
Nach der öffentlichen Kritik an Saskia Esken aus der eigenen Partei gibt es immer mehr Stimmen in der SPD, die einen Rücktritt der Bundesvorsitzenden fordern. Sie „klebt wie Pattex am Parteivorsitz. Dabei ist sie weder an der Parteibasis noch in der Bevölkerung beliebt“, meinte etwa Gerhard Gaise, Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion in Freudenstadt – dem Verband von Esken – gegenüber der Süddeutschen Zeitung.
Im Wahlkreis Calw holte die SPD-Politikerin bei der Bundestagswahl 12,9 Prozent der Erststimmen und erreichte somit nur den dritten Platz hinter dem Direktkandidaten der CDU und der AfD. Das Ergebnis und Eskens Verhalten in den Sondierungsgesprächen sorgten dann für Kritik. „Sie sollte daher noch vor dem Sonderparteitag im Juni erklären, dass sie den Bundesvorsitz zur Verfügung stellt“, erklärte Gaise weiter.
„Saskia Esken verkörpert den Niedergang der SPD, mit ihr hat die Partei keine Zukunft“, gab überdies Manfred Stehle zu bedenken, der Mitglied im Kreisverband Calw ist. Sie werde hoffentlich noch bis zur Besetzung der Ministerämter „wegbefördert“, sagte außerdem ein anonymer SPD-Abgeordneter. Denn Esken, die in den Koalitionsverhandlungen eine wichtige Rolle einnehmen wollte, strebt jetzt möglicherweise auch einen Kabinettsposten an, beispielsweise im Bildungsministerium. Auch das Verkehrs- und Familienministerium sollen im Raum stehen, berichtete die Bild.
Nach der Bundestagssitzung am Dienstag, bei der Union, SPD und Grüne für die Grundgesetzänderung stimmten, durch die eine Neuverschuldung ermöglicht werden soll, war Esken zudem durch eine Urlaubsreise in den Fokus gerückt (Apollo News berichtete). Zwar nahm sie stundenlang an parteiinternen Schaltkonferenzen teil und gehört nicht den bis zum Wochenende verhandelnden Arbeitsgruppen von Union und SPD an.
Dass sie im Gegensatz zu Lars Klingbeil nicht die in den kommenden Tagen stattfindende Chefrunde der beiden Parteien vorbereitete, wo die Verhandlungen abgeschlossen und somit ein Koalitionsvertrag vorgelegt werden soll, sorgte laut Bild aber für interne Kritik. Schon zuvor wurde Eskens Stellung in der SPD bekämpft, zahlreiche Abgeordnete und Kommunalpolitiker forderten ihren Rücktritt und setzten sich für eine Einzelspitze mit Klingbeil ein.
Klingbeil, der nach der mit 16,4 Prozent historisch schlecht ausgefallenen Bundestagswahl auch zum Fraktionsvorsitzenden gewählt worden war, gilt in großen Teilen der Partei als bevorzugte Führungskraft. „Für die Genossin Esken sehe ich eigentlich keine weiteren Aufgaben in der Parteiführung, die letztlich für die SPD auch Fortschritt und Mehrwert bringen könnte“, sagte etwa der Fürther Oberbürgermeister Thomas Jung, Deutschlands dienstältester Großstadtoberbürgermeister, dem Tagesspiegel.
Ähnlich äußerte sich auch die langjährige SPD-Abgeordnete Dagmar Freitag. „Es wäre sicher für uns deutlich besser gewesen, wenn es so manche Äußerung und manches Interview von Saskia Esken nicht gegeben hätte“, erklärte die 72-Jährige der Zeitung. Bezüglich des schlechten Abschneidens der SPD-Politikerin erklärte Freitag, Esken habe „erkennbar keine Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern“.