
Weil Friedrich Merz die Stimmen der Grünen für das Sondervermögen benötigte, versprach er 100 Milliarden Euro für den Klima- und Transformationsfonds. Doch im Koalitionsvertrag ist jetzt ein merkwürdiger Satz aufgetaucht, der diese Abmachung in ein ganz anderes Licht rückt: Möglicherweise könnten Union und SPD die 100 Milliarden Euro für alles Mögliche ausgeben. Die Grünen wären somit ausgetrickst worden – aber auch der normale Bürger, dem eigentlich ein Klimageld versprochen worden war.
Der Reihe nach: Um das Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro zu ermöglichen, brauchte es eine grundgesetzändernde Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag – wohlgemerkt dem alten Parlament, weil es eine solche Mehrheit ohne die AfD oder die Linke jetzt nicht mehr gibt. Die Grünen sträubten sich jedoch – Merz versprach daraufhin, 100 Milliarden Euro der neuen Schulden für den Klimaschutz in den KTF zu überführen, die Grünen stimmten zu.
Die restlichen 400 Milliarden sind für Investitionen in die Infrastruktur vorgesehen – ein äußerst breites Feld. Außerdem sind nach der Grundgesetzänderung neue Schulden in Höhe von bis zu 1,7 Billionen Euro möglich, errechnete der Wirtschaftsexperte Tobias Hentze vom Institut der deutschen Wirtschaft (Apollo News berichtete).
Was passiert denn aber nun mit den versprochenen Milliarden für den KTF? „Wir führen dem KTF aus dem Sondervermögen jedes Jahr Mittel in Höhe von rund zehn Milliarden Euro zu“, heißt es dahingehend zunächst im Koalitionsvertrag. Auf zehn Jahre ergibt das die 100 Milliarden Euro. Soweit so gut. Doch dann folgt die überraschende Zeile 1707: „Alle Einnahmen stehen grundsätzlich dem Gesamthaushalt zur Verfügung.“
Das würde aber bedeuten, dass Union und SPD das Geld gar nicht – wie zuvor den Grünen versprochen worden war – für Klimaschutzmaßnahmen im Gebäudebau und bei der Infrastruktur einsetzen müssten, sondern auch an anderer Stelle verausgaben können. Gegenüber der Welt spricht ein SPD-Haushaltspolitiker von einem „redaktionellen Versehen“ – korrigiert wurde es bislang offenbar aber nicht. Warum auch: Die Haushaltspolitiker der Union sehen keine „zweckgerichtete Bindung von Einnahmen“ beim KTF.
Sollte der Satz bestehen bleiben, könnten Union und SPD das Geld verwenden, um beispielsweise das kritisierte CSU-Vorhaben der Mütterrente zu finanzieren. Es müsste aber gar nicht so spezifisch sein: Die designierten Regierungsparteien könnten die Milliarden auch einfach so auf die Ministerien aufteilen, wie es ihnen beliebt.
Das hätte vor allem einen großen Vorteil: Das Haushaltsloch, das unter Finanzminister Christian Lindner durch Einsparungen gestopft werden sollte, könnte mitunter durch Umverteilung aus dem KTF ausgeglichen werden. Lindner wollte eine neue Schuldenaufnahme und Mehrausgaben verhindern – und musste dafür schließlich seinen Posten räumen. Die Union teilte damals seine Position, könnte jetzt aber den Spieß umdrehen.
Ein Sprecher des Bundesvorsitzenden der SPD und antizipierten Finanzministers Lars Klingbeil äußert sich gegenüber Welt anders: „Im Koalitionsvertrag ist klar beschrieben, dass dem KTF Geld zugeführt wird und wofür die Mittel des KTF ausgegeben werden sollen. Der von Ihnen beschriebene Satz hat darüber hinaus keine Relevanz.“
Und tatsächlich heißt es nur wenige Absätze über der ominösen Zeile 1707: „Die Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung geben wir an Verbraucherinnen und Verbraucher und die Wirtschaft zurück: durch eine spürbare Entlastung beim Strompreis und durch die Förderung von Investitionen in die Klimaneutralität.“ Die Frage ist jedoch, ob nicht diese Formulierung einen weiten Interpretationsspielraum bieten könnte und welcher Satz jetzt eigentlich schwerer gewichtet wird.
Interessant ist auch, dass an dieser Stelle die Einführung des sogenannten Klimagelds keine Erwähnung findet. Das war eigentlich schon Teil des Koalitionsvertrags der Ampel, fand in Form des „Klimabonuses“ auch im Wahlprogramm der Union Platz und sollte direkte Überweisungen an die Bürger darstellen. Denn: Der KTF finanziert sich aus den auf CO₂ erhobenen Emissionsabgaben – die Unternehmen oftmals auf den Konsumenten abwälzen, zum Beispiel an der Tankstelle.
Schon dieses Prinzip des Emissionshandels ist also letztlich für den normalen Bürger eine finanzielle Mehrbelastung. Sollte der KTF jetzt statt für das Klimageld sogar für Haushaltsaufstockungen genutzt werden, müsste der Bürger zweimal zahlen, statt entlastet zu werden: Einmal, weil die Unternehmen aufgrund der Emissionsabgaben die Preise erhöhen, und ein zweites Mal, wenn es irgendwann einmal um die Rückzahlung der für das Sondervermögen aufgenommenen Schulden geht – denn die lassen sich in der Regel nur durch Steuern finanzieren.
Und weil der KTF jährlich Einnahmen von dutzenden Milliarden Euro vorweist, könnten Union und SPD durch Umverteilung so tun, als wäre die Lage im Haushalt stabil – künftige Generationen dürften diesen Mechanismus dann aber mit hohen Abgaben ausgleichen.