
Nach dem glanzvollen Bankett im Schloss Windsor ließ sich Trump auch beim britischen Premierminister auf dessen Landarbeitssitz Chequers sehen. Vor historischer Kulisse antwortete Trump wie immer auf einen bunten Strauß an Fragen, etwa auch zur Biden-Autopen-Affäre, die immer schlimmer werde, und natürlich zu den US-Friedensbemühungen in der Ukraine. Auch da war nicht alles eitel Harmonie. Doch ein Thema stach wirklich heraus wie eine schottische Distel: die Meinungs- und Redefreiheit, die heute auf der Insel genauso wie in der EU gefährdet ist.
Es war die erste Journalistin seiner Wahl, zufällig eine in den USA lebende Britin, die umgehend zwei brennende Fragen an Keir Starmer stellte. Trump gab sich enttäuscht, auch wenn die Fragestellerin mit einem Kompliment für Trump begann: „In den Wochen, in denen ich in Washington D.C. war, fand ich es wirklich interessant zu sehen, wie Sie das Land als stolzer christlicher Führer regieren. Daher meine Frage an den Premierminister: Sind wir noch ein christliches Land?“ Trumps verschmitzte, nur scheinbar hilflose Reaktion zeigt: Er ist nicht der Meinung, dass Großbritannien noch ein christliches Land ist. Starmer sagte etwas über seine eigene Kirchenbindung und über andere Glaubensrichtungen, die man feiern wolle.
Die zweite Frage interessierte Trump schon eher: „Was ist eigentlich mit den 12.000 Festnahmen wegen Social-Media-Posts?“ Trump wandte sich hier mit einer Verbeugung an Starmer: „Ich hätte gerne eine Antwort von Ihnen dazu.“ Und Starmer sagte, was er eigentlich immer auf diese Frage antwortet: „Die freie Rede hat es lange in diesem Land gegeben.“ Oder noch deutlicher bei der zweiten Frage in diese Richtung: „Dieses Land hatte freie Rede für eine sehr, sehr lange Zeit.“ Dieser Satz steht eindeutig in der Vergangenheitsform. Es scheint bedenklich, dass Starmer, wann immer er zu diesem Thema gefragt wird, in einer Vergangenheitsform spricht, quasi zum Historiker wird.
Die Frage ist nun, auf wen die Starmer-Regierung eifersüchtig ist und wen sie aus dem Weg beißen will. Interessant sind jedenfalls die Konnotationen, der Subtext von Starmers Worten. Er sagte dann noch: „Wir werden gegen jede Einschränkung der Meinungsfreiheit vorgehen.“ Und immer noch die martialische Sprache. Und eigentlich kann man ja nicht einmal wirklich gegen etwas sein, das man selbst aktuell immer wieder ins Werk setzt. Tatsächlich ging die Regierung zuletzt immer wieder gegen ihre Kritiker vor, 12.000 Mal pro Jahr, wenn man der US-Britin glauben mag.
Trump tat an dieser Stelle nicht viel mehr, als bedeutungsvoll zu nicken. Sonst hätte er wohl das diplomatische Protokoll verletzt, was hier nicht sein Interesse war. Interessant sind die Ausnahmen, die Starmer im folgenden nennt, Ausnahmen zu jenem „Grundwert“ der freien Rede: Wer die freie Rede nutzt, um „Pädophilie und Selbstmord in sozialen Medien an Kinder zu verbreiten “, dessen Redefreiheit müsse eingeschränkt werden. Abseits davon, dass Starmers genau so vorgetragener Satz eigentlich keinen Sinn ergibt („the speech of those that want to peddle pedophilia and suicide [on?] social media to children“), zeigt sich hier derselbe Versuch, wie ihn gerade auch die vereinten EU-Institutionen – noch mit Ausnahme des Rats – unternehmen.
Das alte Europa scheint nach einem Schlupfloch für die Überwachung zu suchen und findet dieses in einem vagen „Schutz“ von Kindern und offenbar Erwachsenen entweder vor pädophilen Inhalten oder vor den Advokaten von Selbstmord. Morgen wird man andere gefährliche Themen finden, vor denen die Bevölkerung „geschützt“ werden muss. Es gibt aber kein Leben ohne Gefahr, und Äußerungen zu verbieten, wo eigentlich das Strafrecht greifen müsste, vor allem und eindeutig bei Kinderpornographie, zeugt nicht von Souveränität. Der Unterschied zwischen Verbrechen und legalen Meinungsäußerungen soll hier verwischt werden, das ist in vielerlei Hinsicht falsch, hat aber auf der Insel schon fast Tradition. Man redet dort gerne von „harm“, Schaden, der durch sprachliche Äußerungen angerichtet werde.
Die Regierungen brauchen aber nur eine solche Ausnahme zur freien Rede, um ein Mandat für die Überwachung aller menschlichen Äußerungen zu bekommen. Dann können „Meldestellen“ eingerichtet werden, es folgt die nachrichtendienstliche Aufklärung (Spionage) und am Ende die Zensur der inkriminierten Nachrichten, Posts, vielleicht sogar E-Mails. Der britische „Online Safety Act“ erlaubt so etwas schon heute, angeblich ist es nur „technisch“ noch nicht durchführbar, ohne verschlüsselte Chats aufzubrechen.
Derzeit scheint es so, als sei das US-amerikanische Portal Bible Gateway von einem Online-Verbot betroffen, das für Großbritannien und die EU gilt. Das Portal ist in UK wie EU offline, aber in den USA und der Schweiz abrufbar. An genuin „technischen Problemen“, wie die Seite schreibt, scheint das nicht zu liegen. Ein Theologe vermutet, dass eine Anwendung von Online-Gesetzen hinter der Schließung steht, wie berichtet. Das würde bedeuten, dass in diesem Fall eine evangelikal-christliche Website nicht mehr in der EU und Großbritannien einsehbar und benutzbar sein soll. Und so finden die beiden Fragen der Journalistin noch einmal zusammen.