
Ab 2026 soll der gesetzliche Mindestlohn von derzeit 12,82 Euro auf 13,90 Euro pro Stunde angehoben werden – ein Plus von 8,4 Prozent. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts würden davon rund 6,6 Millionen Arbeitnehmer profitieren, deren Stundenverdienst aktuell unter dieser künftigen Schwelle liegt.
Doch die Anhebung des Mindestlohns hat auch ihre Kehrseiten. Eine wissenschaftliche Analyse des Mannheimer Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) widmet sich gezielt den möglichen negativen Auswirkungen dieser Anhebung.
Die FAZ berichtet über das Ergebnis der bisher noch unveröffentlichten Studie: Insbesondere Arbeitsplätze sind gefährdet, die bislang am oder nur knapp über dem Mindestlohnniveau vergütet wurden. Hintergrund ist, dass viele Arbeitgeber nicht bereit sind, die höheren Lohnkosten für Arbeitskräfte zu zahlen, die häufig weder eine Ausbildung noch eine vergleichbare Qualifikation besitzen. Eine mögliche Folge ist zudem, dass gering qualifizierte oder ungelernte Arbeitskräfte von Unternehmen seltener eingestellt werden.
Außerdem zeichnet sich die Tendenz ab, dass auch Beschäftigte in höheren Einkommensgruppen Lohneinbußen hinnehmen müssen. Der Hauptgrund liegt darin, dass die zusätzlichen Kosten für die Gehälter von Mindestlohnempfängern das Budget für die gesamten Personalkosten eines Unternehmens belasten. Um diese Mehrkosten auszugleichen, können Unternehmen Maßnahmen ergreifen, wie etwa die Begrenzung von Lohnerhöhungen in mittleren und oberen Einkommensgruppen, um so die Gesamtausgaben im Personalbereich stabil zu halten.
Insbesondere bei Unternehmen mit geringen Rücklagen und begrenztem Budget könnte dies außerdem zu Einsparungen oder Kürzungen bei Zusatzleistungen und Boni führen, die besserverdienende Mitarbeiter bislang erhalten haben.
Ein weiterer Problempunkt ist die Inflation, die durch die Anhebung des Grundgehalts angeheizt wird. Die Erhöhung des Mindestlohns setzt ein wirtschaftliches Phänomen in Gang, das als Lohn-Preis-Spirale bekannt ist. Die Lohn-Preis-Spirale beschreibt einen zyklischen Prozess, bei dem sich Löhne und Preise gegenseitig nach oben treiben und verstärken.
Der Mechanismus verläuft folgendermaßen: Lohnerhöhungen führen zu steigenden Produktionskosten für Unternehmen. Um diese Mehrkosten auszugleichen, erhöhen die Unternehmen die Preise für ihre Produkte und Dienstleistungen. Die höheren Preise wiederum mindern die Kaufkraft der Arbeitnehmer, was dazu führt, dass diese – häufig mit Unterstützung von Politik und Gewerkschaften – erneut höhere Löhne fordern, um ihren Lebensstandard zu sichern. Darauf reagieren die Unternehmen wiederum mit weiteren Preiserhöhungen. Der Kreislauf findet kein Ende.
Während durch die Anhebung des Mindestlohns also ein Scheinbild wirtschaftlicher Entlastung für Mindestlohnempfänger vermittelt wird, ist dies in Wahrheit ein Trugschluss – tatsächlich wird die Teuerung dadurch weiter angeheizt: Geringverdiener stehen weiterhin unter Druck, und auch Unternehmen sehen sich mit Herausforderungen konfrontiert.
Vor allem Unternehmen in Branchen mit hohen Personalkosten, insbesondere im konsumorientierten Bereich, in dem viele Mindestlohnjobs existieren, werden belastet. In der Gastronomie können die Personalkosten bis zu 80 Prozent der Gesamtkosten ausmachen, teilweise sogar darüber hinaus. Handels-, Handwerks- und Produktionsbetriebe erreichen Personalkostenquoten von 30 Prozent bis über 50 Prozent. Auch Landwirtschaft und Einzelhandel sind betroffen.
Die Belastung entsteht vor allem dadurch, dass die zusätzlich entstehenden Lohnkosten häufig nicht an die Endkunden weitergegeben werden können. In Branchen wie Gastronomie, Einzelhandel oder Handwerk gibt es oft viele Wettbewerber – Kunden weichen bei Preiserhöhungen schnell auf günstigere Angebote der Konkurrenz aus.
Durch steigende Lohnkosten haben die Betriebe im Wesentlichen zwei Optionen – und beide sind ungünstig: Entweder sie geben die Mehrkosten an die Kunden weiter, was zu sinkender Nachfrage führt, somit sinkende Einnahmen zur Folge hat und letztlich in der finanziellen Krise mündet, oder sie tragen die Kosten selbst, was letztlich dasselbe zur Folge hat.
Es wird immer deutlicher: Die Mindestlohn-Erhöhung hat keineswegs nur positive Seiten – im Gegenteil, für viele Kritiker überwiegen die Nachteile.