Trauriger Trend bei Studenten: Lieber Staatsdienst als Arbeiten in der Wirtschaft

vor 4 Monaten

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Die mittelständische Wirtschaft und die Familienunternehmen in Deutschland suchen händeringend Nachfolger für Betriebe. Ein Viertel der Studenten in Deutschland zieht es allerdings in den öffentlichen Dienst und nicht in die freie Wirtschaft. Schule, Politik und Medien tragen dazu bei, dass der Staatsdienst beliebt und Unternehmertum verschrien ist.

Drei Viertel aller Studenten wollen nach ihrem Studium angestellt arbeiten – nur 25 Prozent wünschen sich die Selbstständigkeit. Fast jeder Vierte bezeichnet den Öffentlichen Dienst bei einer Festanstellung als besonders attraktiv. Vor allem Frauen: Jede dritte Studentin (30 Prozent) kann sich einen Job beim Staat beziehungsweise bei den Bundesländern vorstellen, während das bei den Männern nur 17 Prozent wollen. Auch bei Jura-Studenten rangiert der Öffentliche Dienst bei 42 Prozent auf Platz eins der beliebtesten Branchen, fand die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY im Herbst in einer Umfrage heraus.

Erstsemester an der Uni Köln. Viele junge Leute haben von vornherein keine Lust auf Karriereleiter in der freien Wirtschaft und peilen einen Behördenjob an.

In wirtschaftlich herausfordernden Zeiten, wie wir sie gerade erleben, ist der Wunsch nach Jobsicherheit erklärlich. Studenten erwarten im öffentlichen Dienst einen sicheren Job, attraktive Arbeitszeiten und zumeist auch eine ausgewogene Work-Life-Balance.

Allerdings sei das dann laut der Studie eher eine Zweckehe, nach dem Motto: Hauptsache sicher und geregelt; ob der Job auch wirklich Spaß macht, ist erstmal zweitrangig. Am wichtigsten sind Studenten das Gehalt und steigende Löhne (47 Prozent) sowie die Jobsicherheit (42 Prozent). Auch die Möglichkeit, flexibel zu arbeiten sowie Privatleben und den Job gut zu vereinbaren, sind rund 38 Prozent sehr wichtig. 34 Prozent wünschen sich auch die Nähe zum eigenen Wohnort. Jeder Vierte hält Homeoffice für wichtig. Große Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt es bei der Frage der Work-Life-Balance. Hier legen 45 Prozent der Studentinnen großen Wert darauf, während dies nur 31 Prozent der Männer wichtig ist.

Im Jahr 2023 waren im öffentlichen Dienst etwa 5,3 Millionen Menschen beschäftigt. Das entspricht etwa 12 Prozent aller Erwerbstätigen. Die Hälfte der Beschäftigten im öffentlichen Dienst arbeitet bei den Bundesländern. Die Beschäftigung im öffentlichen Dienst ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Lag die Anzahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst im Jahr 2008 noch bei rund 4,5 Millionen Menschen, so stieg sie bis 2020 auf knapp fünf Millionen Menschen.

Knapp 40 Prozent der mittelständischen Betriebe hierzulande sind laut einer Analyse der Wirtschaftsauskunftei Creditreform potenziell reif für die Übergabe. Das heißt: Der oder die Inhaber sind älter als 60 Jahre, sodass in den kommenden Jahren eine Übergabe erforderlich ist. Das bedeutet, dass aktuell rund 145.000 der gut 373.400 Unternehmen jemanden finden müssen, der oder die den Laden übernimmt und weiterführt. Besonders groß ist die Dringlichkeit in der Dienstleistungsbranche. Hier sind mit rund 53.000 die meisten Unternehmen betroffen. Auch im Handel (37.000) und im verarbeitenden Gewerbe (27.500) steht in vielen Betrieben in den nächsten Jahren ein Wechsel in der Geschäftsführung an. Wenn sich keine Nachfolge findet, werden diese Betriebe dann einfach stillgelegt und verschwinden vom Markt. Und mit ihnen die Arbeitsplätze und die Steuereinnahmen für Bund, Länder und Kommunen – mit denen unter anderem die Gehälter im öffentlichen Dienst bezahlt werden. Laut einer Umfrage der Industrie- und Handelskammern allein in Nordrhein-Westfalen erwartet dort jedes zehnte Unternehmen, keine Nachfolge zu finden, und bereitet sich auf eine Stilllegung vor.

Traumberuf Sachbearbeiter?

Das Problem der Nachfolge verschärft sich zusätzlich dadurch, dass jeder fünfte Student in Deutschland gar nicht in Deutschland bleiben will, sondern ernsthaft darüber nachdenkt, ins Ausland zu gehen. Der Wille zur Abwanderung nimmt deutlich zu. Das geht aus einer Umfrage von Jobvalley und dem Department of Labour Economics der Universität in Maastricht ebenfalls aus diesem Herbst hervor. Angesichts von aktuell rund 2,9 Millionen Studentinnen und Studenten in Deutschland würde der Verlust auf die Abwanderung von 333.500 sehr gut ausgebildeten jungen Frauen und Männern hinauslaufen.

Die Gründe für eine Abkehr von Deutschland reichen von einer als eher gering empfundenen Attraktivität des Standorts bis zur konkreten Bürokratie-Last. Außerdem gaben Befragte an, dass die Hoffnung auf Jobchancen und ein gutes Gehalt im Ausland größer ist. 20 Prozent wollen möglichst schnell raus aus Deutschland. Weitere 25 Prozent können sich nichts Besseres vorstellen, als zunächst einmal beim Staat zu arbeiten. Bedeutet also, dass knapp die Hälfte derjenigen, die in Deutschland studieren und einen Abschluss machen, gar nicht für Unternehmen in Deutschland zu haben ist. Unternehmen, die händeringend gut ausgebildete Menschen suchen und bei denen die Existenz genau davon abhängt.

In Deutschland gibt es also ganz offensichtlich ein Problem mit Unternehmertum, Selbstständigkeit und Bereitschaft zum Risiko. Denn genau das ist es, was mit der Übernahme eines Unternehmens zusammenhängt. Das sind natürlich große Herausforderungen. Aber es sind nun mal gleichzeitig auch die Grundlagen für Wohlstand, Stabilität und Wachstum – und das nicht nur für den Unternehmer, sondern auch für alle Mitarbeiter und die Volkswirtschaft insgesamt.

Natürlich tragen die schlechten wirtschaftlichen Zeiten, in denen wir in Deutschland momentan leben, zu dieser Entwicklung bei. Mitten in einer der schwersten Rezessionen der letzten 50 Jahre Unternehmen zu übernehmen, weiterzuführen und auszubauen, das ist schon eine extrem herausfordernde und risikoreiche Aufgabe.

Gerade jetzt im Wahlkampf hören wir vor allen Dingen von SPD, Linken und Grünen wahre Hasstiraden und Kampagnen gegen angeblich nur profitgierige, selbstsüchtige und rücksichtslose Unternehmerinnen und Unternehmer. In Medien und Kultur werden Unternehmer genauso wie Managerinnen und Manager prinzipiell als verlogen, hinterlistig und gemeingefährlich dargestellt, egal ob das in Nachrichtenmagazinen wie Panorama oder Monitor stattfindet oder auch im Tatort.

Manager sind im „Tatort“ oft die Bösen

In 39 untersuchten „Tatort“-Folgen der vergangenen sechs Jahre waren Unternehmer, Manager und Selbständige die Mörder, ergab eine Auswertung des Bundesverbands der mittelständischen Wirtschaft (BMVW) Anfang 2024. Mit weitem Abstand folgen in den Drehbüchern der ARD-Produktion demnach Berufskriminelle. Sie waren in 28 Fällen die Täter. Danach kamen Polizisten, die in 23 Folgen die Täter waren. Nicht viel besser sieht es in der Schule aus. Denn ebenfalls zu Beginn 2024 belegte eine Studie des Zentrums für ökonomische Bildung an der Universität Siegen, dass in Schulbüchern Unternehmer an sich eher als Problem dargestellt werden, der Staat dagegen als treu sorgender Held und Retter.

Die Studie spricht explizit von einem „sehr begrenzten, teilweise Karikatur ähnlichen Zerrbild von Unternehmern“. Genauso heißt es in der Studie: Schulbücher vermitteln nur im seltenen Fällen ökonomisches Denken. Man spreche zwar über Wirtschaft, aber nicht aus der notwendigen fachwissenschaftlichen Perspektive. Vor diesem Hintergrund ist es dann eben doch nicht mehr verwunderlich oder gar überraschend, dass viele junge Leute gerne in der Obhut des Staates arbeiten wollen.

* Prof. Dr. Andreas Moring ist Wirtschaftsprofessor und langjähriger Unternehmer in der Digitalwirtschaft aus Hamburg

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