
Am Donnerstagabend stellten sich die Kanzlerkandidaten Olaf Scholz (SPD), Friedrich Merz (Union), Alice Weidel (AfD) und Robert Habeck (Grüne) den Fragen der Zuschauer – live in der Sendung „Klartext!“.
Die Zuschauer hatten sich im Vorfeld online beworben, einige waren bereits in anderen ZDF-Sendungen zu Gast, wie der Sender mitteilte.
Gleich zu Beginn wurde Olaf Scholz auf den Terroranschlag von Solingen angesprochen. „Wir haben Angst“, sagte eine Bürgerin und fragte den Kanzler, ob er durch sein Nichthandeln eine Mitschuld an den Morden trage. Scholz reagierte mit einem Verweis auf mehr innere Sicherheit und kündigte ein neues Gesetz an, das es erleichtern soll, Gefährder im Internet zu identifizieren. „Da darf uns der Datenschutz nicht dran hindern“, betonte er. Kriminelle müssten konsequent abgeschoben werden: „Die Zahlen müssen hochgehen“, so Scholz. Zur eigenen Verantwortung sagte der Kanzler: „Das treibt mich um.“
Gefragt, wie er das Vertrauen der Bürger zurückgewinnen wolle, verwies Scholz auf viele vermeintlich eingelöste Versprechen.
Er erneuerte seine Forderung nach einer Lockerung der Schuldenbremse, um die Ukraine im Krieg gegen die russischen Invasoren zu unterstützen. Eine mögliche Taurus-Lieferung lehnte er erneut ab. Den russischen Angriffskrieg führte er auch als Grund für den stockenden Wohnungsbau an. Für die Zukunft versprach Scholz viele neue Wohnungen und bezahlbaren Wohnraum, blieb dabei jedoch ohne konkrete Zahlen.
Auf eine mögliche Rot-Grün-Koalition reagierte der Kanzler versöhnlich und betonte das gute Verhältnis zum grünen Kandidaten Habeck.
Scholz und Habeck zeigten sich versöhnlich.
„Wie wollen Sie überhaupt Wähler überzeugen, wählen zu gehen?“, fragte ein Bürger den Kandidaten der Grünen. „Man hat nur die Wahl zwischen Pech und Schwefel“, fügte er hinzu. Habeck entgegnete: „Wenn sich die Menschen zurückziehen, dann ist es vorbei mit Deutschland.“ Er verwies auf die unterschiedlichen Ausrichtungen der Parteiprogramme und betonte, dass Kompromisse etwas Gutes seien. Doch der Bürger zeigte sich unzufrieden und hakte nach: was er denn nun wählen solle – „Not oder Elend?!“ Habeck holte weit aus, beantwortete die Frage jedoch nicht direkt.
Auf die Frage nach dem Erhalt von Arbeitsplätzen im Mittelstand zählte Habeck mehrere Faktoren auf, die aus seiner Sicht zur Krise der deutschen Wirtschaft beigetragen haben: den Wegfall von Märkten und den russischen Angriff auf die Ukraine. „Wenig Bürokratie und mehr Arbeitsplätze“ habe man vernachlässigt, räumte er ein. Zudem kündigte er eine Investitionsprämie an, die entweder durch ein „Sondervermögen“ oder das Aussetzen der Schuldenbremse finanziert werden könne.
Eine Reinigungskraft wollte wissen, wie er es attraktiver gestalten wolle, arbeiten zu gehen, anstatt Bürgergeld zu beziehen. Habeck deutete an, den Mindestlohn zu erhöhen und Bürgergeldempfänger stärker in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Ein Ausschnitt des ZDF-Publikums.
Weidel wurde tagesaktuell auf den Terroranschlag von München – NIUS berichtete – angesprochen. Sie erklärte, dass der Attentäter unter einer AfD-Regierung gar nicht erst im Land gewesen wäre. Ein Potsdamer Unternehmer konfrontierte sie mit der Tatsache, dass sein Unternehmen sehr divers aufgestellt sei und seine „Mitarbeitende“ Angst vor der AfD-Politik hätten. Weidel entgegnete, dass die „Mitarbeiter“ nichts zu befürchten hätten, da sie einen Mehrwert für die Gesellschaft leisteten. „Sie haben überhaupt gar nichts zu befürchten“, stellte sie klar. „Die Unterbindung der illegalen Migration – darum geht es uns“, ergänzte die Kandidatin.
Der Moderator warf Weidel vor, ihre Politik würde Menschen diskriminieren, und fragte, wie sie das erklären könne. „Das müssen sie mir erklären“, erwiderte Weidel.
Ein Herr forderte eine neue „Willkommenskultur“ und kritisierte, dass Weidels „Remigration“ diesem Anspruch nicht gerecht werde. Weidel warf ihm vor, nicht zuzuhören und das Wahlprogramm nicht gelesen zu haben. Seine Fragen habe er lediglich auswendig gelernt, so Weidel. Währenddessen fiel der Moderator ihr immer wieder ins Wort.
Auf das Thema Windkraft angesprochen, betonte Weidel, dass „wir technologieoffen“ sein sollten und nicht einseitig bestimmte Energieformen subventionieren dürften. „Ich glaube, dass wir zurück zur Kernkraft müssen“, erklärte sie.
Eine junge Frau stellte eine Frage zur AfD-EU-Politik, die ihrer Ansicht nach einem „DE-Exit“ gleichkäme. Weidel entgegnete, die EU habe ein „Demokratiedefizit“. Während ihrer Antwort wurde sie mehrfach von der Fragestellerin unterbrochen. Nachdem Weidel ihre Antwort beendet hatte, begann die junge Frau, einen ideologischen Vortrag zu halten – den der Moderator nicht unterband.
Viel Applaus im Gleichklang an den „richtigen“ Stellen, während Weidel mit lautem, unfairen Gelächter bedacht wurde. Der Moderator griff wiederholt bei ihr ein, statt den Fragenstellern das Wort zu überlassen. Störungen aus dem Publikum ließ er unbeachtet. Ein weiteres Beispiel für das „neutrale“ ZDF-Publikum.
Merz machte gleich zu Beginn des Gesprächs klar, dass eine Koalition mit der AfD für ihn nicht infrage kommt. Weidel konterte mit der Frage, ob er sich stattdessen lieber die Grünen wünsche – mit Habeck als Wirtschaftsminister. Merz erwiderte darauf, er hoffe vielmehr, dass die Sozialdemokraten wieder in den Bundestag einziehen.
„Warum hält die CDU an dieser Brandmauer fest?“, wollte ein Nachfahre italienischer Einwanderer wissen. „Ich verwende diesen Begriff nicht“, stellte Merz klar. Er betonte, dass eine Zusammenarbeit mit einer „rechtsextremen“ und „ausländerfeindlichen“ Partei für ihn nicht infrage komme. Gleichzeitig warnte er, dass die AfD in drei Jahren die absolute Mehrheit erreichen könnte, sollte die CDU nicht bald Kurskorrekturen der deutschen Politik vornehmen.
Ein Thyssen-Krupp-Mitarbeiter fragte, wie sein Arbeitsplatz und die gesamte Stahlindustrie in Deutschland gesichert werden könnten. „Ich will eine andere Energiepolitik“, erklärte Merz.
Auch die Heizungsfrage kam zur Sprache. „Was passiert unter einem Kanzler Merz in deutschen Heizungskellern?“, fragte ein Bürger. Merz erwiderte: „Was wir nicht wollen, ist, dass wir Technologien vorschreiben.“
Nachdem es um „schnelleres Bauen“ und die Sanierung der Infrastruktur ging, erklärte Merz: „Wir können selbstverständlich auch über die Schuldenbremse reden.“
Eine Bürgerin äußerte ihre Sorge über die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern, da diese eine „gefährliche Waffe“ seien. Merz teilte ihre Befürchtung nicht, dass Deutschland dadurch in einen Krieg hineingezogen werde. Er kritisierte vielmehr, dass man der Ukraine nicht frühzeitig und nicht entschlossen genug geholfen habe – nun sei er pessimistisch. Dem russischen Autokraten Putin warf er vor, ein „Großrussland“ anzustreben. „Das Baltikum ist als Nächstes dran“, warnte er.
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