Österreichs Ex-Kanzler Kurz heute erneut vor Gericht

vor 21 Tagen

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Bildquelle: Tichys Einblick

„Ein Auftritt vor dem OLG ist schlimmer als drei Zahnarzttermine“, meint dazu ein Wiener Top-Anwalt: Ab 9 Uhr muss sich Sebastian Kurz am Oberlandesgericht Wien (OLG) als Beschuldigter verantworten. Es geht um seine Verurteilung wegen Falschaussage vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss. Heute entscheidet ein dreiköpfiger Senat über die Berufung. Die öffentliche Verhandlung ist für drei Stunden angesetzt, Zeugen sind keine geladen.

In der ersten Instanz war Sebastian Kurz zu acht Monaten bedingter Haft verurteilt worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der frühere ÖVP-Chef im U-Ausschuss zur Bestellung von Aufsichtsräten in der Staatsholding ÖBAG nicht die volle Wahrheit gesagt habe. Konkret soll er den Eindruck erweckt haben, mit der Auswahl nichts zu tun gehabt zu haben – obwohl er laut Richter faktisch eingebunden war.

Kurz hatte gegen das Urteil volle Berufung eingelegt, ebenso wie sein damaliger Kabinettschef Bernhard Bonelli, der zu sechs Monaten bedingter Haft verurteilt worden war. Beide bestreiten weiterhin jede vorsätzliche Falschaussage.

Die Anwälte von Kurz, Otto Dietrich und Walter Suppan, betonen, dass es sich bei der Verurteilung nicht um eine Lüge im engeren strafrechtlichen Sinne handle. Vielmehr sei Kurz’ Aussage unvollständig gewesen – was laut Strafrecht nicht automatisch strafbar sei. „Die Frage nach der Einbindung bei der Aufsichtsratsbesetzung hat Kurz im Ausschuss klar mit ‚Ja‘ beantwortet“, so die Verteidigung.

Während Kurz beim Thema ÖBAG-Vorstand freigesprochen wurde, blieb der Schuldspruch in Bezug auf die Aufsichtsräte bestehen. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hatte das erstinstanzliche Urteil nicht angefochten.

Der Berufungssenat des OLG Wien kann heute mehrere Entscheidungen treffen:

Bestätigung des Schuldspruchs inklusive Strafmaß, Milderung der Strafe, Freispruch in letzter Instanz oder eine Zurückverweisung an das Erstgericht. Ein heute gefälltes Urteil wäre in jedem Fall rechtskräftig – es sei denn, es wird eine Wiederaufnahme beantragt. Die Sprecherin des OLG, Susanne Lehr, betonte im Vorfeld, dass eine öffentliche Berufungsverhandlung bei zwei Angeklagten gesetzlich vorgesehen sei und nicht auf den Ausgang schließen lasse.

Das Verfahren sorgt weiterhin für großes Interesse – sowohl politisch als auch gesellschaftlich. Medienvertreter mussten sich im Vorfeld akkreditieren. Der ursprüngliche Prozess hatte sich über mehrere Monate im Jahr 2023 hingezogen – heute soll die Entscheidung in nur drei Stunden fallen.

Was vor Gericht niemand sagen wird, aber im polit-medialen Hintergund Österreichs immer mitspielt: Wann kommt Kurz wieder angesichts einer ÖVP, die dorthin abgestiegen ist, wo Kurz sie nach oben holte?

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