Blackout in Spanien: Wie die Energiewende Europas Stromnetze überfordert

vor etwa 3 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Strahlend blauer Himmel über weiten Teilen Europas, die Sonne prasselt auf die Millionen Photovoltaik-Anlagen, die pumpen Leistung „noch und nöcher“ (Kemfert, Claudia) in die Netze, und dort weiß man nicht mehr, wohin damit. Denn Strom ist ein „besonderer Saft“, er muß in dem Augenblick produziert werden, in dem er gebraucht wird. Er kann nicht wie Getreide oder Zement gelagert werden, Speicher mit den benötigten Kapazitäten gibt es nicht. Zu viel Leistung ist genauso gefährlich für die Netze wie zu wenig.

Gerät dieses sehr empfindliche Gleichgewicht aus der Balance, bricht das System zusammen. Deshalb betreiben die Energieversorger einen hohen Aufwand, Erzeugung und Verbrauch im Gleichgewicht zu halten. Das Maß aller Dinge ist im Stromnetz die Netzfrequenz, die 50 Hertz beträgt und nur sehr geringe Abweichungen verträgt.

„56,8 % der gesamten in unserem Land im letzten Jahr erzeugten Elektrizität stammte aus natürlichen Quellen wie Wind, Sonne oder Wasser. Das spanische Stromnetz verfügt nun über 7,3 GW neue Photovoltaik- und Windkraftleistung, die höchste jemals in einem Jahr verzeichnete Menge, wodurch die Photovoltaik zur Technologie mit der größten installierten Leistung aufsteigt.“

2024 wurden im spanischen Stromnetz 7,3 GW an neuen sogenannten „erneuerbaren Energien“ installiert, hauptsächlich aus Photovoltaik und Windkraft. Dies sei die größte Menge, die jemals in einem Jahr angeschlossen wurde, heißt es. Neben den neuen Produktionsanlagen, die im vergangenen Jahr ihren Betrieb aufgenommen haben, hat sich die installierte Leistung des Landes auch durch die endgültige Stilllegung des Kohlekraftwerks As Pontes (in Galicien) verändert, wodurch 1,4 GW nicht erneuerbare Energie wegfallen.

Bis die genaue Ursache des massiven Blackouts herausgefunden ist, dürfte es noch einige Zeit vergehen. Datenprotokolle müssen ausgewertet werden, was in ein paar Millisekunden passierte.

Doch zeigte sich kurz vor dem Ausfall Alarmierendes: So drückten die spanischen PV-Anlagen vor dem Blackout 28,6 Prozent mehr Leistung in die Netze. Das sind ungeheure Energiemengen, die plötzlich zu viel vorhanden sind. Schnell wurden zwar die konventionellen Kraftwerke heruntergefahren. Doch dort gibt es Grenzen. Die sind für sogenannte „Systemdienste“ notwendig, sie halten die Frequenz stabil und sorgen für Momentanreserven als Ausgleich für sehr kurzzeitige Spannungsschwankungen. Ganz abschalten geht nicht. In Frankreich war 8,4 GW zu viel Leistung in den Netzen. Italien konnte lediglich 3 GW Leistung abnehmen.

Immerhin sind sich die Energieversorger in Spanien des Problems bewusst. Dort wird die Einspeisung von Strom aus Photovoltaikanlagen in diesem durch neue Regelungen und Förderungen geändert. Ab dem 25. Februar 2025 dürfen neue PV-Anlagen nur 60 Prozent ihrer individuellen Nennleistung einspeisen, bis eine intel-ligente Steuerbox (iMSys) installiert ist. Die Einspeisevergütung, die für viele Jahre ein wichtiger Anreiz war, wird in bestimmten Fällen nicht mehr gezahlt, insbesondere bei negativen Strompreisen.

Am 12. Februar 2025 verabschiedete der spanische Kongress eine nicht bindende Resolution, die eine Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke fordert. Befürworter argumentieren, dass ein Verzicht auf Kernenergie zu neuen Abhängigkeiten und Risiken in der Energieversorgung führen könnte. Auch auf regionaler Ebene gibt es Proteste gegen die Abschaltung von Kernkraftwerken. Am 10. April 2025 organisierte die Bürgerplattform „Sí Almaraz, sí al futuro“ einen symbolischen Stromausfall in Belvís de Monroy, um auf die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen des geplanten Ausstiegs hinzuweisen. Die zentrale Forderung ist die Verlängerung der Laufzeit der Anlage in Almaraz, die etwa sieben Prozent des nationalen Strombedarfs deckt.

Laut ursprünglichem Plan sollten die Kernkraftwerke schrittweise zwischen 2027 und 2035 vom Netz gehen. Sie laufen weiter. Es geht also, Herr Markus Söder. Die Theorie eines Cyberangriffes wird also zur Erklärung des Blackouts nicht benötigt; ein Blick auf die Realitäten der wackliger werdenden Stromversorgung durch mehr volatilen PV- und Windstrom genügt. Der würde auch in Deutschland helfen, wo in den kommenden Tagen bei blauem Himmel ebenso gigantische Mengen von den PV-Anlagen kommen und für erhebliche Unruhe bei den Übertragungsnetzbetreibern sorgen dürfte.

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