
Als CDU, CSU und SPD zusammen mit Grünen und Linken die Schuldenbremse lösten, um künftig ungebremst Staatsschulden machen zu können, hat TE eine lose Serie gestartet. Sie erhielt den Claim, eine Mischung aus Namen und wiederkehrendem Motiv: “Sie prügeln sich ums Geld.” Dahinter steckte die Idee, dass der Wechsel zu einer hemmungslosen Schuldenpolitik folgenden Effekt auslösen würde: Wenn der Staat 850 Milliarden Euro zusätzlich auf Pump aufnimmt, werden viele denken, nun sei alles möglich. Das wiederum führt zu Verteilungskämpfen. Ergo: Sie prügeln sich ums Geld.
Vergangene Woche hat Finanzminister Lars Klingbeil den Entwurf für den Bundeshaushalt des laufenden Jahres vorgestellt sowie die Finanzplanung für das kommende Jahr. Der SPD-Vorsitzende hat darin viele berücksichtigt: Die Rüstungsindustrie kann sich über einen Aufwuchs von rund 50 auf 150 Milliarden Euro im Jahr freuen. Der Sozialetat – allein des Bundes – wächst von 175 auf 190 Milliarden Euro schon dieses Jahr. Und wer Radwege in Peru plant oder erfundene Klimaschutzprojekte in China, der kann weiterhin auf deutsches Geld hoffen.
Nur eine Gruppe ist in Klingbeils Plänen leer ausgegangen: die Menschen, die den ganzen Spaß erwirtschaften. Die Arbeitnehmer. Sie sollten ebenfalls von einer niedrigeren Stromsteuer profitieren. Steht so im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD. Aber der ist aus dem Mai. Also schon Geschwätz von vorvorvorgestern – und somit längst nicht mehr verbindlich für die schwarz-rote Koalition. Folglich bleibt die Stromsteuer für private Haushalte oben. Nur Unternehmen profitieren von einer Senkung. Und auch da nur ausgewählte. Darauf hat sich der rote Finanzminister mit den anderen, mehrheitlich schwarzen Ministern der Bundesregierung in den vertraulichen Vorgesprächen geeinigt.
Doch nun fällt die Union dem Finanzminister in den Rücken. Zuerst haben Kanzleramtsminister Thorsten Frei und der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst die Regelung in Frage gestellt. Jetzt gibt es ein Papier, das die Fraktionsvorsitzenden der Union in den Landtagen sowie Jens Spahn im Bundestag unterschrieben haben. Sie fordern darin, dass die schwarz-rote Koalition die Stromsteuer auch für Privathaushalte auf das von der EU vorgegebene Mindestmaß senkt.
Damit führt die Union die SPD so vor wie zu besten Zeiten ihrer Kanzlerin Angela Merkel: Der SPD-Vorsitzende Klingbeil muss jetzt als Finanzminister entweder dem Druck der Union nachgeben und die Stromsteuer auch für Privathaushalte senken. Das wäre eine politische Niederlage für ihn. Alternativ dazu ist er der Mann, der dafür kämpft, dass private Haushalte weiter hohe Stromsteuern bezahlen müssen. Das bedeutet einen Auswärtssieg für die CDU.
Denn eigentlich ist die SPD die Partei, die sich für Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen einsetzt. Also zumindest sagt sie das alle vier Jahre, dass da bisher zu wenig passiert sei und die Genossen sich jetzt für diese Zielgruppe einsetzen wollten. Nur waren sie halt in 23 der letzten 27 Jahren in der Bundesregierung und daher gibt es immer weniger Wähler, die der SPD glauben, dass sie mit den hohen Belastungen für Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen nichts zu tun habe. 16,4 Prozent waren es bei der letzten Wahl.
Vor diesem Hintergrund wird sich die SPD im Koalitionsausschuss kaum erfolgreich gegen die Senkung der Stromsteuer für Privathaushalte stemmen können. Für Klingbeil die nächste Niederlage nach seinem miesen Ergebnis in der Vorstandswahl auf dem Parteitag. Er hat sich in den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt und die Schuldenbremse gelöst. 850 Milliarden Euro nimmt der Bund in den nächsten vier Jahren auf. Die Hälfte der Schulden, die alle Regierungen in den 76 Jahren zuvor gemacht haben. Das weckt Begehrlichkeiten. Da versteht keiner mehr, warum die Stromsteuer ausgerechnet für private Haushalte oben bleiben muss. Wenn sich alle aus dem Topf bedienen, wollen auch die Normalverdiener etwas von dem Schuldensegen haben. Sie prügeln sich ums Geld. Und zumindest die Normalverdiener haben jedes Recht dazu – sie bezahlen schließlich den ganzen Spaß.