
Normalerweise sorgt der Satire-Account bei X für Schmunzeln, weil er auf humorvolle Weise den oberlehrerhaft auftretenden Account des WDR-Wissenschaftsmagazins mit täuschend ähnlichen Kacheln parodiert. Ernster gemeinte Beiträge drehten sich unter anderem um den Nahostkonflikt. Jetzt gingen zwei Strafanzeigen gegen Quark DDR ein.
Vor drei Jahren ging der Account auf der Plattform X an den Start, nach nicht einmal zwei Wochen hatte er schon 20.000 Follower – inzwischen sind es mehr als 67.000. Die ironische Übertreibung der WDR-Kacheln und die kritische Auseinandersetzung mit Themen wie Klimawandel, Gendern oder Sozialismus begeistert aufgenommen werden. Fans schätzen, dass Quark DDR die „Gouvernantenattitüde“ des WDR aufs Korn nimmt.
Das Konzept „Wenn Quarks woke ist, dann sind wir woker“ scheint voll aufzugehen. Allerdings eckt man beim woken Zeitgeist schon mal an. Manche Nutzer, die die Satire nicht erkennen, verwechseln die Inhalte mit echten WDR-Beiträgen, weil sie die ironische Intention nicht erkennen, und reagieren empört – wie der Wetterfrosch Jörg Kachelmann. Andere fühlen sich verspottet – nicht zu Unrecht.
Klimapaniker spießt der Account besonders gern auf.
Am 12. Oktober 2023, fünf Tage nach dem Überfall der palästinensischen Hamas auf Israel mit mehr als 1200 Todesopfern, noch mehr Verwundeten und 250 in den Gazastreifen verschleppten Geiseln, wurde der Satire-Account ungewohnt ernst – mit einem für X ungewöhnlich langen, emotionalen, aber inhaltlich korrekten Post, der mehr als 15.700 Likes erntete und über 4600 Mal geteilt wurde.
Die typische Besetzung von Talkrunden – Treffer, versenkt!
In dem israelsolidarischen Beitrag, noch unter dem frischen Eindruck des grausamen Geschehens, wurden die Massaker als „barbarisch“ bezeichnet: „Daher muss Israel, wenn es leben will, jetzt ein- für allemal die Hamas beseitigen. Restlos. Rückstandslos. Mit seinem Mörder kann man nicht verhandeln. Es wird keinen zweiten Holocaust, keine zweite Shoah geben. Fakt. Ja, das wird Opfer kosten. Ja, das wird auch Unschuldige treffen. Ja, das ist schrecklich. Es ist aber unvermeidbar, da sich Hamas-Kämpfer weder zu entdecken geben, noch nach der Haager Landkriegsordnung kämpfen.“ Der Post beschrieb die tragische Gemengelage in Nahost mit Empathie, aber auch mit einem nüchternen Blick auf die Realität. Dass nicht jeder das klare Statement goutieren würde, war aber auch zu erwarten. Nur dass es mehr als anderthalb Jahre dauerte, bis jemand sich bemüßigt fühlte, die Betreiber des Accounts wegen des Beitrags anzuzeigen – wegen §130 StGB: „Volksverhetzung“.
Quark DDR macht sich über die Dextrophobie der Linken lustig.
Und noch eine zweite Strafanzeige liegt gegen den Betreiber vor: Wegen §140 StGB („Belohnung und Billigung von Straftaten“) in einem Text als Antwort auf einen Tweet von Amin Sharaf, der darauf besteht, dass seine maßlose Diffamierung Israels „kein Antisemitismus“ sei. Am 21. Dezember 2023 listete er Vorwürfe des Papstes, der UNO und der „Ärzte ohne Grenzen“ auf, um Israel Terrorismus, Genozid und eine humanitäre Katastrophe in Gaza anzulasten.
In der mittlerweile nicht mehr einsehbaren Antwort (Meldung der Plattform X: „This Post has been withheld in Germany based on local law(s)“) von Quark DDR hieß es, als Ergebnis des von den Palästinensern vom Zaun gebrochenen Gaza-Krieges würden die Palästinenser „in alle Winde zerstreut“, woran sie selbst schuld seien, auch weil sie den Terror gegen Israel fortsetzten und bereits Kinder zu „Märtyrern“ erzögen.
Warum dieses Statement, eine legitime Meinungsäußerung, noch dazu mit unbestreitbaren Tatsachen unterfüttert, die „Billigung einer Straftat“ sein soll, bleibt das Geheimnis des Urhebers der Strafanzeige.
Dahinter steckt offenbar die „Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet“ (ZMI), eine Einrichtung des Bundeskriminalamtes (BKA). Sie ging am 1. Februar 2022 in den Betrieb und dient als zentrale Anlaufstelle für die Entgegennahme und Bearbeitung von Hinweisen auf strafbare Inhalte im Internet, insbesondere im Bereich Hasskriminalität.
Kooperationspartner der ZMI sind unter anderem REspect!, Hessen gegen Hetze und die Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet – Niedersachsen (ZHIN), die durch eine CBS-Doku in der Reihe „60 Minutes“ traurige Berühmtheit erlangte: Drei Göttinger Staatsanwälte berichteten dort mit sichtlichem Vergnügen von schockierten Bürgern, die von Razzien und beschlagnahmten Smartphones betroffen waren.
Die Staatsanwälte in der „60 Minutes“-Episode: Spaß an der Einschüchterung von Bürgern.Wer mit derartiger Freude gegen Meinungsäußerungen von Bürgern vorgeht und sie mit völlig unverhältnismäßigen Mitteln wie Hausdurchsuchungen an den bundesweiten „Aktionstagen gegen strafbare Hasspostings“ überzieht, weckt einen naheliegenden Verdacht: Wird hier auf Umwegen versucht, einen „politisch unkorrekten“, weil linke Narrative karikierenden Satire-Account „dranzukriegen“, weil man ihn wegen der üblichen witzigen Kacheln nicht belangen kann? Und nimmt dann zwei politische Meinungsbeiträge – der eine vor 21 Monaten, der andere vor 19 Monaten gepostet – zum Anlass, dem Betreiber zu schaden?
Der teilt diese Vermutung jedenfalls: „Ich schätze mal, 20 Prozent meiner Follower sind Feindbeobachter“, sagt er im Gespräch mit NIUS. In der Anfangszeit habe es locker drei Meldungen am Tag gegeben. Aber die herrschenden Zustände nimmt er mit dem gewohnt sarkastischen Humor hin: „Das Internet ist kein rechtsfreier Raum! Die Gegend um jeden deutschen Bahnhof ist es.“
Hasskriminalität ist so ziemlich das Letzte, was man dem freundlichen Mastermind hinter Quark DDR unterstellen möchte. Dennoch ermittelt jetzt die Kriminalpolizei, und ob das genannte Material reicht, um die Staatsanwaltschaft Anklage erheben zu lassen, ist noch offen. Klar ist bisher nur, dass mit den Mitteln des Rechtsstaats versucht wird, einen Account, der die links-grün-woken Narrative im Allgemeinen und die Machart der Kacheln von öffentlich-rechtlichen Sendern im Besonderen mit Witz aufs Korn nimmt. Das persiflierte Milieu tut sich mit Spott, wenn er es selbst betrifft, besonders schwer.
Inzwischen hat QuarkDDR bei X schon Kacheln in eigener Sache angefertigt: „So funktionieren Meldestellen“ heißt die eine, die den Verfolgungsprozess unliebsamer Meinungen vom Denunzianten („aufmerksamer Bürger, mittig, zivilcouragiert“) über die staatlichen Organe satirisch darstellt.
Die andere („So meldest du Fehlverhalten richtig“) zeigt die verschiedenen Optionen, die sich aus dem Umgang mit „falschen“ Ansichten und deren Trägern ergeben.
Nun darf Satire alles – während die inkriminierten Meinungsbeiträge des Quark-DDR-Betreibers unter Meinungsfreiheit fallen und die vorgeworfenen Tatbestände gewiss nicht erfüllen. Sollte dennoch Anklage erhoben werden, vergreift sich der Staat einmal mehr an Artikel 5 des Grundgesetzes.
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