
Wenn man aktuell in die CDU/CSU-Fraktion hineinhört, vernimmt man viererlei. Erstens Erleichterung, dass die SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf weg ist. Zweitens den Appell, mit Rücksicht auf SPD, Grüne und Linke daraus bloß kein Siegelgeheul zu machen. Drittens: Jetzt wird im Interesse des Koalitionsfriedens gewählt, was die SPD vorschlägt. Wobei man den Kandidatenersatz der SPD für Brosius-Gersdorf noch nicht kennt, allenfalls erahnt, es könnte ein Professor aus Bremen/Kassel namens Andreas Fischer-Lescano sein: Seines Zeichens Leiter des Fachgebietes „Just Transitions“, also eines Konzepts für einen Strukturwandel hin zu einer klimaneutralen, resilienten und sozial gerechten Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung. Und viertens: Über die im Vergleich mit Brosius-Gersdorf polit-ideologisch noch gefährlichere Münchner Professorin Ann-Katrin Kaufhold wurde und wird gar nicht erst geredet; sie dürfte ihr Karlsruhe-Ticket auch mit allen guten Reisewünschen der CDU/CSU in der Tasche haben. Pazifizierung scheint seitens der CDU/CSU angesagt
TE hat auf die Brisanz der Nominierung Kaufholds dezidiert und fundiert hingewiesen:
Am 16. Juli
Am 20. Juli
Am 26. Juli
Am 28. Juli
Für TE-Leser und (!) für die CDU/CSU-Fraktion seien hier noch einmal die sechs zentralen politischen Positionen der SPD-Richterkandidatin und Münchner Juraprofessorin Ann-Katrin Kaufhold (49) zusammengefasst.
2022 war Kaufhold Mitglied der von den Grünen und Linken initiierten, 13-köpfigen Berliner Expertenkommission zur Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit von Enteignungen. 2023 legte die Kommission ein Gutachten vor: Darin steht, dass eine Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen juristisch möglich sei – auch dann, wenn Entschädigungen unterhalb des Verkehrswerts liegen würden. Die Berliner SPD scheint damit keine Probleme zu haben. Im Gegenteil: Dem Vernehmen nach ist es jetzt die im Land Berlin mitregierende SPD, die einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorlegte. Mit oder ohne Abstimmung mit dem Koalitionspartner CDU?
Kaufhold ist eine Klimabewegte, sie meint, dass die Politik die angeblich nötigen Klimaschutzmaßnahmen nicht schnell genug voranbringe. Sie möchte Klimaschutzmaßnahmen an Parlament und Regierung vorbei über Gerichte und Zentralbanken durchsetzen. Bei einer Ringvorlesung ihrer Universität plädierte sie am 14. November 2023 für eine Bankenaufsicht zur Umsetzung und Erzwingung der Klimaziele. Zudem hat Kaufhold zusammen mit ihrer Habilitandin Sonja Heitzer am 22. Juli 2024 ein „Rechtsgutachten“ vorgelegt. Auftraggeberin: die damalige Umweltministerin Steffie Lembke (57, Grüne). Kaufhold/Heitzer schreiben gleich zu Beginn: „Klimaschutz, Klimaanpassung und Biodiversitätsschutz gehören zu den zentralen Herausforderungen unserer Zeit. Unsere Verfassungsordnung ist auf diese Herausforderungen jedoch bislang nur zum Teil vorbereitet ….“ Die Kernaussage des „Rechtsgutachtens“ kann man auf den Nenner bringen: Es sei eine Erweiterung des GG-Artikels 91a nötig. Der bestehende 91a ist den beiden Autorinnen jedenfalls zu eng. Sie möchten, dass der Bund hier „Handlungsspielraume“ bekommt bis hin zur Anlage von Mooren und der Renaturierung von Flüssen. Von „vulnerablen Regionen“ schreiben Kaufhold/Heitzer, ohne zu definieren, was das ist. Hauptsache der Bund legt es fest. Dafür womöglich notwendige Enteignungen umschiffen die Autorinnen.
Zu Wahlen hat Kaufhold ein spezielles Verhältnis. Sie sollen in Zukunft quasi überflüssig sein, denn man wisse genau, was die Bevölkerung wolle. Das entspricht einer Forderung der „Smart-City-Agenda“, entwickelt vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, die schon zu Merkels Regierungszeiten vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit veröffentlicht wurde und die unter dem Radar der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit blieb, obwohl sie extremistische Forderungen wie den Verzicht auf Wahlen enthielt. Wörtlich heißt es: „6. Post-voting society – Da wir genau wissen, was Leute tun und möchten, gibt es weniger Bedarf an Wahlen, Mehrheitsfindungen oder Abstimmungen. Verhaltensbezogene Daten können Demokratie als das gesellschaftliche Feedbacksystem ersetzen.“
Nicht nur Frauke Brosius-Gersdorf hat sich für ein AfD-Verbot ausgesprochen. Auch die SPD-Kandidatin Kaufhold hat dies getan. Ein Video zeigt eine Diskussionsrunde im Münchner Salon Luitpold vom 18. Juni 2024. Dabei warnte Kaufhold davor, bei einem Antrag auf AfD-Verbot zu zögerlich und ängstlich zu sein. Wörtlich sagte Kaufhold: „Die Ängstlichkeit zu sagen, wir halten diese Partei für verfassungsfeindlich … wir glauben auch, dass die Partei das Potential hat, ihre Ideen umzusetzen, aber wir stellen den Antrag nicht, aus Sorge davor, es könnte scheitern, das finde ich nicht überzeugend. Ich denke, das muß man dann auch aushalten. Und das kann der politische Prozess auch aushalten. Wenn man das zu Ende denkt, dann stellt man den Verbotsantrag nie.“ Das AfD-Verbot dürfe aber nicht das Ende der Maßnahmen gegen Rechts und gegen Demokratiefeinde sein, betonte Kaufhold. Der besondere Skandal: Kaufhold als Richterin für den 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts nominiert. Dieser wiederum würde bei einem entsprechenden Antrag des Bundestages, der Bundesregierung oder des Bundesrates über ein Verbot der AfD mitentscheiden. Könnte es sein, dass Schwarz, Rot, Dunkelrot und Grün eben dies qua Richterwahl forcieren wollen?
Ein Fachaufsatz von Kaufhold/Heitzer aus dem Jahr 2021 beginnt samtpfotig: „Der Staat nutzt Entgeltregelungen zum einen, um die Funktionsfähigkeit des Marktes bzw. des marktwirtschaftlichen Preisbildungsmechanismus zu sichern oder erst herzustellen … Entgelte werden zum anderen reguliert, um Verbraucher zu schützen oder um im Interesse des Gemeinwohls bzw. zum Schutz von Gemeinschaftsgütern ein bestimmtes Wettbewerbsergebnis zu gewährleisten. Vergütungsregelungen dienen heute somit sowohl dem marktwirtschaftlichen Wettbewerb als auch seiner sozialen Korrektur und sind in diesem Sinne zentral für die soziale Marktwirtschaft in Deutschland …“ Das ist den Autorinnen Kaufhold/Heitzer aber zu wenig. Die Katze aus dem Sack lassen sie wenig später: „Angesichts dessen schlagen wir vor, gesetzliche Entgeltvorgaben sachbereichsübergreifend unter dem Ordnungsbegriff ‚Vergütungsregelungen‘ zusammenzuführen und vergleichend zu analysieren. Unter einer Vergütungsregelung verstehen wir dabei eine gesetzliche Regelung, die unmittelbar darauf abzielt, den Preis für eine von einer Privatperson erbrachte berufliche Leistung zu regeln, indem sie Preisvorgaben für Produkte oder Tätigkeiten macht oder die Parameter definiert …“ Am Ende schreiben Kaufhold/Heitzer: Eine soziale Marktwirtschaft sei auf Vergütungsregelungen angewiesen – um „des Marktes“ wie um „des Sozialen“ willen. Die beiden Autorinnen schreiben: „Trotzdem hält sich der Eindruck beharrlich, der Gesetzgeber wage Ungeheuerliches, wenn er den Preis für eine Leistung normiert und die Vergütungsfreiheit damit einschränkt.“ Kaufhold/Heitzer kokettieren genau mit solchen Einschränkungen.
Was ihr ideologisches Grundgerüst ist, hat Kaufhold in einem 20-Seiten-Kapitel im Rahmen eines 2025 erschienenen, unter anderem von ihrer Habilitandin Heitzer und drei weiteren Mitarbeitern ihres Münchner Lehrstuhls herausgegebenen Bandes dargelegt. Titel des Bandes: „Protestkulturen – Kontroversen um Klima und Umwelt im demokratischen Verfassungsstaat“. Kaufholds Kapitel (S. 97 – 119) ist überschrieben mit: „Protest und Partei – Über das notwendige Zusammenwirken zweier Formen kollektiver politischer Artikulation“. Kaufhold zeigt hier nicht nur viel Sympathie für Protestformen wie „Friday for Future“ und „Letzte Generation“. Nein, sie „outet“ sich hier auch als Jüngerin und Epigonin des Mitbegründers der italienischen KP Antonio Gramsci (1891 – 1937). Und dessen Strategie eines marxistischen Kulturkampfes, mit dessen Hilfe man die „kulturelle Hegemonie“ erringen müsse. Kaufhold scheint eine Freundin von Protest- und Graswurzelbewegungen zu sein. Als „wichtigere“ und “demokratischere“ politische Ausdrucksform. Wichtiger als was? Wichtiger als Parlamentarismus? Muss man dazu folgende zwei Sätze Kaufholds eigentlich noch interpretieren?
Auf Seite S. 99 schreibt sie: „Wer Protest als Indikator, Verstärkung oder Weg aus der Krise politischer Parteien versteht, rückt die Konkurrenz zwischen den beiden Formen kollektiver politischer Artikulation in den Vordergrund und konzipiert sie als Alternativen. Erst und nur diese Grundkonzeption als Konkurrenzverhältnis macht die Anschlussfrage danach sinnvoll, welches die für eine demokratische Gesellschaft einflussreichere, nachhaltigere, „demokratischere“ oder jedenfalls irgendwie „wichtigere“ politische Ausdrucksform ist, die deshalb den Bezugs- und Fluchtpunkt aller Bemühungen um die Stabilisierung der Demokratie bilden sollte.“ Auf Seite 100 schreibt sie: Sie wolle „vorschlagen, Proteste in tatsächlicher und normativer Hinsicht als Instrument zur Erlangung kulturelle Hegemonie im Sinne von Gramsci, Laclau und Mouffe zu lesen und damit als Bedingung der Möglichkeit fundamentaler gesellschaftlicher Veränderungen zu verstehen. Ökologische Proteste machen es politischen Parteien danach erst möglich, jenen grundlegenden sozial-ökologischen Wandel zu bewirken, den die Jahrhundertaufgabe Klimaschutz erfordert.“
Wie gesagt: Kaufhold outet sich hier als Jüngerin von Antonio Gramsci. Auf S. 119, am Ende ihres Kapitels, schreibt Kaufhold: „Folgt man Gramsci, haben Protestbewegungen, nicht aber Parteien das Potential, eine Neudefinition gesellschaftlicher Grundüberzeugungen zu bewirken, die kulturelle Hegemonie damit zu verschieben und die Möglichkeit grundlegender gesellschaftlicher Veränderungen zu schaffen.“ Es geht Kaufhold um real praktizierten Kulturmarxismus. Historisch gehen dessen Ideologie und Strategie auf Antonio Gramsci (1891–1937) zurück. Gramsci gab in seinen »Gefängnisheften« als Ziel an, die kulturelle und politische Hegemonie zu erringen, vor allem in den Bildungsanstalten, in Kulturszenen und in den Medien. Gramscis Ansatz ist ein ähnlicher wie Trotzkis Taktik des »Entrismus«. Trotzki (1879 – 1949) meint damit das Eindringen in eine Organisation, zum Beispiel in die Arbeiterbewegung. Notfalls als »Überwinterungs-Entrismus« auf einem »Langen Marsch« im Sinne Mao Zedongs. Ann-Katrin Kaufhold schickt sich mit Hilfe der SPD an, ihre Programmatik ins Bundesverfassungsgericht einzubringen. Wenn das nicht erfolgreicher „Entrismus“ im Sinne Trotzkis ist!
Es wird höchste Zeit, dass sich die CDU/CSU, die Partei Ludwig Erhards, endlich mit den ordnungspolitischen Vorstellungen der Kandidatin Kaufhold befasst. Denn was sie regelmäßig von sich gab, ist lupenreine rot-grüne Programmatik.
Also: Aufwachen! Die SPD mag zwar laufend Wahlen verlieren, aktuell bei 13 Prozent herumdümpeln, in einigen „neuen“ Länder gar demnächst an der 5-Prozent-Hürde scheitern. Über eine clevere, hinterhältige Personalpolitik im Sinne eines Marsches der 68er Enkel durch die Instanzen bleibt sie immer obenauf. Was braucht die SPD da noch Wahlen gewinnen? Aufwachen! Das gilt vor allem für die CDU/CSU, die sich mit der Brandmauer-Ideologie selbst Handschellen, Fußfesseln und Zwangsjacken angelegt hat und nun kurzatmig meint, mit einem von der 16-Prozent-Partei SPD herbeidiktierten Koalitionsfrieden einen Kanzler Merz über die Runden retten zu können.