
Bundestagsabgeordnete der SPD haben etwa achtmal so viel Platz in ihrem Sitzungsraum zur Verfügung als Abgeordnete der AfD. Auf jeden Abgeordneten der AfD entfallen 1,5 Quadratmeter, die Sozis haben mehr als 12 Quadratmeter. Denn bekanntlich wollte die SPD nach dem Verlust von etwa einem Drittel ihrer Wähler nicht auch noch den bisherigen Fraktionssaal verlieren und setzte sich damit auch durch. Dort verlieren sich nun die zahlenmäßig geschrumpften SPD-Abgeordneten, die im hinteren Bereich sogar Platz zum Tanzen hätten.
Die mehr als 150 Abgeordneten der AfD drängeln sich hingegen in dem bisherigen Sitzungssaal der FDP zusammen. Der Anspruch der AfD, nach Verdoppelung der Zahl der Abgeordneten nun auch einen entsprechend größeren Sitzungsraum zu bekommen, wurde von den anderen Parteien bekanntlich abgelehnt. Nun prüft man, ob derart beengte Raumverhältnisse überhaupt mit Brandschutzregeln vereinbar sind.
Zuvor war die AfD bereits bei dem Versuch gescheitert, auch einen Vizepräsidenten im Präsidium des Bundestags zu stellen. Theoretisch und nach der Geschäftsordnung steht so ein Vizepräsident jeder Fraktion zu, erst recht also der größten Oppositionsfraktion. Es bleibt allerdings bei dieser Theorie, wenn es den Regierungsfraktionen nicht passt. Denn jeder Kandidat muss praktisch auch gewählt werden und die AfD kann aufstellen, wen sie will, er findet, anders als etwa linke Vorschläge, keine Mehrheit. So wird die größte Opposition von der Führung des Bundestages ausgeschlossen.
Ebenso erging es in dieser Woche den AfD-Vorschlägen für den Vorsitz in den Ausschüssen. Sechs dieser Positionen stehen der AfD zu, keiner ihrer Vorschläge wurde berücksichtigt, die Ausschüsse haben nun keinen Vorsitzenden. Man könnte diesen Beispielen noch viele weitere hinzufügen. Manchmal greifen Gerichte korrigierend ein – wie beim Ausschluss zweier AfD-Kicker aus der Parlamentsfußballmannschaft. Überwiegend halten sie sich bei Fragen der Selbstverwaltung von Parlamenten jedoch zurück.
Ein regelbasierter formaler und fairer Umgang miteinander findet nicht mehr statt, Geschäftsordnungen werden nach dem Willen der Mehrheit ausgelegt und nicht so gelebt, wie sie offensichtlich gemeint waren, dass nämlich die Ausgrenzung ganzer Fraktionen gerade nicht geschehen sollte. Die AfD kann sich so als Opfer willkürlicher Geschäftsordnungspraxis darstellen. Ihre Anhänger, Mitglieder und Abgeordnete sehen sich benachteiligt, was die Solidarisierung untereinander erhöht. Und vor allem: der Zuspruch bei Wahlen und Umfragen wächst eher, souverän wirkt das Verhalten der anderen Parteien nicht.
Erfolg, den die AfD bei Wahlen hat, wird man ihr über Geschäftsordnungsfragen nicht auf Dauer nehmen können. Schon der Versuch wirkt wenig souverän. Und die Abgeordneten der AfD differenziert wahrzunehmen und zu behandeln, würde auch dort Klärungsprozesse in Gang setzen, an denen alle ein Interesse haben sollten. Sie sind überfällig.