
Thüringens CDU-Chef hat ein Problem: Um am Donnerstag zum Ministerpräsidenten gewählt zu werden, braucht Mario Voigt neben den 44 Stimmen seiner neuen Koalition aus CDU, SPD und BSW noch eine weitere, um eine Mehrheit zu erhalten. Diese Stimme soll nun von der Linkspartei kommen, weshalb eigens ein „3 plus 1-Format“ erschaffen wurde. Einmal im Monat soll die Linkspartei von der Koalition zu Gesprächen eingeladen werden, um bei zentralen Reformvorhaben in Thüringen ihre Ideen einzubringen.
Durch die formelle Zusammenarbeit mit der SED-Nachfolgepartei, dessen Abgeordnete auch ins Antifa-Milieu beste Kontakte pflegen, bricht die Thüringer CDU ein zentrales Unionsversprechen: „Die CDU Deutschlands lehnt Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch mit der Alternative für Deutschland ab“, heißt es in einem Beschluss aus dem Jahr 2018.
Noch im Januar hatte auch der ehemalige Thüringer Ministerpräsident und heutige CDU-Ehrenvorsitzende Bernhard Vogel (CDU) eine Koalition mit der Linken für ausgeschlossen erklärt. Als „SED-Nachfolgepartei“ komme die Linke dafür nicht in Frage, schrieb der 91-Jährige dem heutigen CDU-Landeschef Mario Voigt ins Stammbuch. Nun also setzt die CDU in Thüringen auf einen formellen Zusammenschluss mit der Linkspartei, um die notwendige Stimme für die Ministerpräsidentenwahl zu ergattern.
Linken-Fraktionschef Christian Schaft, CDU-Landeschef Mario Voigt und SPD-Landeschef Georg Maier
Stellvertretende Landesvorsitzende der Linken in Thüringen ist Birgit Pommer, die bis vor kurzem noch im Thüringer Landtag saß. Pommer wurde 2019 als erste SEDlerin überhaupt an die Spitze eines bundesdeutschen Parlaments gewählt – übrigens mit Stimmen aus der AfD-Fraktion. Nachdem Pommer 1977 der DDR-Staatspartei beigetreten war, war sie in den 1980er Jahren hauptamtliche Funktionärin einer FDJ- und SED-Kreisleitung. Nach der Wende schloss sie sich der PDS an.
Mitglied des Vorstands ist auch Heike Werner, bis vor kurzem Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie unter Bodo Ramelow (Linkspartei). Werner trat 1988 in die SED ein und zählte 1989 zu den Gründungsmitgliedern der marxistischen Jugendbewegung „Junge Linke“. Die Wende machte ihrem Marxismus-Leninismus-Studium in Leipzig einen Strich durch die Rechnung.
Auch die Linkspartei wird älter, in der vergangenen Legislaturperiode gab es mehr SED-Kader, die im Parlament saßen. Neben der angesprochenen Birgit Pommer waren dies Karola Stange und auch André Blechschmidt. Letzterer war in der Linken-Fraktion bis 2024 Parlamentarischer Geschäftsführer. Der 67-Jährige studierte von 1977 bis 1982 Marxismus-Leninismus an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, in seinem offiziellen Lebenslauf spricht er beschönigend von einem Philosophiestudium.
Anschließend arbeitete Blechschmidt bei der SED-Bezirksleitung in Erfurt als Mitarbeiter in der Abteilung Kirchenfragen. Somit war er für den „Kontakt“ zu Kirchenleuten zuständig, was bedeutet: Auch die Überwachung von kirchlichen Veranstaltungen und von kirchlichen Kontakten in den Westen fiel mitunter in seine Verantwortung. Die Stasi-Spionageverwaltung registrierte ihn zusätzlich als „Inoffiziellen Mitarbeiter mit Arbeitsakte“ (IMA). Seine Akte gilt laut dem Historiker Hubertus Knabe als verschwunden.
Birgit Pommer war die erste Landtagspräsidentin in Deutschland, die zuvor Mitglied der SED war.
Interessant im Zusammenhang mit der DDR ist auch die Personalie Tilo Kummer, der Voigts Koalitionspartner BSW angehört. Laut der Thüringer Allgemeinen könnte der ehemalige Angehörige des DDR-Staatssicherheitsdienstes unter Mario Voigt (CDU) ein Regierungsamt erhalten. Etwas mehr als zwei Jahre diente Kummer in der DDR im „Wachregiment Feliks E. Dzierzynski“. Der Mauerfall verhinderte ein drittes Jahr im Dienst.
Kummers Vergangenheit sorgte 2014 dafür, dass er unter der rot-rot-grünen Regierung von Bodo Ramelow keinen Ministerposten erlangte. „Für Bodo Ramelow ist die Sache klar: In die rot-rot-grüne Regierung kommt keiner, der zu staatsnah war“, schrieb damals die Thüringer Allgemeine. Ramelow traf die Entscheidung, obwohl der Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Christian Dietrich, festgestellt hatte, dass Kummers Dienst aus seiner Sicht kein Hinderungsgrund für ein öffentliches Amt darstelle. Für Voigt scheint die Vergangenheit Kummers ebenfalls kein Problem zu sein.
Doch zurück zur Linkspartei: Neben den alten SED-Seilschaften gibt natürlich noch eine weitere offene Flanke: die Verbindungen ins linksextremistische Milieu. Über langjährige Kontakte verfügt zum Beispiel die Landtagsabgeordnete Katharina König-Preuss. Sie hält die „Antifa für unverzichtbar“. König-Preuss nahm an gemeinsamen Veranstaltungen mit linksextremen Gruppierungen wie der „Roten Hilfe“ oder „Dissens – Antifa Erfurt“ teil. Im Landtag posiert sie offen mit der Flagge der „Antifaschistischen Aktion“, auch wenn ihr Kollege Ronald Hande (Linke) im folgenden Video versuchte, das Logo zu verbergen:
Ein Dreh- und Angelpunkt der linken Szene in Thüringen war lange Jahre das Redroxx Jugendcafé in Erfurt. Nach 20 Jahren war jedoch im September dieses Jahres Schluss. In den Räumlichkeiten des Cafés hatten die frühere Thüringer Fraktionsvorsitzende der Linken, Susanne Hennig-Wellsow, und der heutige Fraktionschef Christian Schaft ihr Wahlkreisbüro. Mehrmals fanden dort Durchsuchungen der Polizei statt. Zum einen, weil jugendliche Straftäter im Café vermutet wurden, die Körperverletzungsdelikte begangen haben sollen. In einem anderen Fall aufgrund von Ermittlungen gegen fünf Verdächtige, die in Erfurt Veranstaltungen organisiert und unterstützt haben, bei denen für die kurdische Terror-Organisation PKK geworben wurde.
Linken-Fraktionschef Schaft steht zudem dem Verein VVN-BdA nahe, der seit seiner Gründung durch das Bundesamt und mehrere Landesämter für Verfassungsschutz beobachtet und als „linksextremistisch beeinflusste Organisation“ eingestuft wurde. Schaft macht immer wieder Werbung für Veranstaltungen des VVN-BdA und ist mit seinen Mitgliedern bestens vernetzt.