung auf Anfrage von TE: „Genau das hatten zuvor ja auch mehrere Rechtswissenschaftler, das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit und die sehr tiefe Analyse von Mathias Brodkorb festgestellt. Verlag und Autor sind vor der Drucklegung zudem von mehreren Korrektoren unterstützt worden – auch sie hatten keine problematischen Passagen erkannt. Unser Eindruck war immer: Einige Personen in Politik und Medien konnten mit der sehr direkten, aber immer sachlichen Kritik am Verfassungsschutz nicht umgehen.“

Alles in allem dürfte das konzertierte Vorgehen von Roth und dem Börsenverein Wageners Buch ein gutes Stück zusätzlicher Bekanntheit verschafft haben.

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