
„Sozialdemokratie“ ist ein schöner Begriff. Wer hat schon etwas gegen eine soziale Demokratie einzuwenden?
Er klingt nach Ideologieferne, nach einem umfassenden Blick aufs Ganze. Die Bezeichnung mutet fast heimatlich an, schließlich gibt es sie in Deutschland seit dem 19. Jahrhundert. Kaiserreich, Weimarer Republik, drittes Reich, geteilte und vereinte Bundesrepublik, alles hat die Sozialdemokratie mitgemacht. Eine politische Bewegung, die so sehr zu Deutschland gehört wie Bier und Butterbrot.
Auch das SPD-Logo kommt sympathisch daher. Es sieht nach bodenständiger Arbeiterpartei, nach Skatabenden in Reihenhäusern und verantwortungsvoller Politik aus. Eben nach der Partei, die in der Bundesrepublik Deutschland vier Kanzler stellte und seit 1998 nur vier Jahre lang nicht das Land regierte. Was könnte eine solche Partei anderes sein als eine Bastion der Vernunft in der politischen Mitte?
Das SPD-Logo kommt sympathisch daher. Es sieht nach bodenständiger Arbeiterpartei.
Und in der Tat, das Image hat sie in relevanten Teilen der Bevölkerung und politischen Öffentlichkeit, auch wenn sie schon lange keine Volkspartei mehr ist. Im Wahlkampf distanzierte die Union sich zwar vehement von einer Koalition mit den Grünen, die Möglichkeit der Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten stand hingegen nie zur Disposition. Viele der Linkspartei nahestehende Spaßvögel verorten die SPD regelmäßig gar im politisch rechten Spektrum. Natürlich ist die Partei nicht rechts, genauso natürlich ist sie aber auch nicht mittig.
Blöderweise ist die SPD keine pragmatische, keine ideologieferne, keine in der Realität verwurzelte Partei. Sie ist eine Partei, die mit dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gift namens Sozialismus nie gebrochen, sondern nur die Dosis reduziert und die Wirkung verlangsamt hat. Warum sonst sollte in ihrem Grundsatzprogramm ein Bekenntnis zum „demokratischen Sozialismus“ verankert sein? Jener bleibe für sie „die Vision einer freien, gerechten und solidarischen Gesellschaft, deren Verwirklichung für uns eine dauernde Aufgabe ist.
Friedrich Merz, Lars Klingbeil und Saskia Esken beim gemeinsamen Auftaktstatement der Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD zur Bildung einer neuen Regierungskoalition im Willy-Brandt-Haus.
„Nun könnte ich den alten Westerwelle-Spruch bemühen, dass „demokratischer Sozialismus“ eine so sinnvolle Wortkombination wie „vegetarischer Schlachthof“ ist. Ich könnte auch darauf hinweisen, dass es kein einziges historisches Beispiel für ein sozialistisches Land gibt, in dem Demokratie möglich war. Ich könnte ausführen, warum der totalitäre Staatseingriff in sämtliches unternehmerisches Handeln zwangsläufig in Kombination mit totalitärer Gesellschaftspolitik daher kommt. Aber selbst danach würde der gemeine Sozialist nur müde lächeln und mir vorwerfen, ich verstünde die glorreiche Idee nicht und würde das „wahre“ Gesicht des „demokratischen Sozialismus“ bis zur Unkenntlichkeit verzerren. Glücklicherweise hat die SPD vor weniger als zwei Jahren selbst verdeutlicht, was sie praktisch darunter versteht und an wem sie sich orientiert.
Am 11. September 2023 erinnerte die SPD auf ihrem X-Account an Salvador Allende. Die Partei bedauerte, dass 1973 ein Militärputsch die Herrschaft „des ersten demokratisch gewählten, sozialistischen Staatspräsidenten […] in Chile“ beendete. Der Parteivorstand erklärte, dass er Allende für seine „mutigen Ideen von einem freiheitlichen, demokratischen Sozialismus“ feiere. Dessen „Vision des ‚Sozialismus in Freiheit‘ und Allendes ‚Anstrengungen für ein gerechtes, sicheres Chile‘ wurden hervorgehoben.
Anfang März 2025: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (r) bekommt von Gabriel Boric, Präsident von Chile, im Amtssitz des Präsidenten, dem Palacio de la Moneda, im nachgebildeten Arbeitszimmer von Salvador Allende eine Platte mit Tonaufnehmen der letzten Rede des früheren Präsidenten.
Meine Güte, dieser Allende muss ja ein toller Hecht gewesen sein und viel für die Menschen erreicht haben, wenn er 50 Jahre nach seinem Tod immer noch ein Vorbild für die stolze Sozialdemokratie ist. Er regierte Chile von 1970 bis 1973. In der kurzen Zeit vollbrachte er das Kunstwerk, die Inflationsrate von 29 Prozent auf über 600 Prozent explodieren zu lassen. Er enteignete entschädigungslos Unternehmen, Banken, Großgrundbesitzer, den Bergbau, die Textilindustrie. Für Lebensmitteln und Mieten wurden Preise staatlich festgesetzt. Das Ergebnis: Rationierung und Massenverarmung.
Lebensmittelrationierung und über 600 Prozent Inflation, das ist der „demokratische Sozialismus“, von dem ausgerechnet die Partei träumt, die Deutschland in den letzten 27 Jahren fast ununterbrochen regierte. Falls sich noch mal jemand über die wirtschaftliche Dauerstagnation und Rezession hierzulande wundern sollte, das ist die Erklärung dafür.
Dass mit Saskia Esken seit 2019 eine Dame Parteivorsitzende spielen darf, die berüchtigter weise mal auf Twitter schrieb, dass jeder Mensch, der „Sozialismus negativ verwendet“, „halt einfach keine Ahnung“ hätte, ist dann der endgültige Beweis für die strukturelle Sozialismusverherrlichung in der SPD. Seit 2017 schließt die Partei keine Koalition auf Bundesebene mit der SED-Truppe mehr aus. Sie hat ein Verhältnis zur Meinungsfreiheit, das in der DDR eine gute Parteikarriere ermöglicht hätte. Die Erschließung immer neuer Einnahmequellen ist der rote Faden im sozialdemokratischen Weltbild. Die SPD ist eine Nimmersatt-Partei, nie wird ein Sozialdemokrat zu finden sein, der dem Staat genug Steuereinnahmen attestiert.
Die SPD ist im Jahr 2025 nur noch eine Partei für Bürgergeldempfänger, illegale Migranten, derzeitige Rentner und Staatsangestellte. Der Rest der Bevölkerung hat von den Sozialdemokraten nichts zu erwarten, außer pure Verachtung und beherzte Griffe ins Portemonnaie. Erhöhung des Spitzensteuersatzes, Erhöhung der Kapitalertragsteuer, Abschaffung der Spekulationsfrist bei nicht selbst genutzten Immobilien, Vermögensteuer, Finanztransaktionssteuer.
Jeder Satz, der von den SPD-Koalitionsplänen öffentlich wird, beweist das auf erschreckend deutliche Weise. Die Partei scheint sich mit einer Existenz deutlich unter 20 Prozent arrangiert zu haben. Deshalb wird sie auch nicht plötzlich zur Vernunft finden. Brutaler Lobbyismus für Transferempfänger reicht in Deutschland für 15–20 Prozent bei Wahlen. Warum etwas riskieren?
Die Diäten der verantwortlichen Spitzenpolitiker sind schließlich sicher. Und die Union ist aufgrund der Brandmauer auf Gedeih und Verderb an die Sozialdemokratie gefesselt.
Das SPD-Grundsatzprogramm benennt den „demokratischen Sozialismus“ als Vision, die SPD-Vorsitzende hat nur positive Assoziationen zum Sozialismus, der SPD-Vorsitzende ist stolz auf seine Antifa-Vergangenheit, die Jugendorganisation trägt Sozialismus im Namen, die Sozialdemokraten arbeiten fröhlich mit der Stasi-Partei zusammen, sozialistische Massenverelender wie Salvador Allende werden vom Parteivorstand gefeiert, die einzige Antwort auf jedes Problem lautet: Mehr Schulden, mehr Steuern, mehr Staat, mehr Sozialismus. Wenn Sozialisten sich zum Sozialismus bekennen, muss ihnen geglaubt werden. Mit „politischer Mitte“ hat all das jedenfalls nichts zu tun. Genau so nichts wie mit einem „Politikwechsel“ und einem wirtschaftspolitischen „Neuanfang“, Herr Friedrich Merz.
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