Stadtbibliothek Münster: Gericht erklärt Warnetiketten für Bücher für unzulässig

vor etwa 5 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

In Münster wollte die Stadtbücherei den großen Aufpasser spielen. Zwei Bücher, die nicht ins enge linke Weltbild passten, wurden kurzerhand mit einem moralischen Warnschild versehen: „Dies ist ein Werk mit umstrittenem Inhalt.“ Damit sollte der Bürger schon beim Griff ins Regal daran erinnert werden, was er besser nicht lesen sollte.

Der Autor dieser Bücher stellte in seinen Werken die bemannte Mondlandung infrage und bestritt den Atombombenabwurf auf Hiroshima und Nagasaki. Für die Bibliothek offenbar Grund genug, ein ideologisches Stoppschild direkt aufs Buch zu kleben. Schließlich könnten Leser auf „falsche“ Gedanken kommen, wenn man sie ohne entsprechenden Hinweis durchs Leben gehen lässt.

Dieser Bevormundungsversuch der Stadtbücherei Münster ist mit dem aktuellen Urteil gescheitert. Das Oberverwaltungsgericht Münster zog dem Maulkorb-Projekt den Stecker. Laut Gericht verletzte der Hinweis das Grundrecht des Autors auf Meinungsfreiheit und seine Persönlichkeitsrechte. Ein Autor darf schreiben, und Leser dürfen lesen und sich ihre Meinung selbst bilden.

Die Stadtbücherei hatte ihre Zensur besonders perfide als „Service“ getarnt. Man stelle die Bücher „aufgrund der Zensur-, Meinungs- und Informationsfreiheit“ bereit, hieß es im Hinweis. Ein Euphemismus, so durchsichtig wie billig. Wenn Freiheit plötzlich mit einem roten Warnetikett versehen wird, sind wir nicht mehr weit von geistigen Sperrzonen entfernt. Das Gericht stellte klar, dass Bibliotheken Bücher anschaffen oder ablehnen dürfen. Aber eine inhaltliche Bewertung direkt am Buch, die potenziell abschreckt, sei unzulässig. Damit übertritt die Stadtbücherei nicht nur eine rechtliche, sondern vor allem eine demokratische Grenze.

Bibliotheken sollen Räume für freie Gedanken sein, keine ideologischen Trainingslager. Der mündige Bürger soll sich dort informieren, hinterfragen, eigene Schlüsse ziehen und nicht pädagogisch gelenkt und gegängelt werden. Wer Bücher nur noch mit staatlichem Beipackzettel zulässt, zeigt ein tiefes Misstrauen in die Urteilskraft der Bürger. Der Hinweis degradierte den Leser zum unmündigen Kind, das vor geistigem Schaden bewahrt werden muss. Das OVG erinnerte eindringlich daran, dass Bibliotheken kein politisches Instrument sind, sondern Orte der unzensierten Bildung und Diskussion.

Es offenbart sich eine Haltung, die lieber glaubt, Menschen müssten vor Worten geschützt werden, statt ihnen die Reife zuzutrauen, selbst zwischen Dichtung und Wahrheit zu unterscheiden. Damit wird nicht nur das Buch abgewertet, sondern auch jeder, der es lesen will. Es steht jedem selbst frei, das entsprechende Buch und seinen Inhalt als Unsinn zu bewerten. Eine Institution hat diese Bewertung zu unterlassen.

Die Entscheidung des Gerichts ist ein notwendiger Dämpfer für all jene, die meinen, den öffentlichen Raum mit pädagogischen Leitplanken ausstatten zu müssen. Denn wer einmal anfängt, Bücher mit Warnschildern zu versehen, wird bald überall „umstrittene Inhalte“ markieren wollen. Dieser Drang zur ideologischen Hygiene ist kein Einzelfall. Er zieht sich durch Schulen, Museen, Medien und nun auch Bibliotheken. Immer häufiger sehen sich Institutionen als Vormund statt als neutrale Plattform.

Die Stadtbücherei Münster hat mit diesem Vorstoß gezeigt, wie schnell der Weg in die Gesinnungslenkung führt. Wer heute Bücher etikettiert, kann morgen schon ganze Regale aussortieren. Das Gericht hat diesen gefährlichen Trend gestoppt, wenigstens vorerst. Dass der Beschluss unanfechtbar ist, kann man als Sieg für die Meinungsfreiheit feiern. Aber er ist auch ein Alarmzeichen: Wie viele ähnliche Versuche laufen bereits? Wie viele Bürger merken gar nicht, wie sehr ihr Zugang zu Informationen schon gefiltert wird?

Das Urteil schützt nicht nur ein Buch, sondern die Grundidee einer offenen Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die dem Einzelnen zutraut, selbst zu denken, zu irren, zu zweifeln. Und genau davor scheinen manche öffentliche Einrichtungen die größte Angst zu haben.

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