Umverteilungsoffensive: Jetzt drängt die SPD auf eine umfassende Beitragserhöhung

vor etwa 7 Stunden

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Alle Jahre wieder melden die deutschen Sozialkassen wachsende Defizite. Vor allem die gesetzliche Rentenversicherung gerät unter demografischen Druck, weil eine sinkende Zahl Erwerbstätiger für immer mehr Rentenbezieher aufkommen muss. Im vergangenen Jahr lag das Defizit der deutschen Rentenversicherung nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes bei rund zwei Milliarden Euro. Im laufenden Jahr könnte das Defizit nach Schätzungen des Sozialbeirats der Bundesregierung auf bis zu sieben Milliarden Euro anwachsen. Das ist eine ungesunde Entwicklung und erhöht den Reformdruck auf die Politik.

Dieser Reformzwang wächst mit zunehmender Alterung der Gesellschaft. Bereits in diesem Jahr geht das Statistische Bundesamt davon aus, dass einem Erwerbstätigen zwei nicht Berufstätige über 65 Jahre gegenüberstehen – Tendenz steigend. Die Debatte um die Erhöhung des Renteneintrittsalters ist politisch heikel und dürfte in der gegenwärtigen Regierungskonstellation in Berlin weiter vertagt werden. Es scheint zudem ausgeschlossen, dass die für das Rentenressort verantwortlichen Sozialdemokraten Rentenempfängern Nullrunden zumuten werden, um die Kassenlage zu stabilisieren. Und auch ein ökonomisches Wunder mit neuer Rekordbeschäftigung zur Ausweitung des Beitragsvolumens ist für die nächste Zeit nicht zu erwarten.

Bleiben zwei weitere Möglichkeiten: Da wäre zum einen eine weitere Anhebung des Bundeszuschusses an die Rentenkasse. Dieser betrug im vergangenen Jahr 110 Milliarden Euro. Zum anderen könnte man eine Erweiterung der Beitragszahlerbasis um Berufsgruppen ins Auge fassen, die bislang eigene Altersvorsorge betreiben. Womit wir wieder bei den Selbständigen und Freiberuflern wären.

Auf diese Gruppe hat es nun die neue Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas von den Sozialdemokraten abgesehen. In einem Gespräch mit der Funke-Mediengruppe am Sonntag schlug Bas vor, Selbständige und Beamte grundsätzlich stärker in die Sozialversicherung einzugliedern: „Wir müssen mehr Leute an der Finanzierung der Rentenversicherung beteiligen. In die Rentenversicherung sollten auch Beamte, Abgeordnete und Selbstständige einzahlen. Wir müssen die Einnahmen verbessern.“ Sie betonte weiter, dass sie in diesem Punkt „nicht flexibel“ sei und dass die von der Koalition vereinbarte Rentenkommission nun Vorschläge zur Ausgestaltung machen solle.

Wir können davon ausgehen, dass die Politik im Verlauf dieser Debatte wieder einmal die Karte der sozialen Gerechtigkeit ziehen wird – eine rhetorische Fluchtburg, wenn man reformunwillig wieder einmal gegen eine Wand gelaufen ist und die Kassen knapp werden.

Die Wortwahl klingt zunächst harmlos, doch ist der politische Gehalt explosiv. Denn hinter dieser Forderung steht nicht nur eine potenzielle Kostenlawine für Millionen Selbständige, sondern auch ein System, das sich zunehmend als instabil und überlastet erweist. Zuletzt ist der Rentenbeitragssatz auf 18,6 Prozent angestiegen – eine für viele Selbständige und Freiberufler mit geringem Verdienst zu schwere Bürde, um ihren Beruf weiter ausüben zu können. Die verpflichtende Eingliederung in die gesetzliche Renten- oder Krankenversicherung würde bedeuten: Abgabenpflicht auf Einkommen – unabhängig von Auftragslage, Gewinnhöhe oder Altersvorsorgekonzept. Und dies vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Rentenkasse heute weniger einem sicheren Hafen gleicht als einem umverteilenden Notstandsmechanismus: Wer zahlt, zahlt in ein Fass ohne Boden – wer profitiert, profitiert auf Pump.

Für viele Selbständige, insbesondere in der Kultur-, Kreativ- und Digitalwirtschaft, sind steigende Fixkosten ein unmittelbarer finanzieller Risikofaktor. Anders als Angestellte erhalten sie kein Co-Sponsoring in Form eines Arbeitgeberanteils zur Sozialversicherung – sie müssten die Beiträge selbst tragen, unabhängig von ihrer ökonomischen Situation.

Ein Ein-Mann-Unternehmer müsste künftig nicht nur die vollen Beiträge selbst tragen, sondern sich auch in ein Umlagesystem einfügen, das bereits heute unter struktureller Schieflage leidet und bis 2023 aller Voraussicht nach um 35 Prozent teurer wird. Selbständige wären dann nicht mehr frei, ihre Altersvorsorge über Immobilien, ETFs oder private Rentenverträge zu gestalten. Der Vorwurf der Politik, zahlreiche Selbständige sorgten nicht für ihr Alter vor, da sie die gesetzliche Garantierente einkalkulierten, ist ein Scheinargument.

Die Abgabenlast für viele Selbständige in Deutschland ist schlicht zu hoch, um eine eigene Altersvorsorge aufzubauen. Hier wäre der Gesetzgeber gefragt, durch geeignete Maßnahmen Spielraum für Steuersenkungen zu schaffen. Davon ist in Berlin allerdings seit Jahren keine Rede mehr. Im Gegenteil: Angesichts der Rentendynamik ist davon auszugehen, dass der Rentenbeitragssatz in den kommenden zehn Jahren weiter steigt und sich dann bei 22,3 Prozent bewegen wird.

Der Vorschlag der Ministerin ist der Versuch, neue Zahler in das bestehende System zu zwingen – koste es, was es wolle. Zwar sind manche Selbständige über Versorgungswerke abgesichert. Das gilt für Ärzte und Rechtsanwälte. Doch viele Soloselbständige und Freiberufler tragen ihre soziale Absicherung eigenverantwortlich – flexibel, individuell, aber eben auch ohne staatliche Lenkung.

Der Vorstoß von Bas blendet die tatsächliche Lage in der Wirtschaft vollständig aus. Nach Angaben von Creditreform stieg die Zahl der gewerblichen Insolvenzen im vergangenen Jahr um 24,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Solo-Selbständige waren mit einem Anstieg der Pleiten von über 35 Prozent überproportional vertreten. Ursachen für die Pleitewelle sind neben der chronischen Schwäche der Wirtschaft und Auftragsmangel vor allen Dingen steigende Miet- und Energiekosten sowie Steuern. Auch steigende Bürokratiekosten drängen Kleinunternehmer und Freiberufler vermehrt ins ökonomische Abseits.

Mit der Zwangsversicherung würde die Politik einen wichtigen Faktor des ökonomischen Fundaments unseres Landes erheblich schwächen. Die etwa 3,6 Millionen Solo-Selbständigen, darunter 1,5 Millionen Freiberufler, erwirtschaften etwa 11 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und sichern 4,5 Millionen Jobs – Eingriffe sollten in diesem sensiblen Bereich mit Vorsicht und nicht mit der rostigen Axt der Zwangspolitik erfolgen, die Arbeitslosigkeit in Deutschland steigt bereits seit mehreren Jahren kontinuierlich an, ein Kostensprung würde den Arbeitsmarkt erheblich schwächen.

Freiheitliche Systeme zum privaten Kapitalaufbau, wie sie in Ländern wie der Schweiz oder Singapur fest etabliert sind, zeigen, dass Eigenverantwortung auch im Bereich der Altersvorsorge funktionieren kann. Das Schweizer Vorsorgesystem beispielsweise basiert auf drei Säulen: einer staatlichen Grundrente, einer obligatorischen betrieblichen Vorsorge und freiwilligen privaten Sparformen, was die Eigenverantwortung fördert. Dank niedriger Abgaben bleibt mehr Netto für den privaten Kapitalaufbau.

Dieses Modell entlastet die öffentlichen Kassen und sichert langfristig stabile Renten. Dies setzt selbstverständlich voraus, dass sich der Fiskus zurückhält und mehr Netto vom Brutto bleibt. Und genau an dieser Stelle scheitert Deutschland gnadenlos. Zuletzt stieg die Staatsquote im Land auf 49,5 Prozent. Etwa jeder zweite vom privaten Sektor erwirtschaftete Euro kreist also letzten Endes durch das Labyrinth des Staats und versickert dort in unproduktiver Verwendung. Dieses Geld fehlt dann genau dort, wo es hingehört: Im privaten Sektor. Ein effektiver Vermögensaufbau mit Immobilien, Aktien oder anderen Anlageformen ist in diesem Umfeld schwierig, wenn nicht unmöglich.

Und die Bundesregierung unter der Führung von Kanzler Friedrich Merz scheint fest entschlossen, die Tore für die private Altersvorsorge Selbständiger in dieser Legislaturperiode weiter zuzuziehen. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu: „Wir werden alle neuen Selbständigen, die keinem obligatorischen Alterssicherungssystem zugeordnet sind, in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen. Andere Formen der Altersvorsorge, die eine verlässliche Absicherung für Selbständige im Alter gewährleisten, bleiben weiterhin möglich.“ Wie man mit den bisherigen Selbständigen verfahren will, bleibt unklar. Dass es für alle teurer wird und die Wahlfreiheit zum Aufbau einer Altersvorsorge weiter eingeschränkt werden könnte, ist wahrscheinlich.

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