Plant die Koalition die Legalisierung von Abtreibungen? Ein Satz von Brosius-Gersdorf wirft Fragen auf

vor etwa 12 Stunden

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Frauke Brosius-Gersdorf wollte sich am Dienstagabend bei Markus Lanz aus der Affäre ziehen, die rund um ihre Nominierung für das Bundesverfassungsgericht entstanden ist. In ihrer Rechtfertigung äußerte die Professorin sich allerdings bemerkenswert – und erklärte, ihre Forderung nach einer Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs fände sich auch im Koalitionsvertrag wieder.

„Im Koalitionsvertrag steht genau das, was ich vorgeschlagen habe, im Ergebnis“, erklärte Brosius-Gersdorf. Dort hieße es nämlich, „dass die Koalition für eine Ausweitung der Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung bei Schwangerschaftsabbrüchen ist. (…) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf es eine Leistungspflicht bei Schwangerschaftsabbrüchen nur geben, wenn er rechtmäßig ist. Also geht auch der Koalitionsvertrag davon aus, dass der Schwangerschaftsabbruch in der Frühphase rechtmäßig ist“, argumentierte die Juristin. „Das heißt: Im Ergebnis passt zwischen den Koalitionsvertrag und meine wissenschaftliche Position kein Blatt.“

Um das Thema Schwangerschaftsabbruch war im Vorfeld und auch während der Koalitionsverhandlungen hart gerungen worden: Aus der SPD drohte beispielsweise die Frauen-Vereinigung mit einem Nein zum Vertrag, wenn Paragraph 218a, der Abtreibungen im Grundsatz für rechtswidrig und strafbar erklärt, nicht gestrichen würde.

„Eine Nicht-Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen wäre ein Stillstand, den wir so nicht mehr akzeptieren“, sagte die Bundesvorsitzende der SPD-Frauen, Ulrike Häfner – eine etwas verquere Aussage, wo doch der Schwangerschaftsabbruch bis zur zwölften Woche längst entkriminalisiert ist. Am Ende konnte sich die SPD mit der Forderung nach einer Legalisierung nicht durchsetzen – zumindest nicht direkt.

Denn der Koalitionsvertrag, der im Wording an dieser Stelle erst einmal durchaus der Unions-Position entspricht, betont zum Thema Abtreibung zunächst, man wolle „das ungeborene Leben bestmöglich schützen“. Allerdings heißt es dort auch: „Für Frauen in Konfliktsituationen wollen wir den Zugang zu medizinisch sicherer und wohnortnaher Versorgung ermöglichen. Wir erweitern dabei die Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung über die heutigen Regelungen hinaus.“

Die heutigen Regelungen sind einfach und dem Recht entsprechend: Weil Schwangerschaftsabbrüche rechtswidrig sind, können und dürfen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für einen solchen grundsätzlich nicht übernehmen. Ausnahmen gibt es für medizinisch oder kriminologisch indizierte Abtreibungen – solche also, die zum Schutze der Gesundheit der Mutter oder nach einer Schwangerschaft durch Vergewaltigung vorgenommen werden – sowie in sozialen Härtefällen.

Wollte die Bundesregierung die Kostenübernahme tatsächlich darüber hinaus „ausweiten“, wie es im Koalitionsvertrag heißt, müsste dies tatsächlich, wie von Brosius-Gersdorf behauptet, eine Form von Legalisierung voraussetzen. Die juristische Argumentation der Potsdamer Professorin ist in dieser Hinsicht zumindest schlüssig: Das Bundesverfassungsgericht hat geurteilt, dass die Kostenübernahme eines rechtswidrigen Abbruchs im Grundsatz nicht zulässig ist.

„Die gesetzlichen Krankenkassen dürfen die Kosten eines Schwangerschaftsabbruchs, der nach § 218a Abs. 1 StGB straffrei ist, nicht übernehmen“, heißt es in einem Urteil aus dem Oktober 1998. Eine solche Kostenübernahme würde die Rechtswidrigkeit des Abbruchs relativieren und den Eindruck erwecken, dass der Staat den Abbruch als rechtmäßig anerkenne. „Dies wäre mit der Schutzpflicht für das ungeborene Leben nach Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar“, begründete Karlsruhe. Auch bei einer späteren Entscheidung wurde durch das Bundesverfassungsgericht auf diesen Beschluss verwiesen.

Plant die Regierung also eine Änderung der Rechtslage oder gar, wie von Brosius-Gersdorf beschrieben, eine Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs? Das Bundesgesundheitsministerium kann sich zu einer klaren Antwort in der Sache nicht durchringen. Apollo News hatte das Ministerium mit den Aussagen der Juristin konfrontiert und angefragt, ob der Koalitionsvertrag die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen decke. Als Antwort heißt es lediglich, dass „konkrete Gesetzesvorhaben“ in dieser Sache „noch nicht spruchreif“ seien. Ein Dementi der Aussagen von Brosius-Gersdorf sieht anders aus.

Es ist zu bezweifeln, ob jedem in der Union die mögliche Tragweite dieser Passage im Koalitionsvertrag bewusst war. Bundeskanzler Merz allerdings hatte sich in dieser Frage schon in der Vergangenheit kompromissbereit gezeigt. Ende vergangenen Jahres schloss er eine Reform der Gesetzgebung nicht aus und zeigte sich dafür sogar offen: „Natürlich kann man sich nach so vielen Jahren noch einmal neu mit dem Thema beschäftigen“, sagte Merz im November gegenüber der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft und den Stuttgarter Nachrichten. Es gebe erkennbar einen gesellschaftlichen Wandel, der eine Überprüfung der aktuellen Regelung rechtfertige, führte er weiter aus.

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