
Die SPD ist eine Partei, die nur noch aus Trägheit existiert. Sie ähnelt in manche Hinsicht der SED, zu der sie einmal gehörte – jedenfalls ein Teil der SPD, die Grotewohl-, die Steinhoff-SPD. Unvoreingenommene Historiker im Übrigen müssten und sollten aus dem Abstand prüfen, ob sich die für die SPD so günstige und schöne Version von der Zwangsvereinigung wirklich aufrechterhalten lässt.
Auch wenn die Mitglieder das Weite und die Wähler andere Parteien suchen und die letzten Arbeiter in der SPD unter Bestandsschutz stehen, der Parteiapparat steht, vor allem sitzt er unerschütterlich. Er meint, das Sitzkissen unter ihm sei die Geschichte.
Würde dies ein Text für das Kabarett werden, würde man die Ähnlichkeit mit der SED auch darin finden, dass der Parteiapparat dem der SED zum Verwechseln ähnelt mit seinen Kreis- und Bezirksleitungen, mit dem Heer der Vorsitzenden und Möchtegernvorsitzenden auf den verschiedenen Ebenen, nur mit einem Unterschied, dass die SPD nicht wie die SED eine straff organisierte Kaderpartei ist, in der der Chef, mal Vorsitzender, mal Generalsekretär, mal 1. Sekretär genannt, gottgleiche Macht besitzt, der Apparat dem Chef unterworfen ist. In der SPD dürfte es umgekehrt zugehen, da herrscht der Apparat und der Vorsitzende ist dem Apparat, der gern wie ein Untier aus dem Mythos der Griechen mit der raunenden Bezeichnung die „Gremien“, die an die Erinnyen erinnert, versehen wurde, unterworfen. Der Apparat hat die Macht. Der Apparatschik, der Bonze ist der eigentliche Held der Sozialdemokratie – und der Apparat ist hoffnungslos linksspießbürgerlich, woke, klimabewegt, bevölkert von Leuten, die seit ihrem Studium irgendeiner Sozialwissenschaft vor gefühlt 100 Jahren in Bielefeld oder Bochum oder nach erfolgreicher Flucht aus dem Lehrerberuf im Kampf für die soziale Gerechtigkeit mit beträchtlicher Umverteilungsroutine den Hintern auf den Polstern der Sessel in den diversen Parteizentralen strapaziert haben. In ihrer Jugend hatten sie begeistert den Erzählungen ihren älteren Cousins über die Zeit des Kampfes 1968 und 1969 gelauscht. An den Universitäten und Gesamthochschulen kamen sie brav radikal ihrer Pflicht zum Protest nach, weil Protest inzwischen Pflicht war.
Die Zeiten ändern sich, nicht aber ihr Denken. Als undankbar empfinden sie es von den Arbeitern, dass die in Scharen zur AfD laufen. Und da man eigentlich nicht so weit von den Kommunisten entfernt ist, kann man ja auch ein bisschen von den Kommunisten lernen, vom Genossen Melsheimer, von der Genossin Benjamin, vom Genossen Matern, von der Genossin Honecker und jetzt, verräuspert und geraunt, vom Genossen Mielke. Auch wenn die Genossin Faeser nicht mehr in der Regierung ist, die Genossin Bas und der Luftikus Klingbeil werden ihre Position übernehmen: die AfD muss verboten werden, denn es kann nicht angehen, dass die Mitglieder und die Wähler vor allem aus der Arbeiterschaft zur AfD überlaufen. Wie in einem fünften Frühling schaukelte sich der Parteivorstand in Antifa-Laune und brachte einen Initiativantrag des Parteivorstands ein, der eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe installieren will, die wie eine Stasi-NGO Material sammeln soll, das Gutachter zu prüfen hätten, „ob damit der Nachweis der Verfassungswidrigkeit der AfD erbracht werden kann“. Woran Faesers Verfassungsschutz gescheitert ist und sich unendlich blamiert hatte, sollen es nun wackere Genossen richten.
Die neue Identität ist gefunden: SPD heißt nicht mehr Sozialdemokratische Partei Deutschland, sondern Schlapphut Partei Deutschland.
Dass die SPD anstatt zu regieren, anstatt Regierungspolitik zu machen, die Opposition, die politische Konkurrenz mit den Mitteln der Judikative und der Exekutive vernichten will, ist so totalitär, wie auch ein Armutszeugnis. Bärbel Bas wird dafür auf dem Parteitag gefeiert, dass sie die Sozialsysteme nicht reformieren und nichts am Bürgergeld zu ändern gedenkt und der Mindestlohn zu erhöhen ist. Im Gegenteil, die Steuerzahler, die mittleren Einkommen, vor allem die Facharbeiter, früher einmal die Wähler der SPD, sollen ausgepresst werden und bspw. noch mehr Geld ins Gesundheitssystem einzahlen, damit sich die ganze Welt umsonst in Deutschland die Zähne richten lassen kann, wenn die Bedürftigen vorher erfolgreich von einer NGO das Wort Asyl gelernt haben. Der passende Richter, der gern deren Wünsche genehmigt, findet sich, vorzugsweise am Berliner Verwaltungsgericht, dessen Präsident Korbmacher Gefahr läuft, die Justiz zu delegitimieren, wenn sie statt Recht Gesinnung durchsetzen sollte. Unverhohlen drohte Korbmacher im Interview mit dem Handelsblatt der Regierung, wenn er mit Blick auf den berüchtigten Somalier-Beschluss eines den Grünen nahestehenden Richters sich zu der Aussage versteift, dass „Kanzler und Innenminister sicherlich überlegen müssen, inwieweit sie die Auffassung noch aufrechterhalten können, die sie bisher vertreten haben“, wenn es zu weiteren gerichtlichen Entscheidungen zugunsten Asylsuchender kommt. Droht Korbmacher mit einer Verfassungskrise, wenn er juristische Winkelzüge ins Kalkül zieht, um den Willen des Souveräns des Grundgesetzes zu hintertreiben? Im Sinne der SPD dürften Korbmachers Einlassungen sicher sein, die ihre Milieus verloren hat.
Der Wahlverlierer von Thüringen namens Mayer, der mit Tricks ein Stiftungsratsmitglied der Amadeu Antonio Stiftung zum Präsidenten des Thüringer Verfassungsschutzes gemacht hatte, einer Stiftung, deren Gründerin in der Tat für den Genossen Mielke arbeitete, argumentiert auf SED-Linie, wenn er behauptet: „Eine Partei wird nicht deshalb demokratisch, weil sie demokratisch gewählt wird.“ Wann wird sie dann demokratisch, wenn der Genosse Mayer oder das Stiftungsratsmitglied der Amadeu-Stiftung sie für demokratisch halten? Werden Sie dann in den demokratischen Block aufgenommen? Wenn man schon so weit ist, sollte man dann nicht ein Blockwahlsystem einführen, dass mit Sicherheit der SPD das Überleben sichern würde.
Lars Klingbeil im Kampf um die Liebe der Partei rief ganz im Egon Krenz Sound aus: „Es ist unsere historische Aufgabe, die Leute wieder aus dem Parlament zu kriegen, die gehören da nicht rein.“ Man muss kein Historiker sein, um zu wissen, wohin der Versuch, die historische Mission der Arbeiterklasse zu erfüllen, in der Geschichte führte, für einige nach Hohenschönhausen, für alle in den Bankrott. Wer historische Aufgaben erfüllen will, sollte in Deutschland nicht in einer Regierung sein. Wenn Klingbeil seine Partei stärken und „die Leute wieder aus dem Parlament“ kriegen will, muss er anständige Politik machen für Deutschlands Bürger und nicht Schulden anhäufen, an denen derer Enkel noch abzahlen werden. Damit, Politik für ihn zu machen, hat ihn der Souverän beauftragt. In einer Demokratie und gemäß unserem Grundgesetz entscheidet nicht Lars Klingbeil, sondern entscheiden die deutschen Bürger in freier und geheimer Wahl darüber, wer im Bundestag sitzt. Sollte aber Lars Klingbeil oder die SPD wie einst die SED darüber befinden, wer im Parlament sitzt, dann sind wir nicht mehr in der Demokratie, sondern in einer DDR 2.0.
Die SPD verliert zunehmend Maß und Mitte, weil sie in keinen Milieus mehr verankert ist und mit den Linken und den Grünen um das gleiche fluide Wählerpotential kämpft. Sie ist die Dame ohne Unterleib, eine Funktionärspartei mit rapide schwindender Basis. Ihre Wähler fliehen nach allen Seiten, die Älteren zur CDU, einige zu den Grünen, viele zur AfD. Die SPD träumt von einer Basis, die sie nicht hat. Sie will roter als die Dunkelroten und grüner als die Grünen sein.
So hat sich der Berliner Landesverband zum Ziel gesetzt Deutschland international noch lächerlicher zu machen, als es Annalena Baerbock in drei Jahren schon gelungen ist. Heftig stampft er deshalb in Baerbocks Trittchen auf dem Parteitag auf: „Die Notwendigkeit einer feministischen Außenpolitik, die die menschliche Sicherheit in den Fokus stellt, hat angesichts der zahlreichen Krisen kein Stück ihrer Bedeutung verloren.“ Sie haben in drei Jahren Baerbock-Fiasko nichts gelernt. Die SPD ist eben eine deutsche Partei – und Deutschsein heißt, eine Sache bis zum Ende zu verfolgen und sei sie noch unsinnig. Nach der Vorstellung der SPD wird Berlins quietschbunte Truppe die Welt befrieden. An allen Verhandlungen sollen künftig auch zu 50 % FLINTAs teilnehmen. Laut Wikipedia ist „FLINTA* (alternativ auch FLINTA oder FLINT) ein Akronym, das für Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nichtbinäre, transgeschlechtliche und agender Personen steht.“ Das wird sicher großartig funktionieren in Verhandlungen mit Putin oder mit den Mullas im Iran. Im Antrag heißt es: „Dabei soll im Rahmen der Möglichkeiten eine FINTA Quote von mind. 50% angestrebt werden. Dass alle relevanten Koordinierungstreffen (z.B. unter Leitung der VN humanitären und Stabilisierungs-Kontexten) die nachhaltige Beteiligung lokaler, durch FINTA und marginalisierte Gruppen geführte Organisationen in verantwortlicher Position (z.B. Co-Vorsitz einschlägiger Gremien) umsetzen.“ Und da NGOs noch zu wenig Steuergelder bekommen, fordern die Berliner, dass „insb. lokale durch FINTA und marginalisierte Gruppen geführte Organisationen, in den Konfliktstaaten und -Regionen“ gefördert und diese finanziell unterstützt werden.
Die SPD schwingt sich auf ihrem Parteitag zu einer neuen Realität auf. Das wird eine interessante Zeit werden. Dass es ein gute wird, ist damit ausdrücklich nicht gesagt.