
Es ist die Ironie der politischen Geschichte: Wer gestern noch Gefahr lief, allzu großer Nähe zu russischen oder chinesischen Machthabern geziehen zu werden, könnte sich nun dem Vorwurf ausgesetzt sehen, das Sprachrohr der neuen amerikanischen Regierung zu sein.
Der US-amerikanische Vizepräsident JD Vance hat es erneut an Deutlichkeit nicht fehlen lassen. Bereits im letzten Jahr nutzte er die Münchner Sicherheitskonferenz zu einer deutlichen Kritik an der katastrophalen De-Industrialisierungspolitik Deutschlands. Da war er allerdings noch nicht mal Kandidat für den Posten des Vizepräsidenten und jetzt ist er der zweitmächtigste Mann der Vereinigten Staaten. Seinen diesjährigen Auftritt in München hat er in einem Gespräch mit dem Wall Street Journal vorbereitet. Die Demokratie sei nicht in Gefahr, weil Moskau sich in Wahlkämpfe einmische, sondern aufgrund der aus dem Ruder gelaufenen Migrationspolitik. Und wer migrationskritische Parteien aus der Regierungsbildung ausschließe, missachte den Willen der Wähler. Schon das saß.
In München schließlich bei der diesjährigen Konferenz legte er nach. Gedenken an die Opfer des gestrigen Anschlags in München, erneut Kritik an der Massenmigration und daran, dass deren Kritiker – wie die AfD – nicht mal zur Konferenz eingeladen waren. Schwerpunkt der Rede war der innere Zustand der deutschen und anderer europäischer Demokratien. Seine Sorge um die Meinungsfreiheit, der Eindruck, dass Europa keine positive Botschaft mehr ausstrahle.
Die Münchener Sicherheitskonferenz lauscht den Ausführungen den US-Vizepräsidenten.
Die Reaktionen wie erwartet: ampelnahe Medien wie der Berliner Tagesspiegel sehen in der Rede nur Kulturkampf und Floskeln, die Regierung verwahrt sich gegen Einmischung in den Wahlkampf. Einmischung? Große Güte! Wer eine Sicherheitskonferenz 10 Tage vor der Wahl, in der die innere und äußere Sicherheit eine Rolle spielt, veranstaltet, kann jeden inhaltlichen Beitrag dort als Einmischung abqualifizieren. Wir hoffen, dass die USA Europa nicht ganz alleinlassen bei dem Bemühen um Sicherheit in Europa – dann ist es nur gut, dass sie eine Meinung haben und sagen.
Die Zeitenwende von Scholz war deshalb keine, weil seiner Rede null Taten folgten. Seit Trump Präsident ist, erleben wir eine echte Zeitenwende, ob das nun jedem passt oder nicht. Naiv, zu glauben, diese sei auf die USA begrenzt. Wenn sie hilft, die Phase überheblicher Selbstgefälligkeit in Europa zu beenden und den Kontinent wieder zu echter wirtschaftlicher und militärischer Stärke zu ermuntern – nichts Besseres könnte uns passieren.
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