
In dem betreffenden Fall hatten zwei Männer einen Vertrag unterzeichnet, der vorsah, dass im Falle von Konflikten ein Schiedsgericht „auf der Grundlage des islamischen Rechts (Ahlus-Sunnah wal-Jamaah) in Übereinstimmung mit der Billigkeit in der Angelegenheit nach bestem Wissen und Gewissen“ entscheiden sollte.
Der Begriff Ahlus-Sunnah wal-Jamaah bezeichnet die sunnitische islamische Gemeinschaft. Nachdem es zu einem Konflikt zwischen den beiden Männern gekommen war, entschied das Schiedsgericht gegen den Kläger und verpflichtete ihn zur Zahlung von 320.000 Euro. Der Kläger reichte daraufhin Klage beim Landgericht Wien für Zivilsachen ein. Er argumentierte, dass die Anwendung des islamischen Rechts willkürlich sei, da Gelehrte die Scharia unterschiedlich auslegten. Darüber hinaus verstoße die Berufung auf die Scharia gegen die Grundwerte des österreichischen Rechts.
Das Gericht befand jedoch, dass die Entscheidung des Schiedsgerichts rechtmäßig war. Ob hier islamische Rechtsvorschriften angewendet wurden, konnte laut Landesgericht nicht überprüft werden. Das Ergebnis des Schiedsgerichts widersprach nicht den österreichischen Grundwerten, und das war alles, was zählte. Islamische Rechtsvorschriften, betonte das Landesgericht, könnten „in einer Schiedsvereinbarung für Vermögensansprüche wirksam vereinbart werden“.
Das Gerichtsurteil hat eine Welle der Kritik über die „Islamisierung“ Österreichs ausgelöst. „Dies öffnet dem politischen Islam noch mehr Tür und Tor“, schrieb Michael Schilchegger, Abgeordneter und Sprecher für Verfassungsrecht der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), in einer Pressemitteilung. „Das Urteil stärkt islamische Parallelgesellschaften in Österreich und schwächt diejenigen Kräfte, die sich dem Islam nicht unterwerfen wollen. Ein trauriger Tag für den säkularen Rechtsstaat.“
Sein Parteikollege Manfred Haimbuchner schloss sich dieser Meinung an und schrieb: „Die Scharia ist mit dem österreichischen Rechtsverständnis unvereinbar und verstößt gegen alle mir bekannten moralischen Standards. Leider ist unser Rechtsstaat derzeit machtlos gegen diese Form des Islam.“
Nicht nur Konservative sind über das Urteil des Gerichts empört. Die Türkische Kulturgemeinschaft (TKG), eine Vereinigung säkularer Türken in Österreich, protestierte gegen die Entscheidung, die Scharia „als Recht“ anzuerkennen, und verwies auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) aus dem Jahr 2003, nach dem die Scharia und die daraus resultierende Einführung eines parallelen Rechtssystems in Europa verboten sind.
„Die Entscheidung des Wiener Gerichts ist ein schwerwiegender Eingriff, heute in die säkulare Wirtschaft, morgen vielleicht in Produktions-, Dienstleistungs- und Vertriebsvorschriften“, schrieb Melissa Günes, Generalsekretärin der TKG.
Der aus dem Englischen übersetzte Beitrag erschien zuerst bei Brussels Signal.