Die SPD macht das Regieren zum Angsthasenduell

vor 7 Tagen

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Bildquelle: Tichys Einblick

Im Film „Footloose“ kommt es zum „Chicken Game“. Dabei fahren zwei Rivalen mit Traktoren oder Mähdreschern aufeinander zu. Wer zuerst bremst oder abspringt, hat verloren. In Footloose buhlen zwei Bewerber so um die Gunst der Pfarrerstochter. Für zwei junge Männer in der amerikanischen Provinz mag das ein angemessenes Verhalten sein. Dumm für Deutschland, dass die drittgrößte Industrienation der Welt von einer Koalition regiert wird, deren Vertreter ihren Zwist ebenfalls im „Chicken Game“ austragen.

Seit knapp zehn Wochen regiert Schwarz-Rot. Doch eigentlich steht seit November fest, dass Deutschland von dem regiert werden würde, was die alte Bundesrepublik – damals noch zu recht – „große Koalition“ genannt hat. Heute hat diese Koalition in den Umfragen keine Mehrheit mehr. Das, obwohl rund zehn Prozent der Wähler sich für Parteien entscheiden würden, die am Einzug ins Parlament scheitern würden. Dazu kommt noch das Fünftel der Bevölkerung, das gar nicht wählen gehen würde. Die „Volksparteien“, die einst die Bundesrepublik getragen haben, haben massiv an Vertrauen und Rückhalt verloren.

Viermal haben Union und SPD seit November ein „Chicken Game“ aufgeführt. Zweimal vor der Wahl, als es der CDU-CSU offiziell um den Kampf gegen die illegale Einwanderung ging. Zweimal danach: Als der Bundestag Friedrich Merz (CDU) zum Kanzler wählen sollte und am Freitag, als das Parlament drei frei werdende Richterstellen am Bundesverfassungsgericht besetzen sollte. In allen Fällen konnten – oder wollten – Union und SPD sich im Vorfeld nicht einigen. Die Traktoren krachten im Bundestag aufeinander, der musste seine Sitzung unterbrechen und die Koalitions„partner“ suchten hinter den Kulissen hektisch und verzweifelt nach Lösungen.

Im Film gibt es den Schurken und den Helden, der sich am Ende durch Zufall als der tapferere erweist – und der die Pastorentochter für sich gewinnt. Doch im richtigen Leben geht es nicht um die Gefühle einer verunsicherten Abiturientin mit Vaterkomplex. Im richtigen Leben geht es um die Traktoren. Denn die stehen für das Land, das die Protagonisten willentlich zerstören, wenn sie das Land wie hormongesteuerte Provinzlinge führen, denen es vor allem um die eigene Profilierung geht.

Für das „Quälen“, das sich die SPD vorgenommen hat, gibt es schon erste faktische Beispiele: Sozialministerin Bärbel Bas hat die dringend notwendige Reform des Bürgergelds auf unbestimmte Zeit abgesagt. Justizministerin Stefanie Hubig fordert öffentlich eine Verlängerung der „Mietpreisbremse“ über 2029 hinaus – obwohl im Koalitionsvertrag das Gegenteil steht. Und der Fraktionsvorsitzende Matthias Miersch will die Abtreibungsbefürworterin Frauke Brosius-Gersdorf den Christdemokraten nach der Sommerpause nochmal zur Wahl als Verfassungsrichterin vorsetzen.

Wäre es noch das oberste Ziel von Schwarz-Rot, das Land aus seiner multiplen Krise hinaus zu führen, dann käme es auf die Fraktionsvorsitzenden an. Sie entscheiden in einer Koalition grundsätzlich darüber, ob diese friedlich und zielgerichtet zusammenarbeitet – oder ob sie sich zu „Chicken Games“ im Parlament verabredet. Mit Jens Spahn führt die Unions-Fraktion ein politisches Schwergewicht, das aber zum einen angeschlagen ist durch seine Verstrickung in den Maskenskandal – und das in den letzten Jahren mehr damit beschäftigt war, selbst von seinem Talent zu schwärmen, als es tatsächlich zu zeigen.

Wörtlich übersetzt heißt Chicken Game „Hühnchenspiel“. Inhaltlich treffender wären „Feiges Hühnchen“-Spiel oder hübscher Angsthasenduell. Sich in Mutproben zu beweisen, ist was für kleine Jungs und Mädchen, die in der Grundschule ihre Hackordnung festlegen. Schon für Jugendliche, die um eine Pastorentochter werben, ist das ihrem Alter unangemessen. Für die Verantwortlichen der drittgrößten Wirtschaftsnation ist das unverantwortlich. Allzumal, wenn sie ihr Land gerade auf einen Schlag um zusätzliche 850 Milliarden Euro verschuldet haben.

Verantwortliche Politiker müssen ein „Bürgergeld“ reformieren, dessen Kosten dem Staat davon laufen, das Arbeiten unrentabel macht und Clans zum systematischen Betrug einlädt. Sie müssen es akzeptieren, dass Christdemokraten keine linke Aktivistin zur Verfassungsrichterin wählen können, die lebensfähige Kinder im Mutterleib töten lassen will. Entweder die SPD findet in der Regierung zu einem verantwortungsvollen Stil zurück oder die Partei erlebt, dass sie von 45 auf 15 Prozent fallen kann, ohne dass an dem Punkt für sie der Boden erreicht sein muss.

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