
Bamberg: Das fränkische 80.000-Einwohner-Städtchen war in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts DAS Zentrum der deutschen Hexenverfolgung. Fast 1.000 Menschen richtete man zwischen 1595 und 1631 wegen angeblicher Zauberei hin. Irre Gerichtsentscheidungen der jüngsten Zeit lassen nun erneut Inquisitions-Feeling an der Regnitz aufkommen.
Inquisitorischen Eifer zeigte am Montag Martin Waschner, Richter am Amtsgericht der Stadt. Er verurteilte den Chefredakteur des Deutschland-Kurier, David Bendels, zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten auf Bewährung – und blieb dabei nur geringfügig unter den von Staatsanwaltschaft Alexander Baum geforderten 8 Monaten.
Staatsanwalt Alexander Baum forderte eine Freiheitsstrafe von 8 Monaten für den Journalisten David Bendels.
Bendels Vergehen: Auf dem X-Account des Deutschland-Kurier hatte er im Februar 2024 ein Meme gepostet, das Bundesinnenministerin Nancy Faeser mit einem Schild zeigt, auf dem folgende Worte zu lesen sind: „Ich hasse die Meinungsfreiheit“.
Richter Waschner befand: „Eine für den unbefangenen Leser nicht erkennbare, bewusst unwahre und verächtlich machende Tatsachenbehauptung über die Innenministerin Nancy Faeser, welche geeignet ist, deren öffentliches Wirken erheblich zu beeinträchtigen.“
Anwesende aus dem Gerichtssaal berichten gegenüber NIUS, der Richter habe zudem behauptet, Faeser könne überhaupt nicht gegen das Grundgesetz und die Meinungsfreiheit verstoßen – schließlich habe sie einen Eid darauf geschworen.
David Bendels, Chefredakteur des Deutschland-Kurier.
Eine Begründung, die von derartiger Willkür und Faktenfreiheit zeugt, dass Bendel wohl von Glück reden kann, nicht 500 Jahre früher geboren worden zu sein. Es ist nur schwer vorstellbar, dass ein Bürger, der es kognitiv vollbracht hat, einen Social-Media-Account zu erstellen und diesen zu nutzen, ernsthaft glauben könnte, die Innenministerin trage ein Schild mit dem genannten Wortlaut vor sich her.
Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel kritisierte das Urteil am Dienstagmorgen in der NIUS-Live-Sendung scharf: „Richter wie Martin Waschner sind eine Gefahr für den Rechtsstaat und die freiheitliche Grundordnung – zumindest, wenn es nicht noch Rechtsmittel gäbe. Das Urteil ist von einem totalitären Bestrafungsfieber getragen, dass einem angst und bange werden muss, wenn man solchen Richtern ausgeliefert ist.“
Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel sprach am Dienstagmorgen bei NIUS Live über das Urteil gegen den Deutschland-Kurier-Chefredakteur.
Dass Richter Martin Waschner in einem anderen bekannten Fall Milde walten ließ, befeuert den Eindruck einer politisierten Justiz zusätzlich. 2018 nämlich bot er einem Trio aus zwei syrischen und einem irakischen Asylbewerber, die auf einer Kirmes im oberfränkischen Hirschaid junge Mädchen betatscht und Helfer mit Kopfnüssen und Tritten angegriffen hatten, einen Deal an: Geständnisse gegen mildere Strafen. Am Ende verhängte er zweimal Arreststrafen und eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten.
Deutschland-Kurier-Chefredakteur Bendels hat nicht zum ersten Mal Bekanntschaft mit dem Bamberger Amtsgericht gemacht. Bereits 2023 ergingen zwei Strafbefehle gegen ihn. Einmal, weil der Deutschland-Kurier einen Tweet des damaligen AfD-Europaabgeordneten Maximilian Krah mit den Worten „Wie lautet Ihre Meinung dazu?“ zitiert hatte. Krah hatte anlässlich eines Messer-Angriffs eines Asylbewerbers auf einen Spielplatz in Frankreich behauptet: „Masseneinwanderung ist tödlich“. Staatsanwalt Matthias Schmolke erkannte darin eine Volksverhetzung.
Wenig später stellte Innenministerin Nancy Faeser Strafantrag gegen Bendels wegen Politikerbeleidigung, da ein Gastkommentator des Deutschland-Kurier den Fall des verprügelten Augsburger AfD-Lokalpolitikers Andreas Jurca mit den Worten kommentiert hatte: „Faeser hat mitgeprügelt“ – ein sprachliches Bild, das nach Ansicht von Rechtsanwalt Steinhöfel im politischen Diskurs absolut üblich ist. Insgesamt wurden für beide Vergehen 260 Tagessätze gegen Bendels verhängt.
Auch in diesem Fall drängt sich der Eindruck einer politisierten Justiz auf. Staatsanwalt Matthias Schmolke, der so eifrig gegen den rechten Journalisten vorging, ließ mehrere Jahre zuvor nämlich noch Milde walten, als er im Verfahren gegen eine Abtei der Kirche großzügig das Verfahren einstellen ließ. Die Abtei hatte drei illegalen Asylbewerberinnen aus Eritrea, Nigeria und dem Irak Unterschlupf geboten. Die Frauen hätten eigentlich auf Grundlage des Dublin-Verfahrens nach Italien beziehungsweise Rumänien abgeschoben werden müssen.
Die Entscheidungen gegen den Deutschland-Kurier-Chef sind nicht die einzigen grotesk-politisierten Entscheidungen, die in jüngster Zeit Öffentlichkeit für das Amtsgericht Bamberg brachte – einer Behörde, deren Chef Martin Dippold bei seiner Amtseinführung im Jahr 2023 von einem Juristen-Kollegen mit den Worten beschrieben wurde: „Mit seiner reichen Erfahrung und seiner Persönlichkeit gewährleistet er auch weiterhin eine gleichermaßen professionelle wie auch empathische Führung.“
Einen weder professionellen noch empathischen Durchsuchungsbeschluss stellte im vergangenen November eine Richterin an seinem Amtsgericht, Monika Englich, aus. Das Dokument, das Beamten der Kriminalpolizei Zugang zum Haus von Stefan Niehoff in Unterfranken eröffnete, lässt die Erinnerung an mittelalterliche Gerichtsbarkeit, die einst rege in Bamberg bemüht wurde, wieder aufblühen.
Der Beschluss nämlich hatte zur Folge, dass Stefan Niehoff, seine Frau und seine an Trisomie leidende Tochter in den frühen Morgenstunden des 14. November zur Hausdurchsuchung aus dem Bett geholt wurden. Das Vergehen des Rentners: Er hatte ein Meme retweetet, das den grünen Noch-Wirtschaftsminister Robert Habeck scherzhaft als „Schwachkopf“ bezeichnete.
Da Richterin Monika Englich in ihrem Beschluss zusätzlich den Anfangsverdacht einer Volksverhetzung erwähnte – der allerdings explizit nicht ursächlich für die Durchsuchung war – drehten Habeck und die hinter ihm stehende Medienöffentlichkeit den Sachverhalt um und ließen Niehoff als Antisemiten dastehen. Dabei hatte dieser lediglich – möglicherweise unpassende – Vergleiche mit der Zeit des Nationalsozialismus genutzt, um aktuelle Politik zu kritisieren, diese dabei aber ausdrücklich in negativem Kontext verwendet und seine Verachtung ausgedrückt. Beispielsweise kritisierte er eine Boykott-Aktion gegen Müllermilch wegen der AfD-Nähe des Konzerns mit dem Boykott gegen Juden während der Nazi-Zeit.
Bamberg – auch Klein-Venedig genannt – besitzt eine malerische Uferlandschaft.
Richterin Englich hatte wohl kaum damit gerechnet, dass Niehoff sich selbstbewusst an die Öffentlichkeit wenden würde. Vielmehr dürfte sie davon ausgegangen sein, dass der Rentner sich ertappt fühlen und reumütig zurückziehen würde.
Dass man später versuchte, den Eindruck zu erwecken, Niehoff sei Antisemit, wirkt daher wie ein Manöver, um den offensichtlichen Fehler nicht eingestehen zu müssen. Niehoffs Anwalt Marcus Pretzell zu NIUS: „Als ich die Akte gesehen habe, war mir sofort klar: Die Staatsanwaltschaft versucht nachträglich, ihr bisheriges Vorgehen zu rechtfertigen. Für mich bleibt es dabei: Das Vorgehen ist völlig überzogen.“
Rechtsanwalt Marcus Pretzell verteidigt Stefan Niehoff, gegen den wegen den Retweets eines Memes ermittelt wird.
Der Jurist weiter: „Etwa ein Dutzend angeblich problematischer Tweets sind der Akte erst im Anschluss an die Durchsuchung hinzugefügt worden.“
Pretzell beschreibt die Gerichte in Bamberg als einen Klüngel, bei dem politische Beweggründe mit Sicherheit eine Rolle spielen würden. Dass nun mit David Bendels ein weiterer Fall in eben jener Stadt verhandelt und von eben jener Staatsanwaltschaft verfolgt wird, macht ihn fassungslos. „Wenn ein derartiges Meme einem 7 Monate einbringt – wenn das wirklich der Maßstab ist – dann habe ich mir mit meinen X-Posts alleine am heutigen Tag drei Jahre hinter Gittern eingehandelt.“ Zudem erklärt Pretzell: „Die Satire- und Kunstfreiheit geht eigentlich sogar noch weiter als die normale Meinungsfreiheit.“
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