Schlappe für die SPD? Warum die Union vor der NRW-Kommunalwahl zittert

vor etwa 4 Stunden

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Bildquelle: NiUS

Für den Rest der Republik ist es ein Sonntag wie jeder andere, doch für die deutsche Politik könnte die Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen zum Schicksalspunkt werden. „Die Wahl wird vor allem für die SPD einen heftigen Dämpfer bringen“, sind sich Strategen in den Parteizentralen von CDU und CSU ziemlich sicher. Unsicher ist indessen, wie die Sozialdemokraten auf Bundesebene nach der desaströsen Bundestagswahl mit weiteren Wählerwanderungen hin zur AfD umgehen werden.

Könnte die Kommunalwahl in der Bundespolitik also einen ähnlichen Erdrutsch auslösen, wie die Landtagswahl 2005, bei der die SPD ihr rotes Stammland NRW an die Union verlor, Kanzler Gerhard Schröder (SPD) Neuwahlen herbeiführte und die Macht an Angela Merkel verlor?

Politik-Analysten sehen zwar in der Tat einen ungünstigen Trend für die SPD in der Kommunalwahl voraus, gehen aber davon aus, dass die politische Erschütterung mit der Landtagswahl von 2005 nicht vergleichbar ist. Wenn am kommenden Sonntag Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen wäre, würde die AfD 15 Prozent der Wähler-Stimmen auf sich vereinen – und hätte damit ihr Ergebnis seit 2020 verdreifacht. Bei der letzten Kommunalwahl erhielt die Partei lediglich 5 Prozent der Stimmen.

Den größten Zuspruch bei den Wählern erhält aktuell aber immer noch die CDU mit 36 Prozent. Die SPD liegt laut der repräsentativen Umfrage (1000 Teilnehmer) des Meinungsforschungsinstituts INSA für NIUS bei 23 Prozent, die Grünen bei 10 Prozent, die FDP bei 4 Prozent, die Linkspartei bei 6 Prozent, BSW und Sonstige bei jeweils 3 Prozent. Die Erfahrungen mit Kommunalwahlen besagen, dass die SPD gerade in ihren bisherigen Hochburgen im Ruhrgebiet noch einmal verlieren könnte. Die AfD konzentriert ihren Wahlkampf genau auf diese Regionen.

Insa-Umfrage für die Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen

Der Unterschied zu 2005 bestehe darin, dass die SPD damals in NRW ihr jahrzehntelanges „Stammland“, die vermeintliche „Herzkammer der Sozialdemokratie“, verlor, sagen Insider. Auch war die Landtagswahl vorab zu einer regelrechten Urabstimmung aufgeladen worden, sodass der Verlust der Mehrheit zusätzlich dramatisch erschien. Eine Strategie, die damals gewissermaßen in Mode war.

Kanzler Gerhard Schröder hatte die Niedersachsenwahl im Frühjahr 1998 zum Signal für den Machtwechsel im Bund gemacht und später im Jahr tatsächlich Bundeskanzler Helmut Kohl abgelöst. Mit einem ähnlichen Szenario war er dann 2005 nicht mehr erfolgreich. Als die Union 2011 ihr Stammland Baden-Württemberg verlor, löste das schon kaum noch Erschütterungen im Bund aus und blieb für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nahezu folgenlos.

Zur Zitterwahl wird der Urnengang am Sonntag für die Bundespolitik vor allem, weil nur schwer abzuschätzen ist, wie sehr die SPD-Spitze um Lars Klingbeil und Bärbel Bas unter Profilierungsdruck gerät, wenn wichtige Kommunen in NRW verlorengehen oder das Wähleraufkommen der SPD grundsätzlich weiter abschmilzt. Kaschiert werden können solche Verluste bei Kommunalwahlen immer elegant durch einzelne spektakuläre Siege, etwa (nicht ganz aussichtslos) in Köln, die dann als Leuchttürme der Wahl herausgeputzt werden, um die Verluste anderswo zu überstrahlen. In der Regel sorgt jedoch die Parteibasis im Niedergang meist dafür, dass die Parteiführung mit solchen kosmetischen Tricks nicht allzu lange durchkommt.

CDU-Urgestein Wolfgang Bosbach aus dem Bergischen Land bleibt einstweilen gelassen. „Nein“, sagt er zu NIUS, „diese Kommunalwahl ist zu kleinteilig, als dass sie bis Berlin gefährlich werden könnte.“ Und: „Die SPD ist schon jetzt auf ihrem Sockel-Niveau angekommen, das sich kaum noch unterschreiten lässt.“ Spannend könne es allenfalls nach der Stichwahl Ende September werden.

Wolfgang Bosbach (CDU)

Auch der Dresdner Politikwissenschaftler Prof. Werner Patzelt (CDU) ist zurückhaltend. Ob und wie heftig die NRW-Kommunalwahl die Republik erschüttert, „lässt sich erst mit Wissen darüber einschätzen, wie überzeugend Union und SPD ihr vermutlich wenig ruhmvolles Abschneiden zu beschönigen vermögen. Im Übrigen wird das Wahlergebnis Schwarz wie Rot wenig Lust auf baldige Bundestagswahlen machen, weshalb sich die strauchelnden Koalitionäre wechselseitig eher stützen als schubsen werden.“

Auch Patzelt rechnet mit mehr oder weniger kreativen Beschönigungsversuchen. „Die SPD wird vermutlich betonen, sie müsse ihre Politik einfach besser erklären und den Kampf gegen Rechts verschärfen. Ideologisch beschränkt, wie sie als Akademikerpartei geworden ist, wird sie wohl nicht aus der ‚Sozialistenspirale‘ ausbrechen können, die sich so beschreiben lässt: ‚Je reiner die Lehre, desto kleiner der Kreis der Anhänger‘.“

Politikwissenschaftler Prof. Werner Patzelt (CDU)

Viele Beobachter gehen allerdings davon aus, dass die wahrscheinlichste Reaktion der SPD in einer „Verschärfung des Kampfes gegen Rechts“ bestehen wird, weil mit Sachthemen in letzter Zeit kaum noch Punkte zu machen waren. „Die mehr und mehr verzweifelnde Linke wird ein Verbotsverfahren noch lautstärker fordern als bislang“, glaubt auch Patzelt und hält sogar gewalttätige Ausschreitungen für denkbar. „Doch vielleicht werden mehr und mehr Vernünftige auch begreifen, dass das Verbot einer Partei mit womöglich 15 Prozent der Stimmen in NRW und im Durchschnitt bald 30 Prozent der Stimmen in den neuen Bundesländern unserer Demokratie dadurch schaden dürfte, dass es zivilen Ungehorsam und bürgerkriegsähnliche Proteste nach sich ziehen wird.“

Mehr NIUS: Alles Wichtige zur Kommunalwahl in NRW: Kommt am Sonntag die blaue Welle?

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