
In einem wegweisenden Urteil hat das Landgericht Berlin II den Antrag des dezidiert linken Fotojournalisten Hardy Krüger auf eine einstweilige Verfügung gegen das Nachrichtenportal NIUS vollständig abgewiesen. Krüger, der sich selbst als leidenschaftlicher Beobachter der rechten politischen Szene wähnt, fühlte sich durch einen NIUS-Artikel in seiner Berufsehre verletzt und warf dem Medium vor, ihn fälschlich als Denunzianten darzustellen. Das Gericht hingegen urteilte zugunsten von NIUS: Die Berichterstattung sei ein legitimer Beitrag zum „geistigen Meinungskampf“ über mediale Praktiken und überwiege das Persönlichkeitsrecht des Klägers.
Der Streit dreht sich um einen NIUS-Artikel vom 16. Juni 2025 mit dem Titel „Wie Antifa-Fotografen die Teilnehmer eines privaten Sommerfests ablichteten“. Darin beschrieb NIUS, wie Krüger und andere Fotografen beim Sommerfest der konservativen Wochenzeitung „Junge Freiheit“ in Berlin-Wilmersdorf auftraten: Bei 30 Grad Hitze positionierten sie sich mit Teleobjektiven und fotografierten nahezu alle der rund 500 eintreffenden Gäste. Die private Veranstaltung besuchten – neben Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen, AfD-Chef Tino Chrupalla und Staatsrechtler Ulrich Vosgerau – auch Hunderte unbekannte Privatpersonen, mitunter sogar mit ihren Kindern. Die Bilder wurden kurz darauf online gestellt.
NIUS stellte Krüger als Teil eines „Systems des bewussten Outings“ dar, in dem linke Aktivisten unter dem Deckmantel des Journalismus Personen mit konservativen oder rechten Ansichten an den „öffentlichen Pranger“ stellten – eine Praxis, die immer wieder zu beruflichen Nachteilen, Cancel-Versuchen und sogar Gewalt führen kann.
Krüger, der unter dem Label „Presseservice Rathenow“ arbeitet und Fotos von Demonstrationen an zahlreiche Medienhäuser verkauft hat, sah in der Berichterstattung eine unzulässige Identifizierung und Denunziation seiner Person. Er forderte die Unterlassung der Wort- und Bildberichte und argumentierte, NIUS bezichtige ihn fälschlich, Fotos an Arbeitgeber oder Schulen weiterzuleiten. Zudem berief er sich auf sein Persönlichkeitsrecht nach Artikel 2 und 1 des Grundgesetzes. In einer eidesstattlichen Versicherung bestritt er, politisch motiviert zu handeln, und betonte, er dokumentiere lediglich öffentliche Ereignisse.
Doch das Gericht folgte dieser Sichtweise nicht. In dem Urteil der 27. Zivilkammer vom 12. August, welches NIUS vorliegt und ohne mündliche Verhandlung erging, wies es den Antrag als unbegründet zurück und lud Krüger die Kosten des Verfahrens auf.
Das Gericht betonte in seiner Begründung die Abwägung zwischen Krügers Persönlichkeitsrecht und der Meinungs- und Pressefreiheit von NIUS nach Artikel 5 GG. „Der Antragsteller kann zunächst nicht die Unterlassung einer identifizierenden Berichterstattung über seine Person durch den streitgegenständlichen Artikel verlangen“, heißt es im Urteil. Die Berichterstattung betreffe zwar Krügers „Berufsehre und soziale Anerkennung“, da sie „geeignet ist, Zweifel an seiner Integrität bei der Ausübung seines Berufs zu begründen“. Dennoch sei sie nicht rechtswidrig: „Bei umfassender Würdigung aller Umstände des Einzelfalles gebührt dem Persönlichkeitsschutz des Antragstellers kein Vorrang vor dem Berichtsinteresse der Antragsgegnerin. Die vorzunehmende Gesamtabwägung [...] fällt vorliegend zu Gunsten der Antragsgegnerin aus, da es sich bei den angegriffenen Äußerungen im Wesentlichen um zulässige Werturteile und wahre Tatsachenbehauptungen handelt.“
Ausführlich begründete das Gericht, warum NIUS’ Darstellung als Meinungsäußerung geschützt ist: „Die streitgegenständliche Berichterstattung ist entscheidend durch Elemente des Dafürhaltens und Meinens geprägt.“ Sämtliche dieser Äußerungen enthielten zwar eine subjektive Wertung, die mit tatsächlichen Bestandteilen der Äußerungen untrennbar verbunden seien und sich deshalb insgesamt als Meinungsäußerungen darstellen. Für diese gebe es „hinreichende tatsächliche Anknüpfungspunkte“, da Krüger „nicht in Abrede stellt, das streitgegenständliche Sommerfest beobachtet und dabei nicht nur prominente, sondern auch zahlreiche einer breiten Öffentlichkeit unbekannte Teilnehmer und zum Teil sogar Kinder mit einer mit einem Teleobjektiv ausgestatteten Kamera fotografisch festgehalten sowie seine Fotos sodann der Öffentlichkeit online zugänglich gemacht zu haben.“ Dies, so die Richter, reiche aus, um die These von NIUS – Personen mit „liberalen, libertären, konservativen und rechten Ansichten“ würden einem „öffentlichen Pranger“ ausgesetzt – nicht als „willkürlich ‚aus der Luft gegriffen‘“ zu werten.
Das Gericht wies auch Krügers Vorwurf zurück, NIUS unterstelle ihm direkte Denunziation: „Der vom Antragsteller behauptete Eindruck, er selbst würde die von ihm gefertigten Lichtbilder denunziatorisch gegen Teilnehmer politisch ‚rechter‘ Veranstaltungen einsetzen, wird durch die streitgegenständliche Berichterstattung nicht hervorgerufen.“ Stattdessen habe NIUS lediglich wahre Vorgänge berichtet und Schlussfolgerungen den Lesern überlassen – eine „Kernaufgabe einer freien und unabhängigen Presse“. Selbst wenn die Äußerung mehrdeutig sei, habe NIUS klargestellt, dass Dritte, nicht Krüger selbst, Fotos weiterleiteten.
Besonders hebt das Urteil den öffentlichen Wert der NIUS-Recherche hervor: „Zu Gunsten der Zulässigkeit der angegriffenen Äußerungen fällt zudem erheblich ins Gewicht, dass der Artikel einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage liefert, weshalb eine Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede spricht.“
Die These von einem „medialen System des ‚bewussten Outings‘ abweichender Meinungen“ sei von „hohem öffentlichen Interesse“. NIUS habe zudem die Anknüpfungstatsachen offengelegt, was den Eingriff mildere: „Es steht dem Leser daher frei, diese selbst zu bewerten und zu einer anderen Meinung zu kommen.“
Antifa-Fotografen lichteten die Teilnehmer eines privaten Sommerfests ab.
Auch die Veröffentlichung von Fotos Krügers – darunter solche vor kommunistischen Symbolen wie einer Lenin-Statue – sei zulässig, da sie Bildnisse „aus dem Bereich der Zeitgeschichte“ darstellten. „Der gesamten Berichterstattung kommt [...] ein erheblicher Informationswert zu“, urteilte das Gericht. Krügers Handeln in der Öffentlichkeit, wo er „mit einer intensiven (Gegen-)Beobachtung durch die Presse rechnen musste“, überwiege sein Schutzinteresse. Es führe nicht zu „Stigmatisierung, Ausgrenzung oder Prangerwirkung“, sondern diene der Veranschaulichung.
Der Antifa-Fotograf neben einer Statue des Massenmörders Wladimir Iljitsch Lenin
Zudem dürfte das Urteil weitere Fragen hinsichtlich einer Verschleierungstaktik von sogenannten Antifa-Fotografen aufwerfen. In der Stellungnahme vor Gericht hatte NIUS argumentiert, Krügers Adresse – eine c/o-Anschrift bei einem Verein in Rathenow, die sich als Physiotherapiepraxis entpuppte – sei eine „Verschleierungstaktik“, um Vollstreckungen zu erschweren. Das Gericht ließ diese Frage offen, verwies aber mit Blick auf die fadenscheinige Adresse darauf, dass der Antrag bereits unbegründet sei.
In der Goethestraße 40, der Adresse, die der Antifa-Fotograf Krüger als Impressum für seinen Presseservice Rathenow aufweist, sitzt ein Physiotherapeut. Daneben hängt ein heruntergerockter Briefkasten an einem Gartentor, wie Bilder zeigen, die NIUS vorliegen. Dort teilt sich Krüger wohl die Adresse mit der Antifa Westhavelland, dem Freibeuter e.V. und dem Café „Handgemenge“, das sich bereits mit der Linksextremistin Lina E. solidarisierte.
Krüger weist in Rathenow den Freibeuter e.V. als seine Anschrift im Impressum aus. An der Goethestraße 40 soll auch das Lina E.-Soli-Café „Handgemenge“ und die Antifa Westhavelland sitzen.
Man könnte angesichts dieses Briefkastens auf die Idee kommen, dass der freie Journalist womöglich nicht die objektivste Quelle ist – und mit seiner Fotopraxis eher Feindmarkierung von Rechten denn ein aufrichtiges Informationsinteresse im Sinn hat.
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