
TV-Satiriker Jan Böhmermann stellt seine ZDF-Sendung zunehmend in den Dienst eines moralischen Selbstverständnisses, das behauptet, die Demokratie gegen rechte Umtriebe verteidigen zu müssen. Was ihm – wie vielen öffentlich-rechtlichen Mitarbeitern und etlichen Journalisten – offenbar nicht bewusst ist: Auch sie selbst sind längst Opfer des Algorithmus, genau wie die Anhänger von Putin, Neonazis, Islamisten oder Free-Gaza-Demonstranten.
Das eigentliche Problem liegt darin, dass man sich bei allen kontroversen Themen zwingen muss, auch gegensätzliche Perspektiven zu verstehen und zu analysieren. Wer ausschließlich die Süddeutsche Zeitung und den Spiegel liest, sollte auch mal zur Welt oder NZZ greifen und umgekehrt. Wer regelmäßig Maischberger schaut, sollte gelegentlich auch Joe Rogan zuhören. Und wer sich tiefer mit Themen auseinandersetzen will, sollte längere Studien und Bücher heranziehen.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk jedoch wird von allen Bürgern finanziert. Er sollte sich weder auf eine politische Weltanschauung festlegen, noch gezielt daran mitwirken, Meinungs-, Kunst- und Pressefreiheit einzuschränken. Es wird häufig pauschal angenommen, dass jeder, der Migration begrenzen will, in Wahrheit ein Nazi sei – am liebsten bereit, Migranten zu erschießen.
Dazu passt auch das Gutachten des Verfassungsschutzes zur AfD, in dem hunderte Aussagen gesammelt wurden – viele davon hätten auch Helmut Schmidt, Helmut Kohl oder das ZDF-Magazin vor 20 Jahren so treffen können.
Böhmermann bezeichnet in sozialen Medien regelmäßig Vance, Rubio und Trump als Faschisten – und das darf er, auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Aber dann muss es auch eine Sendung geben, ebenfalls von Gebührenzahlern finanziert, in der offen die strafrechtliche Verfolgung von Faeser, Habeck und Baerbock gefordert werden darf – aufgrund mutmaßlicher vorsätzlicher Schädigung von Wirtschaft und innerer Sicherheit.
Die Strategie besteht darin, die Verfassung so auszulegen, dass missliebige Meinungen kriminalisiert und der öffentliche Diskurs gleichgeschaltet wird. Weil andere mediale Räume fehlen, passen viele Bürger ihr Weltbild an das dominante Narrativ an – und glauben schließlich selbst daran.
Böhmermann, Illner, Kebekus & Co. sind überzeugt, moralisch auf der richtigen Seite zu stehen. Wer widerspricht, gilt als dumm, radikal oder Propagandaopfer. Doch gerade öffentlich-rechtliche Redakteure sollten sich zwingen, regelmäßig auch mediale Gegenpositionen zu konsumieren. Nicht, um ihre Meinung zu ändern – sondern um zu erkennen, dass sie selbst es sind, die den Rechtsstaat gefährden, wenn sie die freie Meinungsäußerung unterbinden wollen.
Es muss erlaubt sein, wie in den USA, auch hier jede Meinung frei zu äußern – auch beleidigend –, ohne dass Strafverfolgung droht. Zivilklagen sind möglich, ja. Aber dass Staatsanwälte sich mit Meinungen und Beleidigungen beschäftigen, ist ein Skandal. Ihre Aufgabe ist es, Verbrecher zu jagen – nicht Bürger, die einen Politiker ein „dummes Arschloch“ nennen. Denn leider wissen wir: In 80 Prozent der Fälle trifft diese Einschätzung durchaus zu.