
Der Verfassungsschutz in Sachsen will die Kategorie „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ zum 1. Januar 2026 abschaffen, wie die dpa berichtet. Doch davon Betroffene sollen weiterhin beobachtet werden. „Die Beobachtung der Personen, die eine verfassungsschutzrelevante Delegitimierung betreiben, ist nach Einschätzung der Verfassungsschutzbehörden im Rahmen des gesetzlichen Auftrags weiterhin erforderlich“, sagt eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums gegenüber der Nachrichtenagentur.
Es bleibt den einzelnen Landesbehörden vorbehalten, ob sie die Kategorie in ihren öffentlichen Berichten noch ausweisen oder nicht. Die Anzahl der Bundesländer, die die Kategorie mittlerweile für überflüssig halten, soll steigen. Doch angesichts der fortgesetzten Beobachtung handelt es sich letztlich nur um einen Etikettenwechsel. Die Kategorie wurde 2021 während der Corona-Pandemie eingeführt, um Maßnahmenkritiker zu beschreiben, die vom Verfassungsschutz nicht den bereits etablierten Kategorien wie Linksextremismus, Islamismus oder Rechtsextremismus zugeordnet werden konnten.
Sachsens Innenminister Armin Schuster begrüßt die Abschaffung der Kategorie in seinem Bundesland. Diese überhaupt eingeführt zu haben, sieht er nicht als Fehler an. Mit der Abschaffung „tritt der Verfassungsschutz den Beweis an, dass er Phänomene lageangemessen einstuft und einordnet“, sagt er gegenüber der dpa. Auf seiner Webseite definiert der Bundesverfassungsschutz die Staatsdelegitimierung als Bestreben, „wesentliche Verfassungsgrundsätze außer Kraft [zu setzen] oder die Funktionsfähigkeit des Staates und seiner Einrichtungen zu beeinträchtigen“.
Weiter heißt es: „Sie machen demokratische Entscheidungsprozesse und Institutionen verächtlich oder rufen dazu auf, behördliche oder gerichtliche Anordnungen und Entscheidungen zu ignorieren.“ Dem Spektrum werden 1.500 Personen zugerechnet, wovon im vergangenen Jahr 250 gewaltbereit gewesen sein sollen. Die Behörde selbst schreibt, dass die Kategorie der Beobachtung von Kritikern der Corona-Maßnahmen dient, aber auch nach der Pandemie fortgeführt wurde.
Doch was wird in der Praxis als „Delegitimierung des Staates“ gewertet? Da gibt es zum Beispiel den Fall des Pfarrers Jakob Tscharntke aus der Evangelischen Freikirche Riedlingen, der vom Verfassungsschutz in Baden-Württemberg seit 2022 beobachtet wird. Die Gemeinde wird beobachtet, weil er Corona-Maßnahmen kritisierte und sich zum Klimawandel und pro-russisch zum Ukraine-Krieg äußert. So heißt es im Bericht zu 2024: „Außerdem macht er Politiker verächtlich und dämonisiert sie teilweise durch eine Vermischung mit religiösen Botschaften“.
Als Beleg für die Behauptungen der Behörde gibt es nur ein oder zwei wörtliche Zitate aus Predigten. Fußnoten, die auf weitere Predigten verweisen, gibt es nicht (Apollo News berichtete). So wird ihm zum Beispiel angekreidet, dass er kritisiert, dass es 60 Millionen Abtreibungen pro Jahr weltweit gebe. Dabei ist die vom Pfarrer genannte Zahl noch zu niedrig angesetzt: 2024 gab es weltweit 73 Millionen Abtreibungen, wie die Weltgesundheitsorganisation mitteilte.